Mit Wildweizen auf ein neues Qualitätsniveau

Wie moderner Sommerweizen von seinem Ahnen profitieren kann

08.12.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Auf dem Feld zeigten sich die neuen Weizenpflanzen den Elternpflanzen in einigen Punkten überlegen. (Bildquelle: © Nadja Sonntag)

Auf dem Feld zeigten sich die neuen Weizenpflanzen den Elternpflanzen in einigen Punkten überlegen. (Bildquelle: © Nadja Sonntag)

Manchmal hilft es, sich auf Althergebrachtes zu besinnen, um etwas Modernes noch besser zu machen. Wissenschaftler haben nun mit Hilfe von Wildweizen den modernen Sommerweizen in einigen Eigenschaften verbessern können. Noch vor der Sortenzulassung steht die neue Linie Züchtern zur Verfügung.

Weizen ist neben Reis und Mais eine der wichtigsten Pflanzen für die menschliche Ernährung. Ein großer Teil der Weizenernte wird bekanntlich zum Backen verwendet. Entsprechend sind bestimmte Qualitäten von Weizen bei der Züchtung entscheidend. "Die Qualität von Weizen hängt vom Proteingehalt, der Kornhärte und den Sedimentationswerten ab. Alle sind wichtig für die Backfähigkeit des Mehls, das aus den Weizenkörnern gewonnen wird", erklärt Klaus Pillen, Wissenschaftler an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).  

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Bedeutung von Weizen in Zahlen: 

Weltweit wird auf 220 Millionen Hektar Ackerland Weizen angebaut.
Im Jahr 2014 betrug die Erntemenge 729 Tonnen. 55 Prozent aller weltweit aufgenommenen Kohlenhydrate stammen aus Weizen.
Das “goldene Korn“ versorgt die Menschheit mit mehr als 60 Prozent der benötigten Kalorien und Proteinen.

Bedeutung von Weizen in Zahlen:

  • Weltweit wird auf 220 Millionen Hektar Ackerland Weizen angebaut.
  • Im Jahr 2014 betrug die Erntemenge 729 Tonnen. 55 Prozent aller weltweit aufgenommenen Kohlenhydrate stammen aus Weizen.
  • Das “goldene Korn“ versorgt die Menschheit mit mehr als 60 Prozent der benötigten Kalorien und Proteinen.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Frühe Domestizierung schränkte genetische Vielfalt ein

Weizen ist eine sehr alte Kulturpflanze. Seine Domestizierung begann bereits vor mehreren Jahrtausenden im heutigen Vorderasien. „Dabei wurden nur Pflanzen mit speziellen Eigenschaften ausgewählt und vermehrt. Das hat das genetische Material der Pflanzen sehr stark eingeschränkt", so Pillen.

Den Forschern um Pillen ist es nun gelungen, die Qualitätsmerkmale des Weizens bei einer neu gezüchteten Linie zu verbessern. Das war kein einfaches Unterfangen, denn normalerweise korreliert beispielsweise ein höherer Proteingehalt in den Weizenkörnern negativ mit der Kornernte: je mehr Protein die Körner enthalten, desto weniger Körner produziert die Weizenpflanze. Der Proteingehalt der Körner kann zwar durch eine erhöhte Stickstoffzufuhr im Boden verbessert werden, ökologisch betrachtet stellt die (Über-) Düngung der Böden aber keine nachhaltige Lösung dar.

Wildweizengene verbessern modernen Weizen

Das Kunststück, eine leistungsfähige Weizenlinie mit verbesserten Qualitätseigenschaften zu erzeugen, gelang den Forschern durch Kreuzung zweier moderner Weizensorten mit einer Wildweizenart. So stieg beispielsweise der Proteingehalt der neuen Linie um etwa ein Prozent. "Das mag nicht nach besonders viel klingen. Wenn man aber diesen Wert von einem Korn auf ein ganzes Feld oder die globale Agrarwirtschaft hochrechnet, ergibt sich daraus ein enormer Gewinn", so der Pflanzenforscher.

