Netzwerken im Untergrund

Pilzdüfte des Zweifarbigen Lacktrichterlings lassen Wurzeln sprießen

18.03.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Düfte des Zweifarbigen Lacktrichterlings (Laccaria bicolor) fördern das Wurzelwachstum seiner Symbiosepartner.  (Bildquelle: © James Lindsey/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0)

Die Düfte des Zweifarbigen Lacktrichterlings (Laccaria bicolor) fördern das Wurzelwachstum seiner Symbiosepartner. (Bildquelle: © James Lindsey/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0)

Deutsche Forscher schließen weitere Wissenslücke, wie die Symbiose zwischen Pilzen und Pflanzen zustande kommt. Es sind Duftstoffe, die das Wurzelwachstum von Pflanzen fördern und so die Voraussetzung für eine Besiedlung schaffen. Gartenbau und Landwirtschaft können von der Entdeckung profitieren.

Der Zweifarbige Lacktrichterling (Laccaria bicolor) ist ein unscheinbarer Speisepilz, der aufgrund seines nicht sonderlich ausgeprägten Geschmacks nur wenig Beachtung und Begeisterung bei Pilzsammlern und Feinschmeckern auslöst. Umso mehr beschäftigt sich dafür die Wissenschaft mit dem Blätterpilz. So auch im aktuellen Fall: Forscher der Universitäten von Göttingen und Freiburg sowie des Helmholtz Zentrums München fanden heraus, dass die Duftstoffe des Pilzes das Wurzelwachstum von Pflanzen fördern.

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Das Bild zeigt eine Wurzelspitze, welche von einem Geflecht aus weißen Hyphen umgeben ist.

Das Bild zeigt eine Wurzelspitze, welche von einem Geflecht aus weißen Hyphen umgeben ist.

Bildquelle: © Thergothon/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5

Wenn Pilze und Pflanzen kooperieren

Der Zweifarbige Lacktrichterling ist ein Mykorrhiza-Pilz, das heißt dass er mit Pflanzen in einer Symbiose lebt. Der Begriff Mykorrhiza leitet sich aus den altgriechischen Wörtern für Pilz (mykes) und Wurzel (rhiza) ab und verdeutlicht, wie sich die Symbiose gestaltet: Die weißen fadenförmigen Pilzzellen (Hyphen) bilden im Erdboden ein dichtes Geflecht um die Wurzeln der Wirtspflanzen und ermöglichen so den Nährstoffaustausch. Während der Mykorrhiza-Pilz seinen Wirt, quasi als verlängerter Arm des Wurzelsystems, mit Wasser und Nährstoffen aus dem erweiterten Umkreis versorgt und dabei Schadstoffe herausfiltert, erhält er im Gegenzug Stoffwechselprodukte (Assimilate) aus der Photosynthese, zu deren Bildung der Pilz in Eigenregie nicht in der Lage ist. In erster Linie handelt es sich dabei um das Disaccharid Saccharose. Also einem Zweifachzucker, der aus einem Gemisch von Fructose und Glucose besteht.

Wie finden sich Symbiose-Partner?

Vieles ist über die unterschiedlichen Arten, Eigenschaften und Funktionen solcher Netzwerke bereits bekannt. Wenig jedoch darüber, wie solche Netzwerke entstehen. Im Fokus der Forscher stand daher die Frage, wie es dem Zweifarbigen Lacktrichterling gelingt, Kontakt mit seinen Wirtspflanzen aufzunehmen, bevor er im direkten Kontakt mit ihnen steht. Auf der Suche nach des Rätsels Lösung konzentrierten sie sich daher auf Duftstoffe, die der Pilz im Erdreich abgibt.

Sesquiterpene bei der Kontaktaufnahme involviert

Den Forscher gelang es, insgesamt 17 verschiedene Verbindungen nachzuweisen, die der Pilz in unterschiedlichen Mengen freisetzt. Bis auf eine Ausnahme handelte es sich dabei um chemische Verbindungen aus der Gruppe der Sesquiterpene. Naturstoffe, welche zum Beispiel in ätherischen Ölen enthalten sind und ihnen ihre charakteristische Note verleihen. Als Signalstoff waren sie dagegen bisher vor allem aus dem Tierreich bekannt. Wissenschaftler vermuten schon seit Langem, dass diese ebenso wie die Hauptgruppe, die Terpene, eine Vielzahl biologischer Funktionen besitzen, von denen ein Großteil aber noch nicht näher erforscht ist.

