Mehr Ertrag und bessere Ökobilanz

21 Millionen chinesische Kleinbauern zeigen, wie das geht

26.03.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Reisanbau in China hat ein ungenutztes Ertragspotenzial. (Bildquelle: © pixabay; CC0)

Der Reisanbau in China hat ein ungenutztes Ertragspotenzial. (Bildquelle: © pixabay; CC0)

Bäuerliche Kleinbetriebe sind für einen großen Teil der globalen Nahrungsproduktion verantwortlich. Mit den richtigen Anbaupraktiken können sie Erträge und die Ökobilanz noch deutlich verbessern. Wie sich ein solches Wissen verbreiten und in die Praxis umsetzten lässt, haben Wissenschaftler in China erfolgreich erprobt.

Rund ein Neuntel mehr Ertrag bei einem Sechstel weniger Düngereinsatz klingt respektabel. Wenn das aber gleich 20,9 Millionen Kleinbauern schaffen, dann ist der Gesamteffekt enorm. In einem auf zehn Jahre angelegten Projekt ist es Wissenschaftlern aus China und den USA gelungen, Millionen von Landwirten dieses Wissen zu vermitteln. Sie setzten nun Anbaumethoden ein, die auf die jeweiligen lokalen Bedingungen optimiert sind.

„Das Ausmaß der Verbesserungen hinsichtlich Ertragssteigerungen und Düngerreduzierung war großartig“, freut sich Zhengxia Dou, Agrarforscherin an der University of Pennsylvania. Vergleichbares sei auch früher schon hier und da erreicht worden. Aber der Maßstab des Ganzen, das Herangehen mit massivem Aufwand und vielschichtigen Partnerschaften zwischen Wissenschaftlern, Vermittlern, Agrarindustrie und Landwirten habe einen Schneeballeffekt ausgelöst. „Das ist für mich die eindrucksvollste Botschaft.“

2,5 Milliarden Kleinbauern weltweit

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Mit der richtigen Unterstützung können Kleinbauern die Produktivität ihrer Reisfelder steigern und Dünger sparen.

Mit der richtigen Unterstützung können Kleinbauern die Produktivität ihrer Reisfelder steigern und Dünger sparen.

Bildquelle: © spaceport9 / Fotolia.com

Vorangegangen waren dem Projekt gründliche Überlegungen. Wenn die Landwirtschaft leistungsfähiger und gleichzeitig nachhaltiger werden soll, dann muss das auch in kleinbäuerlichen Betrieben umgesetzt werden: Denn weltweit bewirtschaften 2,5 Milliarden Kleinbauern rund 60 Prozent der urbaren Böden. Die meisten sind kaum ausgebildet und es fehlen Kenntnisse über nachhaltige Anbaupraktiken. Auch mangelt es an Geld, um in die Betriebe zu investieren. Bislang ist es nur in kleineren lokalen Projekten gelungen, Kleinbauern zu schulen und das neue Wissen in die Praxis umzusetzen.

Dou und ihre Kollegen um Projektleiter Fusuo Zhang von der China Agricultural University wollten daher Maßnahmen entwickeln, um alle 200 bis 300 Millionen Kleinbauern Chinas entsprechend der lokalen Gegebenheiten weiterzubilden und anzuleiten. Wenn dieser Ansatz erfolgreich wäre, könnte er auch für vergleichbare landwirtschaftliche Strukturen in Indien, der Subsahara und weiteren Regionen genutzt werden. Das Team setzte dabei auf das sogenannte „Integrated Soil-Crop System Management“ (ISSM). Für die unterschiedlichen agrarökologischen Systeme Chinas entwickelten die Forscher jeweils Empfehlungen für Mais, Weizen und Reis: Wann ist die optimale Pflanzzeit, für welche Sorten sind die lokalen Bedingungen günstig, welche Pflanzdichte ist optimal, welcher Boden benötigt bei welcher Pflanze wie viel Stickstoffdünger, wann sollte bewässert werden und vieles mehr.

Tausende von Versuchen bestätigten die Anbauempfehlungen

Auf mehr als 13.000 Flächen testen die Forscher zwischen 2005 und 2015 ihre Empfehlungen und verglichen sie mit Feldern, die auf herkömmliche Weise bewirtschaftet wurden. Zwar variierte der Erfolg je nach getesteter Sorte und Anbaufläche, aber die Erträge waren stets besser als im jeweiligen Kontrollfeld. Auch der Düngerbedarf sank bei allen Versuchen. Im Durchschnitt stieg der Ertrag bei Mais von 7,83 auf 9,54 Tonnen je Hektar, bei Weizen von 5,69 auf 6,73 Tonnen je Hektar und bei Reis von 7,03 auf 8,41 Tonnen je Hektar.

