Konkurrenzfähiger Biokunststoff

01.08.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rohstoff Zuckerrohr: erst Zucker, dann Kunststoff (Quelle: © istockphoto.com/Amandaliza)

Rohstoff Zuckerrohr: erst Zucker, dann Kunststoff (Quelle: © istockphoto.com/Amandaliza)

Bisher galt Biokunststoff zwar als nachhaltig, jedoch auch als kostspielig. Nun plant ein Konzern eine wirtschaftlich rentable Anlage zur Produktion von Polyethylen, dessen Rohstoff Zuckerrohr ist.

Kunststoff hat im letzten Jahrhundert in allen denkbaren Bereichen Einzug gehalten. Das vielseitige Material findet sich z. B. in Verpackungen, Haushaltswaren, elektrischen Geräten, Kleidern, Spielzeug usw. Vor allem Polyethylen und Polypropylen gelten als Standartkunststoffe, die in entsprechender Massenproduktion hergestellt werden. Als fossiler Rohstoff dient der Industrie Erdöl, welches in Zukunft jedoch knapper und teurer werden wird.

Biokunststoffe werden dagegen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und sind zudem biologisch abbaubar. Doch selbst wenn sie nach Gebrauch nicht kompostiert, sondern thermisch verwertet werden, setzen sie nur so viel Kohlendioxid frei, wie die Rohstoffpflanze während ihrer Wachstumsphase aus der Atmosphäre aufgenommen hat. Allerdings schlagen auch Kraftstoff, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Energie für die Bioraffinerie zu Buche. Trotzdem kann sich Bioplastik ökologisch rechnen und eine sinnvolle Alternative zu fossilen Rohstoffen darstellen. Mittlerweile bestehen schon einige Verpackungen, Einweggeschirr oder Blumentöpfe aus Biokunststoffen.

#####bildbox1#####
Werden Biokunststoffe beispielsweise für Verpackungen verwendet, können jede Menge fossiler Rohstoffe geschont werden.

Werden Biokunststoffe beispielsweise für Verpackungen verwendet, können jede Menge fossiler Rohstoffe geschont werden.

Bildquelle: © Ariane Sept/pixelio.de

Der Nachteil dieses Kohlendioxid-neutralen Materials ist dessen Preis. Noch sind die Entwicklungskosten hoch und die produzierten Mengen gering, sodass sich Preise ergeben, die zwei- bis viermal höher sind als die herkömmlicher Kunststoffe. Auch in Deutschland zielen verschiedene Forschungsprojekte auf die Verbesserung der Produktion von Biokunststoffen. So entwickelt beispielsweise der Evonik-Konzern in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig ein biotechnologisches Verfahren, um aus Zucker mithilfe eines neuartigen Enzyms Acrylglas zu gewinnen. Die Experten können sich vorstellen, dass Bioacrylglas bis 2020 zehn Prozent der gesamten Acryglasproduktion decken könnte.

Die Fachhochschule Südwestfalen in Soest arbeitet alternativ an einem Verfahren, mit dessen Hilfe ein Rohstoff für Biokunststoffe auf landwirtschaftlichen Betrieben gewonnen werden soll: Wenn Gras zur besseren Haltbarkeit im Silo lagert, entsteht Milchsäure. Mithilfe optimierter Anbaumethoden und Siliertechniken soll zukünftig qualitativ besonders hochwertige Milchsäure entstehen. Diese kann als Rohstoff für die Herstellung von Biokunststoffen dienen. Der Landwirt soll die Milchsäure vor Ort extrahieren und die verbleibende Biomasse weiter nutzen können.

Bereits in Betrieb ist eine Pilotanlage zur Herstellung von Milchsäure aus Roggen am Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim. Das neuartige Verfahren ermöglicht eine bis zu fünffach höhere Produktivität und damit eine konkurrenzfähige Herstellung von hochreiner Milchsäure, die ebenfalls als Rohstoff für biologisch abbaubaren Kunststoff dient.