Auch im Fall des Zweiblättrigen Lacktrichterlings tappten die Forscher im Dunkeln. Um etwas Licht hineinzubringen, untersuchten sie, ob und welche Effekte die flüchtigen organischen Verbindungen (engl. „volatile organic compounds“ (VOC)) genau hervorrufen.

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Die Forscher züchteten in einer Petrischale Pappeln und Pilze, so dass diese zwar räumlich getrennt waren, die Luft jedoch zirkulieren konnte. Beim genauen Hinschauen sind die Seitenwurzeln und Wurzelhaare erkennbar, welche durch die Pilzdüfte verstärkt gebildet wurden.

Die Forscher züchteten in einer Petrischale Pappeln und Pilze, so dass diese zwar räumlich getrennt waren, die Luft jedoch zirkulieren konnte. Beim genauen Hinschauen sind die Seitenwurzeln und Wurzelhaare erkennbar, welche durch die Pilzdüfte verstärkt gebildet wurden.

Bildquelle: © Universität Göttingen

Thujopsen lässt Wurzeln wachsen

Um dies zu bewerkstelligen, griffen die Forscher auf etablierte Modellsysteme zurück. Sie setzten frisch gekeimte Arabidopsis- (Arabidopsis thaliana) und Pappelsamen (Populus sp.) den Düften des Pilzes aus. Bereits nach wenigen Tagen zeigten die Keimlinge unter dem Einfluss der Duftstoffe ein deutlich stärkeres Wurzelwachstum. Und das von der Hauptwurzel über die Seitenwurzeln bis zu den Wurzelhaaren.

Nach weiteren Versuchen, in denen die Forscher die Bildung der insgesamt 17 Verbindungen nach dem Ausschlussprinzip untersuchten, kristallisierte sich eine Substanz heraus, die für das Wurzelwachstum ausschlaggebend war: Thujopsen. Eine chemische Verbindung, die bis dato nur für ihre antibiotische Wirkung bekannt war und selten in der Natur vorkommt. Die Rolle als Wachstumsförderer war vollkommen neu. „Die Signalwege in der Wurzelspitze reagieren auf Thujopsen und bewirken das Wurzelwachstum“, so Koautor Klaus Palme. Fehlte dieser Stoff, verlangsamte sich das Wurzelwachstum.

…als würden Menschen einen neuen Arm bilden

Erstaunlich war zudem, dass das Thujopsen auch bei der Arabidopsis-Pflanze das Wurzelwachstum stimulierte, obwohl diese anders als die Pappel keine klassische Wirtspflanze des Zweifarbigen Lacktrichterlings ist. Zwar war bekannt, dass Arabidopsis-Pflanzen mit anderen Pilzen in Symbiose leben und die Zellwände ihrer Wurzelzellen durchlässig für bestimmte flüchtige Verbindungen sind (selektiv permeabel), dennoch waren die Forscher von dieser Beobachtung überrascht. Umso mehr stellte sich nun die Frage nach den molekularen und genetischen Prozessen, die das Wurzelwachstum erklären. „Die Pflanze bildet ein völlig neues Organ aus – das ist so, als würden Menschen einen neuen Arm bilden“, führt Hauptautor Franck Ditengou bildhaft vor Augen.

Auxinkreislauf bleibt unberührt

Die erste und naheliegende Vermutung, dass die Pilz-Duftstoffe die Konzentration des Wachstumshormons Auxin in den Wurzeln erhöhen und so das Wurzelwachstum auf indirekte Weise fördern würden, konnte durch Tests nicht bestätigte werden. Weder die Auxinkonzentration noch der Transport innerhalb der Wurzeln veränderten sich unter dem Einfluss des Pilz-Dufts in nennenswerter Weise. Daher werden weitere Studien nötig sein, um die Wirkungsweise der Düfte zu entschlüsseln.

