Längere Pilzsaison aufgrund des Klimawandels

28.08.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Ziegelgelbe Schleimkopf (Cortinarius varius) lebt in Mykorrhiza-Symbiose mit Nadelbäumen. (Quelle: © Simon Egli/WSL)

Der Ziegelgelbe Schleimkopf (Cortinarius varius) lebt in Mykorrhiza-Symbiose mit Nadelbäumen. (Quelle: © Simon Egli/WSL)

Der Klimawandel hat Auswirkungen auf Ökosysteme und die darin lebenden Organismen. Forscher konnten anhand von Pilzen nun messbare Beweise dafür liefern: Über einen Zeitraum von 40 Jahren hat sich das Wachstumsverhalten von Pilzen in mehreren europäischen Ländern geändert. Sie fanden heraus, dass sich die Pilzsaison seit 1970 verlängert und sich generell nach hinten verschoben hat. Parallel dazu stiegen die Temperaturen und die Vegetationsphasen änderten sich.

Ein internationales Forscherteam analysierte ca. 750.000 Pilzdaten aus vier europäischen Ländern (Großbritannien, Norwegen, Österreich und der Schweiz) über einen Zeitraum von 40 Jahren (1970-2007). Dabei erkannten sie einen Trend, der in allen Ländern beobachtbar war: Pilzfreunde können sich freuen, da sich die Pilzsaison kontinuierlich verlängert hat!

Verändertes Wachstumsverhalten

Pilze, besser gesagt das Zellgeflecht des Pilzes (Myzel) ragt ins Erdreich und der Pilz ist für das bloße Auge nur durch die oberirdisch wachsenden Fruchtkörper erkennbar. Die jährlich wiederkehrende Phase der Fruchtkörperbildung hat sich der Studie zufolge ausgeweitet und generell nach hinten verschoben. Dieser Trend konnte in den betrachteten Ländern und bei unterschiedlichen Pilzgattungen und Pilzarten festgestellt werden. Obwohl es Variationen zwischen verschiedenen Arten gab (bei einigen startete und endete die Saison später, bei einigen früher und bei einigen startete die Saison früher und endete später), konnte ein genereller Trend zu einem späteren Start und Ende festgestellt werden. 

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Der Steinpilz (Boletus edulis) ist ein Mykorrhizapilz und einer der weltweit verbreitetsten und beliebtesten Speisepilze.

Der Steinpilz (Boletus edulis) ist ein Mykorrhizapilz und einer der weltweit verbreitetsten und beliebtesten Speisepilze.

Bildquelle: © Simon Egli/WSL

Sowohl Saprophyten – also Pilze, die totes organisches Material abbauen – als auch symbiotisch lebende Mykorrhizapilze wiesen diese Wachstumsveränderungen auf. Bei Saprophyten in Österreich z.B. verlängerte sich die Pilzsaison um einen Tag, in Großbritannien endete deren Saison sogar sechs Tage später. Und für Mykorrhizapilze startete die Saison beispielsweise in Norwegen zwei Tage später. 

Messbare Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme

Ökologisch bedeutsam sind Pilze aufgrund ihrer zentralen Funktionen im Ökosystem. Abgesehen von parasitären Pilzen, nehmen sie als Zersetzer von totem organischem Material Einfluss auf die Nährstoffkreisläufe ihrer Ökosysteme. Andere wie z.B. Mykorrhizapilze tragen maßgeblich zur Nährstoffversorgung von Wirtspflanzen bei. Durch das beschriebene veränderte Wachstumsverhalten der Fruchtkörper ändert sich somit auch die komplexe Interaktion der Pilze mit dem Waldökosystem. Aufgrund dieser essentiellen Funktionen sind Pilze gute Indikatoren für ökologische Effekte des Klimawandels.

Erklären lassen sich diese Veränderungen der Fruchtkörperbildung mit den gestiegenen Durchschnittstemperaturen und den längeren Vegetationsperioden. Wärmere Winter und später Schneefall, verbunden mit späterem Frost, begünstigen eine längere Fruchtsaison, da diese witterungsbedingten Änderungen die Fruchtköperbildungsphase typischerweise beenden. Die Pilze reagieren damit also auf die globale Erderwärmung.

Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC) geht in seinem letzten Sachstandsbericht von einem Temperaturanstieg von 0,7 °C in den letzten 100 Jahren (1906-2005) aus. Auch wird in Zukunft die Temperatur global weiter steigen. Damit sind die Forschungsergebnisse Belege dafür, dass der Klimawandel sich merklich auf die komplexen Ökosysteme auswirkt.

Mögliche Auswirkungen auf Pilz und Ökosystem

Die Änderungen bei der Fruchtkörperbildung lassen auf eine veränderte Physiologie des Zellgeflechts im Boden oder beim Wirt (z.B. Bäumen) schließen. Allgemein vermuten die Forscher, dass die Größe und Aktivität der Pilzmyzele sich durch die geänderten Wachstumsbedingungen vergrößert. Die Zellgeflechte der Pilze könnten demzufolge mehr Nährstoffe aufnehmen bzw. abgeben. Die Forscher folgern daraus, dass dies auch Auswirkungen auf die Stoffkreisläufe des gesamten terrestrischen Ökosystems nach sich zieht.

Mykorrhizapilze sind abhängig von der Kohlenhydratversorgung ihrer Wirtspflanze (z.B. von einem Baum). Die verbesserten Wachstumsbedingungen wirken sich auch auf die Wirte aus. Sie erhöhen ihre Photosyntheseleistung und sind dadurch in der Lage die Pilze länger mit Kohlenhydraten zu versorgen. Die Pilze könnten dann über längere Zeit mehr Nährstoffe (vor allem Kohlenstoff) binden.

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Champignons (wie z.B. der Wiesenchampignon Agaricus campestris) sind Saprophyten, d.h. sie sind Zersetzter von abgestorbenem organischen Material. 

Champignons (wie z.B. der Wiesenchampignon Agaricus campestris) sind Saprophyten, d.h. sie sind Zersetzter von abgestorbenem organischen Material. 

Bildquelle: © Andreas Kunze / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Saprophyten würden dagegen ihre Abbauprozesse von totem organischem Material erhöhen und mehr CO2 in die Atmosphäre abgeben. Daher hängt das stoffliche Gleichgewicht des Ökosystems, den Forschern zufolge, von einer Balance dieser Aufnahme- und Abgabeprozesse von Kohlenstoff ab. 

Regionale Unterschiede erkennbar

Obwohl es in der vorliegenden Studie einen generellen Trend zur Verlängerung der Pilzsaison gab, konnten regionale Abweichungen beobachtet werden. Während in Norwegen, Österreich und der Schweiz der Tag der Fruchtkörperbildung nach hinten verschoben war, d.h. die Pilzsaison durchschnittlich später startete, begann in Großbritannien die Pilzsaison sogar früher als üblich, dauerte jedoch ebenfalls länger. Hier hat sich die Saison in beide Richtungen verlängert. Die Wissenschaftler führten dies auf das spezifisch ozeanische Klima mit milden Wintern und relativ kühlen Sommern zurück. Dies belegten sie anhand der durchschnittlichen monatlichen Temperaturdaten der Jahre 1971–2000 - von allen beobachteten Ländern hatte Großbritannien die wärmsten Winter. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass dies regionale Unterschiede auf den Klimawandel und dessen Folgen sein könnten.

Auch in Deutschland wurden bereits Veränderungen im Pilzwachstum festgestellt (Stobbe et al., 2012), wo Forscher ein vermehrtes Auftreten von Trüffeln in Süddeutschland beobachteten. Auch sie gehen davon aus, dass dies durch den Klimawandel zu erklären ist.


Quelle:
Kauserud, H. et al. (2012): Warming-induced shift in European mushroom fruiting phenology. In: PNAS, online 20. August 2012, doi: 10.1073/pnas.1200789109.

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