Die ausgebrachte Menge Stickstoffdünger verringerte sich gleichzeitig um 8,5 bis 15,6 Prozent. Das war vor allem deshalb möglich, weil in China die Stickstoffeffizienz bislang bei nur 0,25 liegt. Dieser Wert bedeutet, dass nur ein Viertel der ausgebrachten Stickstoffmenge von den Pflanzen tatsächlich aufgenommen wird. Im globalen Mittel liegt dieser Wert bei 0,42 und in Nordamerika sogar bei 0,65. Der überschüssige Stickstoff versauert die Böden, belastet das Grundwasser und erzeugt Treibhausgase. Letztere verringerten sich bei den Feldversuchen um mindestens 18,6 Prozent, errechnete das Team um Zhang.

Netzwerk aus Forschern, Beratern und Agrarunternehmen

Bestärkt durch diese Ergebnisse etablierten die mehr als tausend beteiligten Wissenschaftler ein großes Netzwerk. Mehr als 65.000 landwirtschaftliche Berater und 130.000 Mitarbeiter aus Agrarunternehmen  unterstützten 20,9 Millionen Landwirte dabei, die Empfehlungen umzusetzen. Die Unternehmen lieferten optimierte Düngermischungen und die Wissenschaftler schulten die lokalen Berater, die ihrerseits ausgewählte Landwirte mit dem nötigen Wissen versorgten. Diese gaben wiederum ihre Erfahrungen an andere Bauern in ihren Dörfern weiter. Das Schneeballsystem funktionierte überraschend gut. Die Berater initiierten außerdem Kooperativen, um die Bauern bei Verhandlungen mit Abnehmern und lokalen Entscheidern zu stärken.

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Den Einsatz von Stickstoffdünger reduzierten die am Projekt beteiligten Kleinbauern um 14,7 bis 18,1 Prozent.

Den Einsatz von Stickstoffdünger reduzierten die am Projekt beteiligten Kleinbauern um 14,7 bis 18,1 Prozent.

Bildquelle: © iStock.com/Singkham

Im Ergebnis kamen ISSM-basierten Methoden zwischen 2005 und 2015 kumuliert auf 37,7 Millionen Hektar zum Einsatz. Der Mehrertrag fiel etwas geringer aus als in den Feldversuchen, blieb aber deutlich: Er betrug insgesamt 10,8 bis 11,5 Prozent gegenüber der herkömmlichen Bewirtschaftungsweise. Das entspricht in absoluten Zahlen zusätzlich 33 Millionen Tonnen Erntegut. Den Einsatz von Stickstoffdünger reduzierten die am Projekt beteiligten Kleinbauern um 14,7 bis 18,1 Prozent. Die Summe aus Mehrerlös und Düngerersparnis lag insgesamt bei 12,2 Milliarden US-Dollar.

82,4 Millionen Tonnen Mehrertrag in China möglich

Welche Mehrerträge und Düngereinsparungen kämen hinzu, wenn noch mehr chinesische Kleinbauern ISSM-basierte Methoden nutzen würden? Dazu werteten die Forscher die verfügbaren Daten von weiteren 8,6 Millionen Bauern aus 1944 Landkreisen aus, die nicht am Projekt beteiligt waren. Daraus kalkulierten sie das Gesamtpotenzial aller Bauern dieser Landkreise. Bezöge man aus dieser Gruppe nur Landwirte ein, die schlechte Erträge trotz hohem Düngereinsatz erwirtschaften, läge der jährliche Mehrertrag bei immerhin 19,3 Millionen Tonnen. Nähme man die Landwirte mit schlechten Erträgen bei mäßigem Düngereinsatz hinzu, stiege der Wert auf 70,5 Millionen Tonnen. Wenn sich alle Landwirte dieser Landkreise beteiligen würden, könnte ein sattes Plus von 82,4 Millionen Tonnen erzielt werden. Die jährlich in Folge der Stickstoffdüngung emittierten CO2-Äquivalente würden dann um 7,6 Prozent oder 23,4 Millionen Tonnen sinken.

Darüber hinaus sind die beteiligten Forscher überzeugt, dass der Ansatz sich in andere Weltregionen mit kleinbäuerlichen Strukturen übertragen lässt. In Indien beispielsweise sind die Erträge niedrig, der Düngereinsatz jedoch hoch. Und in der Subsahara düngen die Bauern zwar nur wenig, aber auch der Ertrag ist gering. Entscheidend, so Dou, seien die in diesem Projekt gemachten Erfahrungen, „wie man mit Kleinbauern arbeitet, ihr Vertrauen verdient und sie einbindet“.


Quelle:
Cui, Z. et al. (2018): Pursuing sustainable productivity with millions of smallholder farmers. In: Nature 555, 363-366, (15. März 2018), doi: 10.1038/nature25785.

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Titelbild: Der Reisanbau in China hat ein ungenutztes Ertragspotenzial. (Bildquelle: © pixabay; CC0)