Mehltau: Minimalistische Überlebensstrategie

15.12.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Unreife Gerstenpflanzen sind anfällig für Mehltau (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)

Unreife Gerstenpflanzen sind anfällig für Mehltau (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)

Der Echte Mehltau – ein wohlbekannter Pflanzenschädling – hat im Laufe der Evolution so viele Gene verloren, dass ein unabhängiger Stoffwechsel ohne Wirtspflanze nicht mehr möglich ist. In seinem vergleichsweise großen Genom ist nur eine überraschend kleine Zahl an Genen enthalten.

Der echte Mehltau kann mit seinen feinen Pilzfäden ganze Ernten vernichten. Um Stoffwechsel und Wirkungsweise des Pilzes besser verstehen zu können, hat ein internationales Forscherteam nun sein Genom mit denen anderer Pilzarten, wie Bäckerhefe, verglichen. Sie stellten fest, dass der Echte Mehltau mit fast 120 Millionen Basenpaaren zwar eines der größten Genome unter den Schlauchpilzen besitzt. Doch mit nur knapp 6.000 ist die Anzahl der Gene äußerst gering.

Vergleich mit selbstständiger Bäckerhefe

So hat der Echte Mehltau im Laufe seiner Evolution beispielsweise 99 Gene verloren, die der Pilz für einen von der Wirtspflanze unabhängigen Stoffwechsel benötigen würde. Bäckerhefe, die ebenfalls zu den Schlauchpilzen zählt, enthält diese Gene noch. Der Mehltaupilz kann daher im Gegensatz zur Bäckerhefe weder Stickstoff fixieren, noch durch Gärung Energie gewinnen oder Stoffwechselprodukte aus anorganischen Verbindungen herstellen. Er ist unwiderruflich auf eine Versorgung durch seine Wirtspflanze angewiesen. Eine selbstständige Lebensform ist dem angepassten Pilz nicht mehr möglich, denn die genetischen Veränderungen können nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Die ungewöhnliche Größe des Genoms erklärt sich durch sogenannte „springende Gene“. Diese Transposons bringen neue Sequenzen in das Genom ein, sodass sich das Erbgut relativ schnell verändern kann. Diese zusätzlichen Basenpaare vergrößern das Genom immer mehr. Viele Gene gehen jedoch auch verloren, weil deren Leseraster durch den Einbau des springenden Gens unterbrochen wurde.

Mehltau versucht seinen Wirt zu unterwerfen

Auch der Angriff auf die Pflanzenzelle ist beim Echten Mehltau stark vereinfacht. Andere Pflanzenschädlinge haben die genetischen Informationen, um zahlreiche Transportproteine zu produzieren. Mit deren Hilfe schleusen sie z. B. Gifte in die Pflanzenzelle ein oder transportieren Pflanzengifte aus der Zelle heraus, damit sie ihnen nicht mehr gefährlich werden können. Der Mehltaupilz produziert dagegen nur wenige Transportproteine sowie wenige Enzyme, die die Zellwand für den Transport von Giften durchlässig machen. Angriffe des Mehltaus sind allerdings gar nicht nötig. Als Parasit versucht der Pilz Abwehrreaktionen von Seiten der Pflanze zu vermeiden, um von diesem nachhaltig mit Nährstoffen versorgt zu werden. So hat das Forscherteam beim Gersten-Mehltau nur 248 Gene identifiziert, die für die Entstehung der Symptome bei einer vom Echten Mehltau befallenen Pflanze verantwortlich sind. Das sind lediglich vier Prozent der genetischen Ausstattung.

Enge Anpassung den die Wirtspflanze

Beim Vergleich mit zwei weiteren Mehltau-Arten, die speziell Erbsen bzw. Arabidopsis befallen, wurden nur sieben dieser 248 krankheitsverursachenden Gene auch in den beiden anderen Arten identifiziert. Die restlichen Gene sind allein typisch für den Gersten-Mehltau, was die enge Anpassung an die Besonderheiten der Wirtspflanze beweist.


Quelle:
Spanu P.D. et al. “Genome expansion and gene loss in powdery mildew fungi reveal functional tradeoffs in extreme parasitism”, Science, doi: 10.1126/science. 1194573, 10 December 2010, Vol. 330 no. 6010 pp. 1543-1546 (Link)

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Titelbild: Unreife Gerstenpflanzen sind anfällig für Mehltau (Quelle: © Rainer Sturm / PIXELIO www.pixelio.de)