Massive Investition in eine Bioraffinerie

Der US-amerikanische Konzern Dow Chemicals, einer der größten Chemiekonzerne weltweit und der größte Kunststoffproduzent,  erklärt nun, dass Kunststoff auf der Basis von Zuckerrohr zum gleichen Preis wie auf Erdölbasis hergestellt werden könne. Damit stellt ein Konzern erstmals eine Bioraffinerie in direkte Konkurrenz zur petrochemischen Raffinerie. Der Konzern plant in Brasilien die weltgrößte Anlage zur Herstellung von Polymeren auf Pflanzenbasis. Noch in diesem Jahr soll zunächst eine Anlage zur Gewinnung von (jährlich) 240 Millionen Liter Ethanol aus dem Zucker des Zuckerrohrs in Betrieb genommen werden. Anfang 2012 soll dann auch die Planung einer Anlage beendet sein, in der das Ethanol zu mehreren hunderttausend Tonnen des Standartkunststoffs Polyethylen weiter verarbeitet wird. Der Biokunststoff habe nach Aussagen des Konzerns die gleichen Eigenschaften wie der erdölbasierte. Neu ist an dem Verfahren nicht etwa der seit 1920 bekannte Dehydrierungsprozess, um Ethanol in Polyethylen umzuwandeln, sondern die Größenordnung. Die Produktionskapazität soll ein Niveau erreichen, das mit dem einer herkömmlichen petrochemischen Anlage vergleichbar ist.

#####bildbox2#####
Zuckerrohr für die Herstellung von Bioethanol wird in Brasilien staatlich unterstützt. Daher dient er auch als preisgünstiger Rohstoff für Biokunststoff.

Zuckerrohr für die Herstellung von Bioethanol wird in Brasilien staatlich unterstützt. Daher dient er auch als preisgünstiger Rohstoff für Biokunststoff.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ ricardoazoury

Brasilien als erneuter Vorreiter

Der Standort Brasilien bietet sich aus ökonomischen Gründen an. Denn in dem südamerikanischen Land wird die Ethanol-Produktion aus Zuckerrohr zur Herstellung von Biotreibstoff schon seit geraumer Zeit staatlich unterstützt. Die dadurch preisgünstige Ethanol-Produktion als Basis für die Herstellung des bezahlbaren Biokunststoffes lässt sich daher nicht unbedingt auf andere Regionen übertragen. Zusätzlich sollen die Kosten laut Dow Chemicals niedrig gehalten werden, indem jeder Teil des Prozesses vom Anbau des Zuckerrohrs bis zur Polyethylenproduktion in der Hand eines Unternehmens liegt. So kann beispielsweise Biomasse, die bei der Extraktion des Zuckers aus dem Zuckerrohr anfällt, zur Energiegewinnung genutzt werden. Dabei hofft der Konzern aufgrund der gestiegenen Nachfrage für nachhaltige Materialien, das Produkt verglichen mit petrochemischen Produkten zu höheren Preisen anbieten zu  können, um damit die höheren Kosten zu decken.

Die Dow Deutschland GmbH hat übrigens zusammen mit den Forschern des Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal ebenfalls ein neues Verfahren zur Gewinnung von Polyalkoholen aus Zucker entwickelt. Diese dienen als Ausgangsstoff für die Produktion von Polyurethanen und Polyestern. Als Rohstoff dient in Deutschland dabei die Zuckerrübe. Der Zuckerrübe sagen Experten eine Renaissance als nachwachsender Rohstoff voraus. Noch dazu  lässt sich die Rübe perfekt in hiesige Fruchtfolgesysteme integrieren. Dadurch werden die Bodenfruchtbarkeit und die Agro-Biodiversität gleichermaßen erhöht.

Ob sich die Erwartungen von Dow Chemicals mit der Massenproduktion von Bio-Polyethylen erfüllen werden, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Eine wirtschaftlich erfolgreiche Produktion von Biokunststoffen hängt nicht nur von kreativen Forschungsprojekten ab, sondern auch von der Möglichkeit, Bioplastik aus neuen Rohstoffen mit effizienten, neuartigen Verfahren in marktrelevanten Mengen herstellen zu können. Die brasilianische Raffinerie ist zumindest was die Tonnage angeht, ein erster Schritt in diese Richtung.


Quelle:

“Cheap Plastic Made from Sugarcane”, Technology Review 2011

Zum Weiterlesen: