Kein Fleisch ist nicht zwingend die Lösung

Forscher suchen Ausweg aus dem „Ernährung-Umwelt-Gesundheit-Trilemma“

19.11.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Fleisch ist wie Fisch ein wertvoller Nährstofflieferant. Ein kompletter Verzicht ist daher aus Sicht der Forscher ebenso falsch wie der übermäßige Konsum. (© Gabriela Neumeier/ pixelio.de)

Fleisch ist wie Fisch ein wertvoller Nährstofflieferant. Ein kompletter Verzicht ist daher aus Sicht der Forscher ebenso falsch wie der übermäßige Konsum. (© Gabriela Neumeier/ pixelio.de)

Das Einkommen und die Urbanisierung haben in den vergangenen 50 Jahren das Ernährungsverhalten stärker beeinflusst als andere Faktoren. Je höher das Einkommensniveau in einem Land ist, desto kalorienreicher wird die Ernährung. Die Folgen für Mensch und Umwelt sind gravierend. In der Verantwortung stehen jedoch nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Produzenten.

Ernährungswissenschaftler und Umweltschützer beklagen seit Jahren, dass der Appetit der Menschen nicht nur der eigenen Gesundheit, sondern auch der Umwelt schade. Zwei Forscher haben zum ersten Mal eine globale Studie zur Ernährung und ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt veröffentlicht. Das Ergebnis bestätigt die Vorwürfe und weist zugleich darauf hin, dass nicht allein die Verbraucher ihr Verhalten überdenken sollten, sondern auch die Produzenten in der Landwirtschaft und der Fischerei.

Das Ernährung-Umwelt-Gesundheit-Trilemma

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Eine vegetarische Ernährung beugt einer ernährungsbedingten Erkrankung an Typ-2-Diabetes am effektivsten vor.

Eine vegetarische Ernährung beugt einer ernährungsbedingten Erkrankung an Typ-2-Diabetes am effektivsten vor.

Bildquelle: © Lichtbild Austria/ pixelio.de

Die Forscher sprechen von einem unlösbaren „Trilemma“: Die Essgewohnheiten vieler Menschen, vor allem in wohlhabenden Ländern, gefährden einerseits ihre eigene Gesundheit, erhöhen andererseits zugleich den Druck auf die Landwirtschaft und die Umwelt. In diesem Zusammenhang ist es vor allem die weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch, Fisch und tierischen Nahrungsmitteln, wie zum Beispiel Milchprodukte, die u. a. den Ausstoß von Treibhausgasen steigen lässt, die Erosion fruchtbarer Böden fördert, die Rodung vorantreibt, Wasserverschmutzung verursacht und die Artenvielfalt gefährdet.

Einkommen und Urbanisierung beeinflussen das Ernährungsverhalten

Die Forscher beobachteten, dass die Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln und sogenannten „leeren“ Kalorien dann steigt, sobald sich das Einkommen innerhalb eines Landes erhöht und die Menschen zunehmend in Städten wohnen (Urbanisierung). Der Begriff „leere Kalorien“ bezeichnet Lebensmittel, die viele Kalorien besitzen, aber wenig Nährstoffe, wie zum Beispiel Vitamine oder Mineralien. Dazu zählen vor allem zuckerhaltige und fettige Snacks und Alkohol. Diese gelten als Ursache für viele gefährliche ernährungsbedingte Krankheiten, darunter Typ-2-Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

Kein Fleisch ist auch keine Lösung

Die Forscher sprechen sich trotzdem dagegen aus, komplett auf Fleisch oder Fisch zu verzichten. Der Grund ist, dass Fisch und Fleisch reichhaltig an wichtigen Nährstoffen sind. Diese komplett zu ersetzen, würde zusätzlichen Druck auf die Landwirtschaft und Umwelt erzeugen. Sie räumen damit ein, dass die Fokussierung auf den Umweltschutz allein nicht in der Lage ist, das Trilemma aufzulösen. „Eine Reduzierung der Umweltschäden, erhöht im Umkehrschluss nicht automatisch die Gesundheit der Menschen“, fasst es David Tilman, Koautor der Studie, kurz und knapp zusammen.

