Leistungsfähige Enzyme zum Abbau von Biomasse

22.01.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Schädling Agrotis ipsilon ist bei der Nahrung nicht wählerisch. (Quelle: © Rasbak / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Der Schädling Agrotis ipsilon ist bei der Nahrung nicht wählerisch. (Quelle: © Rasbak / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Insekten sind extrem effizient, wenn es um die Verdauung von Pflanzen geht. In der Darmflora dieser Tiere suchen Forscher nach Enzymen zum effektiven Abbau von Biomasse im großtechnischen Maßstab.

Insekten repräsentieren eine sehr vielfältige Gruppe von Organismen, die sich an extrem unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen können. Einige von ihnen, die pflanzenfressenden Insekten, haben hochspezialisierte Systeme entwickelt, die es Ihnen erlauben eine Vielzahl von Pflanzen als Nahrungsquelle zu nutzen. Beim Zersetzen der Blätter, Stängel und Wurzeln spielt die Zusammensetzung der Insekten-Darmflora eine wesentliche Rolle.

Ein internationales Forscherteam untersuchte das Genom der Darmbewohner dreier Insekten unterschiedlicher Ordnung und mit verschiedenartiger Ernährungsweise. Die Forscher waren einerseits daran interessiert zu prüfen, ob die unterschiedliche Ernährung der Tiere mit den Bewohnern ihrer Darmflora im Zusammenhang stünde. Außerdem waren die Wissenschaftler auf der Suche nach neuen Biokatalysatoren. Diese, so die Hoffnung der Forscher könnten helfen Bioraffinerien, in denen Biomasse zu verschiedenen Produkten verarbeitet werden, zum Durchbruch zu verhelfen.

Biokatalysatoren für die Bioraffinerie

Das Prinzip einer Bioraffinerie ist vergleichbar mit dem einer Erdölraffinerie, in der der komplexe jedoch im Vergleich zur Biomasse recht einfach zusammengesetzte Rohstoff Erdöl in einzelne Fraktionen oder Komponenten getrennt wird. Bioraffinerien sollen unter anderem Erdöl als wichtigen Rohstoff der chemischen Industrie ergänzen und ersetzen. Daneben könnten durch die Vielzahl der verschiedenen chemischen Verbindungen in Biomasse auch neue Anwendungsmöglichkeiten entstehen.

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Das Prinzip der Bioraffinerie ist dem der Erdölraffinerie sehr ähnlich.

Das Prinzip der Bioraffinerie ist dem der Erdölraffinerie sehr ähnlich.

Bildquelle: © LianeM / Fotolia.com

Das Konzept der Bioraffinerie mit einer ganzheitlichen und hochwertigen Nutzung der Biomasse befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. In Ansätzen ist dieses Konzept aber bereits umgesetzt, z. B. bei der Herstellung von Zucker, Bioethanol und Biodiesel, wo versucht wird, auch die Neben- bzw. Koppelprodukte hochwertig zu nutzen. Bisher können jedoch nicht alle Inhaltsstoffe von Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion, geschweige denn für die Erzeugung von Grundstoffen für die chemische Industrie genutzt werden. Holzstoffe wie Lignin und andere Bestandteile der pflanzlichen Zellwände stören beispielsweise den Gärungsprozess und müssen zuvor durch die Zugabe von katalysatorischen Enzymen aufgeschlossen werden.

Nahrungsquelle lässt Rückschluss auf Darmflora zu

Um geeignete Biokatalysatoren für eine Bioraffinerie zu finden, untersuchten die Forscher das Erbgut der Darmmikroben von Grashüpfern (Acrida cinerea) und Erdwürmern (Agrotis ipsilon) und verglichen dieses mit dem bereits bekannten Metagenom der Termiten-(Nasutitermes)-Darmbewohner. Die Sequenzierung der drei Metagenome offenbarte erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora.

Der Grasshüpfer ist polyphag, lebt also von verschiedenartiger Nahrung. Hauptsächlich ernährt er sich aber von Pflanzenblättern, insbesondere von einkeimblättrigen Grasgewächsen. Erdwürmer sind ebenfalls polyphag. Sie sind bezüglich ihrer Nahrung sehr anpassungsfähig und verzehren Kohl, Spargel, Bohnen und andere Kreuzblütlergewächse. Termiten hingegen sind monophage Insekten, auf deren Speiseplan ausschließlich lignocellulosehaltige Biomasse steht.