Symbiose verschafft Vorteile gegenüber Konkurrenten

Die Kommunikation durch Duftstoffe muss, dass steht bereits fest, auch im Erdreich von Vorteil sein. Die durch die Düfte ausgelösten Veränderungen haben eine beeindruckende Wirkung. Sie führen dank des vergrößerten Wurzelsystems bzw. der Wurzeloberfläche zu einer verbesserten Wasser- und Nährstoffaufnahme. Davon profitieren Pflanze und Pilz gleichermaßen. Eine Voraussetzung ist, dass der Boden so beschaffen bzw. durchlässig sein muss, dass sich die Duftstoffe über die Poren im Erdreich verteilen können.

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Im Vergleich zu den Pappelpflänzchen, die in einer Petrischale mit dem Pilz wuchsen, sind deutlich weniger Seitenwurzeln und Wurzelhaare zu sehen.

Im Vergleich zu den Pappelpflänzchen, die in einer Petrischale mit dem Pilz wuchsen, sind deutlich weniger Seitenwurzeln und Wurzelhaare zu sehen.

Bildquelle: © Universität Göttingen

Darüber hinaus verschaffen die Duftsignale dem Absender auch einen Vorteil gegenüber nicht duftenden Mykorrhiza-Pilzen. Im Wettlauf um die Besiedlung von Wurzeln lässt der Zweiblättrige Lacktrichterling die Wurzeln seiner zukünftigen Symbiosepartner in seine Richtung wachsen. Anderen Mycchoriza-Pilzen fehlt diese gezielte Unterstützung. Untersuchungen von Waldböden belegen, dass die unterirdischen Hyphen-Netzwerke von Mykorrhiza-Pilzen, die keine Duftsignale abgeben, weitaus weniger verzweigt und verästelt sind.

Mykorrhiza als Düngerergänzungsmittel

Die Erkenntnisse der Forscher versprechen auch Vorteile außerhalb der Symbiose. In der Forstwirtschaft, zum Beispiel beim Anbau von Douglasien (Pseudotsuga), werden die Pilzsporen des Zweiblättrigen Lacktrichterlings zur Förderung des Pflanzenwachstums dem Boden zugefügt. Und zwar bereits beim Einpflanzen der Baumkeimlinge. Die Vorteile der verbesserten Wasser und -Nährstoffaufnahme, z. B. von Phosphor oder Kalium, führen mitunter zu einer Verdreifachung der Biomasse.

Mykorrhiza-Pilze werden daher beim Anbau von Pflanzen als Ergänzung zu den Düngemitteln vom Gartenbau bis zur Landwirtschaft eingesetzt. Indem die Forscher durch die Identifizierung der Sesquiterpene, insbesondere Thujopsen, den Schlüssel zum Wurzelwachstum gefunden haben, haben sie den ersten Schritt getan, um diesen Vorgang gezielter und damit effizienter zu gestalten.

Voraussetzung ist, dass sie die zugrunde liegenden Gensequenzen lokalisieren, die für deren Bildung verantwortlich sind. In diesem Kontext erweist es sich als Vorteil, dass das Genom des Zweifarbigen Lacktrichterlings bereits vollständig sequenziert wurde und infrage kommende Gene bereits eingegrenzt werden können. Gelingt es, Wurzeln auch unabhängig von einer Besiedlung mit Mycchoriza zum Wachstum anzuregen, kann dies dazu führen, dass in Zukunft weniger Dünger und Bewässerung eingesetzt werden müssen, da die Pflanzen dank der Symbiose kräftiger und robuster sind. 


Quelle: Ditengou, F. A. et al. (2015): Volatile signalling by sesquiterpenes from ectomycorrhizal fungi reprogrammes root architecture. In: Nature Communications 6 (6279), (23. Februar 2015), doi:10.1038/ncomms7279

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Die Düfte des Zweifarbigen Lacktrichterlings (Laccaria bicolor) fördern das Wurzelwachstum seiner Symbiosepartner.  (Bildquelle: © James Lindsey/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0)