Die Forscher ziehen daher eine mediterrane Ernährung ebenso wie eine pescetarische Ernährung in Betracht. Während bei einer mediterranen Ernährung mehr Gemüse als Fleisch oder Fleisch konsumiert wird, verzichten Pescetarier zwar auf Fleisch, nicht jedoch auf Fisch, Eier, Milch, Käse oder Honig. Zwar senkt eine vegetarische Ernährung das Risiko am stärksten, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, jedoch schützen eine mediterrane Ernährung und eine pescetarische Ernährung stärker vor Herz-Kreislauf-Erkrankung bzw. Krebs.

Vegetarisch, pescetarisch oder doch mediterran?

Bezogen auf den Treibhausgasausstoß im Jahr 2050 ist die Reduzierung durch eine rein vegetarische Ernährung am größten (-55%), gefolgt von der pescetarischen (-45%) und der mediterranen (-30%). Diese Rangfolge spiegelt sich auch bei der landwirtschaftlichen Fläche wider, die nötig wäre, um im Jahr 2050 rund 9 Milliarden Menschen zu ernähren. Bei einer vegetarischen Ernährung würde sich diese im Vergleich zu heute sogar um 16 Millionen Hektar reduzieren. Bei einer pescetarischen Ernährung wären hingegen 26 Millionen Hektar zusätzlich nötig und bei einer mediterranen 130 Millionen Hektar, was immerhin der gesamten Ackerfläche der USA entspricht. Für den Fall, dass sich das Ernährungsverhalten der Menschen nicht ändert, rechnen die Forscher im Jahr 2050 dagegen mit einer zusätzlich benötigten Fläche von 590 Millionen Hektar und einem Anstieg der Treibhausgasemissionen von 80%.

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Die kontrollierte Aufzucht von Fischen, Muscheln und Krebsen wird Aquakultur bezeichnet. Sie verursacht weniger als halb so viel Treibhausgase, wie die Schleppnetzfischerei.

Die kontrollierte Aufzucht von Fischen, Muscheln und Krebsen wird Aquakultur bezeichnet. Sie verursacht weniger als halb so viel Treibhausgase, wie die Schleppnetzfischerei.

Bildquelle: © Erik Christensen/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Produktion spielt eine Rolle

Nimmt man den Treibhausgasausstoß genauer unter die Lupe, wird jedoch deutlich, dass sich dieser nicht nur zwischen verschiedenen Lebensmittelkategorien unterscheidet, sondern dass auch innerhalb einer Kategorie zum Teil große Unterschiede auftreten. In der Fischerei ist es vor allem das Schleppnetz-Verfahren, das mit einem hohen Treibhausgasausstoß verbunden ist. Aquakulturen oder traditionelle Fangtechniken reduzieren den Ausstoß von Treibhausgasen um mehr als die Hälfte.

Bei Fleisch ist es vor allem die Haltung von Wiederkäuern (Ruminantia), die ein Vielfaches der Treibhausgasmenge produzieren, die bei der Haltung von Schweinen oder Geflügel entsteht. Schuld trifft jedoch nicht allein die grasenden Rinder und Kühe, die das klimaschädliche Methan freisetzen, sondern auch die Landwirte, die mit großen Mengen von mineralischen und organischen Düngemitteln die Futterwiesen düngen. Auch bei Getreide gibt es Unterschiede, so verursacht z. B. der Anbau von Reis (Oryza sativa) fünfmal mehr Treibhausgase als Mais (Zea mays).

Nicht nur das Ernährungsverhalten muss sich ändern

Die Forscher räumen ein, dass ihre Studie zwar keine gänzlich neuen Erkenntnisse liefert, jedoch die globalen Auswirkungen unseres Ernährungsverhaltens vor Augen führt. „Am meisten überrascht hat uns, mit welcher Geschwindigkeit und Konstantheit sich das Ernährungsverhalten überall auf der Welt verändert“, fassen die Forscher zusammen. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass die Lösung erstens nicht allein darin bestehen kann, komplett auf Fleisch zu verzichten, und zweitens nicht allein durch die Verbraucher herbeigeführt werden kann. Folgerichtig wäre es daher, sich zum einen bewusster zu ernähren und zum anderen auch die Produzenten stärker in die Verantwortung zu nehmen.


Quelle:
Tilman, D., Clark, M. (2014): Global diets link environmental sustainability and human health. In: Nature, (12.November 2014), doi:10.1038/nature13959.

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