Ernährung korreliert mit Darmflora

Wie vermutet, fanden die Forscher Folgendes: Die Zusammensetzung der Darmflora korrelierte mit der Fähigkeit, die Nahrung der jeweiligen Wirtsinsekten verwerten zu können. So enthielten die Gedärme von Erdwürmern und Grashüpfern mehr Kohlenhydrat-verwertende Bakterien als die der Termiten, die sich von hölzernen Gewächsen ernähren. Die Bakterien im Darm der Termiten hingegen produzierten zahlreiche Glykosyl-Hydrolase-Enzyme, die die Tiere für den Abbau von Lignocellulose benötigen. Im Termitendarm fanden die Forscher außerdem mehr Gene zur Stickstofffixierung als bei den Grashüpfern oder den Erdwürmern. Das führten sie auf die ballaststoffreiche und nährstoffarme Nahrungszufuhr der Termiten zurück.

Grashüpferenzyme effektiver

Um die Darmbewohner der Insekten für biotechnologische Anwendungen untersuchen zu können, klonierten und charakterisierten die Forscher Enzyme, die am Abbau von Biomasse beteiligt sind. Dazu gehörten jeweils eine Endoglucanase und eine Xylanase aus dem Darm des Grashüpfers und des Erdwurms. Endoglucanasen sind die einzigen Enzyme, die innerhalb der Celluloseketten arbeiten können. Sie spalten die drei- bis 15.000- Glukosebausteine-langen Cellulosemoleküle in größere Abschnitte. Dadurch erzeugen sie eine größere Anzahl von Kettenenden, die wiederum von anderen Enzymen, den Exoglucanasen, bearbeitet werden können.

Xylanasen hingegen sind Enzyme, die verschiedene, im Stützgerüst der pflanzlichen Zellwände vorhandenen, Substanzen (Xylane) aufschließen können. Sie werden bei der Stärkeverarbeitung, als Futtermittelzusätze und in der Papierindustrie verwendet.

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Termiten ernähren sich ausschließlich von lignocellulosehaltiger Biomasse und können so auch Schäden an Gebäuden und Nutzholz verursachen.

Termiten ernähren sich ausschließlich von lignocellulosehaltiger Biomasse und können so auch Schäden an Gebäuden und Nutzholz verursachen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Amy Walters

Doch zurück zu den Insekten: Die Forscher verglichen die Effektivität der Enzyme aus dem Grashüpfer und dem Erdwurm bei unterschiedlichen pH-Werten und Temperaturen. Obwohl das nicht ihren natürlichen Umgebungsbedingungen entspricht, zeigten die untersuchten Enzyme bei 60 bis 70 °C ihre größte Effektivität. Da der Verdauungstrakt von Insekten leicht alkalische pH-Werte aufweist, lag das pH-Optimum der beobachteten Enzyme erwartungsgemäß zwischen pH 7.0 und 9.0. Damit könnten die Enzyme aus Insektengedärmen die bisher verwendeten Enzyme zum Abbau von Biomasse aus Pilzen besonders gut ergänzen, da letztere im leicht sauren Milieu besonders aktiv sind.

Beim direkten Vergleich von Enzymen derselben Art erwiesen sich die des Grashüpfers gegenüber denen des Erdwurms als leistungsfähiger, denn sie konnten die angebotene Biomasse signifikant schneller abbauen.

Die Darmbewohner des Grashüpfers könnten sich die Forscher in Zukunft zu nutze machen, wenn es darum geht, effektive Biokatalysatoren zum Einsatz in einer Bioraffinerie zu finden. Doch nicht nur das: Mit ihrer Arbeit konnten die Forscher außerdem zeigen, dass sich das Mikrobiom von Insekten generell dazu eignet, leistungsfähige Enzyme zum Abbau von Biomassen aufzuspüren. Diese könnten dann mit Hilfe molekularbiologischer Methoden für technische Anwendungen und in ihrer Effektivität weiter optimiert werden. Neben den bakteriellen Darmbewohnern würden sich dazu auch die Pilze und Protozoen im Darm der Insekten eignen.


Quelle:
Weibing S., et al. (2013): Comparative Genomic Analysis of the Endosymbionts of Herbivorous Insects Reveals Eco-Environmental Adaptations: Biotechnology Applications. In: PLOS Genetics, Volume 9, Issue 1, (Januar 2013), doi:10.1371/journal.pgen.1003131.
 


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Titelbild: Der Schädling Agrotis ipsilonist bei der Nahrung nicht wählerisch. (Quelle: © Rasbak / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)