Gleichbleibende Qualität auch bei geringem Stickstoffgehalt im Boden

Auch bei der Nährstoffverwertung war die neue Weizenlinie den Elternpflanzen überlegen: Selbst bei einem geringen Stickstoffgehalt im Boden lieferten sie die gleiche Qualität. Mit Hilfe von DNA-Analysen konnten Pille und seine Kollegen außerdem grob diejenigen Stellen im Genom der Pflanzen identifizieren, die für die verbesserten Eigenschaften verantwortlich sind. Sie fanden 16 verschiedene Orte im Genom, die den Proteingehalt, die Kornhärte und die Sedimentationswerte bestimmen.

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Die frühe Domestizierung des Weizens hat die genetische Vielfalt eingeschränkt. Forscher nutzen nun genetische Merkmale von ursprünglichen Getreidearten, um die Weltnahrungspflanze Weizen zu verbessern.

Die frühe Domestizierung des Weizens hat die genetische Vielfalt eingeschränkt. Forscher nutzen nun genetische Merkmale von ursprünglichen Getreidearten, um die Weltnahrungspflanze Weizen zu verbessern.

Bildquelle: © pixabay/CC0

In weiteren Untersuchungen wollen die Wissenschaftler die dazu gehörigen Gene ausfindig machen.  Außerdem will die Arbeitsgruppe jetzt prüfen, ob die neuen Pflanzen auch höhere Erträge liefern können und resistenter gegenüber Krankheitserregern sind.

Das Ergebnis zeigt eindrucksvoll, wie wichtig Genbanken sind

Die genetische Vielfalt der heutigen Sorten und ihrer Ahnen sind von unschätzbarem Wert. Das zeigt auch diese Forschungsarbeit. Ohne die Zugriffsmöglichkeit auf alte Sorten und Wildpflanzen wäre es nicht gelungen, die neue Weizenlinie zu erzeugen. Das wichtigste Instrument zur Bewahrung der biologischen Vielfalt ist die Konservierung von pflanzengenetischen Ressourcen in Pflanzensammlungen.

Solche „Genbanken“ wurden in Deutschland und überall in der Welt eingerichtet und werden ständig ausgebaut. Das heutige Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben beherbergt die zentrale Kulturpflanzengenbank Deutschlands. Dort sind mehr als 150.000 Saat- und Pflanzgutmuster von über 3.000 Nutzpflanzenarten und nahezu 800 Pflanzengattungen gelagert und werden wissenschaftlich evaluiert, charakterisiert und dokumentiert.

Neue Sorte noch nicht zugelassen

Bisher handelt es sich bei den Weizenpflanzen aus Halle lediglich um eine neue Weizenlinie – und das hat regulatorische Gründe: "Jede neue Pflanzenlinie muss zunächst beim Bundessortenamt angemeldet, überprüft und bestätigt werden, bevor sie als neue Sorte für den Saatgutverkauf zugelassen wird", so Pillen.

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Diese Forschung wurde im Rahmen des GABI-Projektes

Diese Forschung wurde im Rahmen des GABI-Projektes "AB-QTL" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Züchter können die neue Weizenlinie aber bereits vor der Sortenzulassung nutzen, um die verbesserten Eigenschaften in ihre Weizenpflanzen einzukreuzen.

Schnell vom Labor aufs Feld

Als Sprecher der Pflanzenbasierten Bioökonomie am WissenschaftsCampus Halle setzt sich Studienleiter Pillen dafür ein, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung schnell den Weg in die praktische Anwendung finden. Denn nur auf dem Feld nutzen neue wissenschaftliche Erkenntnisse Züchtern, Landwirten und Verbrauchern.


Quelle:
Nedelkou, I.P. et al. (2017): Exotic QTL improve grain quality in the tri-parental wheat population SW84. In: PLoS One, 12(7): e0179851, (7. Juli 2017), doi: 10.1371/journal.pone.0179851.

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Titelbild: Auf dem Feld zeigten sich die neuen Weizenpflanzen den Elternpflanzen in einigen Punkten überlegen. (Bildquelle: © Nadja Sonntag)