Mehr Fitness durch indirekte Pflanzenabwehr

19.10.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wildwachsender Tabak (Nicotiana attenuata) diente den Forschern als Versuchsobjekt. (Quelle: © Stan Shebs / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Wildwachsender Tabak (Nicotiana attenuata) diente den Forschern als Versuchsobjekt. (Quelle: © Stan Shebs / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

„Grüne Blattduftstoffe“ dienen Pflanzen zur indirekten Abwehr: Sie locken bei einem Angriff durch Fraßfeinde deren Feinde an und entledigen sich so der Angreifer. Deutsche Forscher belegen erstmals anhand von Experimente an Tabakpflanzen, dass diese indirekten Abwehrmechanismen auch die Fitness der Pflanze erhöht: Sie bildeten mehr Blüten aus.

Die Landwirtschaft steht von der Herausforderung die stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Ernteerträge zu sichern und potentiell zu steigern sind daher wichtige Ziele der Pflanzenzüchtung. Dabei steht sie dem Problem gegenüber, dass Schädlinge schnell Resistenzen gegen Pesitzide entwickeln und so die Ertragssicherheit gefährden. Ein besseres Verständnis natürlicher Abwehrmechanismen von wildwachsenden Pflanzen kann helfen, Schädlinge auch in der Landwirtschaft biologisch-natürlich zu bekämpfen. Dies stellt eine Unterstützung und in einigen Fällen eine Alternative zum Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel dar.

Vielfalt der natürlichen Abwehrmechanismen

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Eine Raubwanze wird durch grüne Blattduftstoffe angelockt und vertilgt daraufhin das Ei eines Tabakschwärmers. (Copyright: Merit Motion Pictures, Winnipeg, Manitoba, Canada)

Eine Raubwanze wird durch grüne Blattduftstoffe angelockt und vertilgt daraufhin das Ei eines Tabakschwärmers. (Copyright: Merit Motion Pictures, Winnipeg, Manitoba, Canada)

Pflanzen können sich direkt und indirekt gegen Fraßfeinde wehren. Zu den direkten Verteidigungsmechanismen gehören beispielsweise Stacheln oder Dornen. Auch mit chemischen Stoffen in Früchten, die auf Frassfeinde toxisch wirken, wehren sich die standortgebundenen Pflanzen. Sie können jedoch auch sprichwörtlich um Hilfe rufen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie untersuchten nun spezielle Duftstoffe, die Pflanzen bei Angriffen von Fraßfeinden freisetzen. Diese sollen Räuber anlocken, die sich wiederum von den Angreifern ernähren. Schafft sie es den Feind des Feindes anzulocken, kann die Pflanze den durch ihren Fraßfeind hervorgerufenen Schaden um bis zu 90 Prozent reduzieren. Dies bezeichnet man als indirekte Pflanzenabwehr.

Durch sogenannte „grüne Blattduftstoffe“ locken beispielsweise Maispflanzen Fadenwürmer an, wenn sie von Larven des Maiswurzelbohrers angegriffen werden. Die „grünen Blattduftstoffe“ entstehen, wenn grüne Pflanzenteil wie Blätter von Angreifern verletzt werden. Diese chemischen Duftstoffe verleihen z.B. auch frisch gemähtem Rasen seinen charakteristischen Duft.

Indirekte Abwehr erhöht die Fitness

In einer zweijährigen Studie unter natürlichen Bedingungen (Feldversuch), untersuchten die Forscher, ob die Duftstoffe die Fitness der Pflanzen erhöht. Der Begriff Fitness meint hier die Angepasstheit an die Umwelt, d.h. wie gut sich die Pflanze vermehren kann. Ein Indiz für mehr Fitness wäre eine erhöhte Anzahl an keimfähigen Samen. Dies untersuchten die Wissenschaftler in einem Experiment mit wildem Tabak (Nicotiana attenuata):

Sie betrachteten Tabakpflanzen, die „grüne Blattduftstoffe“, wie beispielsweise (E)-2-Hexenal, produzieren und verglichen diese mit transgenen Pflanzen, bei denen die Duftstoffproduktion gezielt abgeschaltet wurde.

Mit ihren Duftstoffen lockten die Tabakpflanzen Raubwanzen der Gattung Geocoris an, die blattfressende Raupen wie den Tabakschwärmer (Manduca sexta) angreifen. Sobald geschlüpfte Tabakschwärmer-Raupen beginnen an den Blättern zu fressen, rufen die Pflanzen die Raubwanzen quasi zu Hilfe.

