Liebe geht durch den Magen

10.11.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Untersuchungsobjekt Fruchfliege (Drosophila melanogaster). (Quelle: © iStock.com/ janeff)

Untersuchungsobjekt Fruchfliege (Drosophila melanogaster). (Quelle: © iStock.com/ janeff)

Taufliegen bevorzugen Partner, die sich ähnlich ernähren wie sie selbst. Die Ernährung hat Einfluss auf die Darmbakterien und diese wiederum auf die Fortpflanzung der Fliegen. Damit beeinflusst die Nahrung die Herausbildung neuer Arten und bereichert die Evolution um eine neue Facette.

In der Taufliege (Drosophila melanogaster) lebende Bakterien können die Partnerwahl der Fliege beeinflussen und damit indirekt die Evolution der Art vorantreiben. Dies ist das Ergebnis einer Studie zur symbiotischen Beziehung zwischen „schwarzbäuchigen“ Taufliegen und Darmbakterien.

Die Wissenschaftler verglichen das Paarungsverhalten von Taufliegen, die sich von Stärke ernährten mit dem Verhalten von Maltose-fressenden Fliegen. Wie in früheren Studien bereits entdeckt, bevorzugten die Fliegen die Partner mit derselben Diät. Eine Nahrungsumstellung beeinflusste schnell auch das Verhalten der Fliegen. Bereits eine Generation nach der Umstellung von Stärke auf Maltose oder umgekehrt veränderten die Fliegen ihr Paarungsverhalten so, dass sie wiederum eher die Partner mit der gleichen Ernährung wählten. Dieser Effekt blieb für weitere 37 Generationen erhalten. Doch warum?

Bakterien als Fliegenfalle

Die Wissenschaftler vermuteten, dass sich die Art der Nahrung nicht direkt auf die Fliegen, sondern auf die symbiotisch lebenden Bakterien im Darm der Fliege auswirken könnte. Um diese These zu überprüfen, behandelten sie einige Fliegen mit Antibiotika, um deren Darmbakterien abzutöten. Und tatsächlich zeigten die behandelten Fliegen keine Vorliebe mehr für bestimmte Partner, sie wählten eher zufällig. 

Als verantwortliches Darmbakterium identifizierten die Forscher Lactobacillus plantarum. Diese Bakterienart steht im Verdacht, die Konzentration bestimmter sexueller Lockstoffe, der Pheromone, zu beeinflussen. Die genetische Analyse zeigte einen klaren Unterschied zwischen den Fliegen mit der Stärkenahrung und den Maltose-ernährten Fliegen. In den Stärke-fressenden Fliegen gehörten 26% aller symbiotischen Bakterien zur Art Lactobacillus plantarum, während dieses Bakterium in Maltose-fressenden Fliegen nur etwa 3% der Bakterienpopulation ausmachte. Ihre Vermutung überprüften die Wissenschaftler, indem sie die zuvor mit Antibiotika behandelten Fliegen mit Lactobacillus plantarum infizierten. Das Ergebnis: die Fliegen bevorzugten abermals Partner mit der Ernährung, die Lactobacillen fördert. Das Bakterium schien also für die Partnerwahl mitverantwortlich zu sein.

Fliegen sind mehr als die Summe ihrer Gene

In weiteren Analysen fanden die Wissenschaftler bei den Stärke-fressenden Taufliegen deutlich veränderte Gehalte bestimmter Pheromone, die mit der Partnerwahl in Zusammenhang gebracht werden. Die Ergebnisse geben damit einen Hinweis darauf, dass das Bakterium Lactobacillus plantarum einen Einfluss auf die Pheromone und damit auf das Paarungsverhalten der Fliege ausüben könnte. Weitere Studien müssen diese These nun überprüfen.

Doch wie beeinflusst das Paarungsverhalten die individuelle Fitness einer Art? Aus der Forschung ist bereits bekannt, dass pflanzenfressende Fliegen sich relativ schnell evolutionär verändern. Die Partnerwahl stellt dabei einen frühen Selektionsmechanismus für die Evolution dar. Die Wissenschaftler sehen ihre Ergebnisse im Einklang mit der sogenannten Hologenom-Theorie. Diese Evolutionstheorie geht davon aus, dass die natürliche Selektion beeinflusst wird durch Veränderungen im Hologenom, also in der Summe alle Gene eines Organismus und der in ihm lebenden Mikroorganismen - und nicht nur durch Veränderungen des Organismus selbst. Damit genetische Variation entsteht, muss sich somit entweder der Organismus oder die Mikroorganismen in ihm verändern. Mikroorganismen können sich schneller an Umweltveränderungen anpassen als der Wirtsorganismus. Daher kann die Evolution des Hologenomes durch genetische Veränderungen in den Mikroorganismen ein wichtiger Treiber der Artentwicklung und der Entstehung neuer Arten sein. Mit dieser Erkenntnis wirft die Studie eine ganz neue Sicht auf die Evolution. Gleichzeitig verdeutlicht die Studie, dass der Ernährung nicht nur eine individuelle, sondern auch eine evolutionäre Bedeutung zukommt.  


Quelle:

Gil Sharon et al. (2010): Commensal bacteria play a role in mating preference of Drosophila melanogaster. PNAS, online veröffentlicht am 01.11.2010. doi:10.1073/pnas.1009906107PNAS  (abstract).

Titelbild: Untersuchungsobjekt Fruchfliege (Drosophila melanogaster). (Quelle: © iStock.com/ janeff)