Die Tabakpflanzen mit natürlicher Abwehr waren im Vergleich zur transgene Kontrollgruppe weniger von den blattfressenden Raupen befallen und bildeten doppelt so viele Knospen und Blüten aus. Aber nur, wenn die angelockten Räuber die Pflanzen zu 50 Prozent von der Fraßfeinde befreiten.

Weitere Abwehrreaktionen helfen zusätzlich

Zudem produzieren die Tabakpflanzen zur Abwehr gegen die Fraßfeinde verdauungshemmende Eiweiße (sogenannte Protease-Hemmer), welche die Blätter für Raupen schwer verdaubar machen. Die Forscher stellten jedoch keinen Zusammenhang zwischen den Proteinen und der Blütenbildung fest, d.h. in den Experimenten erhöhten die Proteine die Zahl der Blüten nicht. Sie könnten aber indirekt Einfluss auf den Ertrag haben, indem die Proteine die Raupen schwächen und sie damit für die Raubwanzen anfälliger machen.

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Eine Raubwanze vertilgt die frische geschlüpfte Raupe eines Tabakschwärmers. (Copyright: Merit Motion Pictures, Winnipeg, Manitoba, Canada)

Eine Raubwanze vertilgt die frische geschlüpfte Raupe eines Tabakschwärmers. (Copyright: Merit Motion Pictures, Winnipeg, Manitoba, Canada)

Zur Validierung dieser Hypothese setzte das Forscherteam eine Gruppe blattfressender Raupen auf einer unveränderten Tabakpflanze aus, welche die verdauungshemmenden Proteine bildet und eine Gruppe auf einer transgenen Pflanze, die dazu nicht mehr in der Lage ist. Die Raupen ernährten sich zwei Tage lang von den Blätter der Tabakpflanzen. Daraufhin imitierten die Forscher den Angriff einer Raubwanze mithilfe von Nadeln und Pinzetten. Die Raupen, die an der unveränderten Tabakpflanze Protease-Hemmer zu sich genommen hatten wurden im Vergleich zu den anderen Raupen geschwächt. Die Raupen, die keine Proteine durch die Nahrung aufgenommen hatten setzten sich aktiv zur Wehr. Es beweist, dass der Widerstand gegen Fraßfeinde bei den Raupen durch die Proteine abnahm. Dies bringt der Pflanze also einen zusätzlichen Vorteil im Kampf gegen ihre Feinde.

Positive Wirkung auf die Erträge

Die beschriebenen Abwehrreaktionen erfordern jedoch Energie und Ressourcen der Pflanze. Dies kann dazu führen, dass am Ende weniger Samen ausgebildet werden könnten. Für die Landwirtschaft sind hingegen nur biologische Bekämpfungsmethoden gewinnbringend, die die Erträge nicht verringern. Die Studie bewies das Potential der untersuchten „grünen Blattduftstoffe“: Die Blütenbildung wurde im Experiment signifikant erhöht und erhöht damit auch die Anzahl an Samen.

Ergebnisse wurden in neuer Open Access Zeitschrift publiziert

Die Ergebnisse erschienen in der ersten Ausgabe der neuen internationalen Open Access Fachzeitschrift eLife. Diese wurde auf Initiative der Max-Planck-Gesellschaft, dem Howard Hughes Medical Institute und dem Wellcome Trust ins Leben gerufen, um neue Erkenntnisse aus der Biomedizin und den Lebenswissenschaften der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung zu stellen. Erfolgreiche Open Access Zeitschriften wie PLoS Biology oder PLOS ONE des Projekts Public Library of Science (PLOS), haben sich bereits im wissenschaftlichen Umfeld etabliert. Auch eLife möchte durch diese neue Form der wissenschaftlichen Veröffentlichung, Wissenschaftlern die Möglichkeit geben ihre Ergebnisse schneller und uneingeschränkt zu verbreiten. 


Quelle:
Schuman, M.C., Barthel, K., Baldwin, I.T. (2012): Herbivory-induced volatiles function as defenses increasing fitness of the native plant Nicotiana attenuata in nature. In: eLife, 2012; 1: e00007, 15. Oktober 2012, doi: 10.7554/elife.00007.

Video:
Forscher imitierten den Angriff einer Raubwanze mithilfe von Nadeln und Pinzetten

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Titelbild: Wildwachsender Tabak (Nicotiana attenuata) diente den Forschern als Versuchsobjekt. (Quelle: © Stan Shebs / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)