Neuer, schneller, präziser

Mit CRISPR/Cas9 zu herbizidresistenten Kulturpflanzen

14.04.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit und daher auch im Fokus der Pflanzenforschung. (Bildquelle: © iStock.com/szefei)

Reis ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit und daher auch im Fokus der Pflanzenforschung. (Bildquelle: © iStock.com/szefei)

Forschern ist es gelungen, Reis mithilfe der neuen Züchtungsmethode CRISPR/Cas9 resistent gegen Herbizide der Gruppe der sogenannten ALS-Hemmer zu machen. Somit reiht sich die Studie in eine lange Liste von Publikationen, die die Machbarkeit einzelner Forschungshypothesen belegen und neue Anwendungsfelder für die Genom Editierung (Engl.: Genome Editing) erschließen. Dadurch erhöht sich auch der Druck auf politische Entscheidungsträger, eine Bewertung zu einem ganzen Set von neuen Züchtungsmethoden, inklusive der Genom Editierung mittels CRISPR/Cas9, abzugeben.

Wo immer Pflanzen angebaut werden gibt es auch Beikräuter. Diese als „Unkraut“ verschrienen Pflanzen sind in der landwirtschaftlichen Produktion ungewünscht, da sie in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen wachsen. Deshalb werden diese mechanisch oder chemisch mit Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbiziden) bekämpft. Die angebauten Nutzpflanzen sollen durch diese chemischen Hilfsmittel aber nicht zu Schaden kommen. Daher kommen Breitbandherbizide, die auf eine Vielzahl von Pflanzen tödlich wirken, in der Landwirtschaft nur als Vorauflaufherbizide, die bevor die Kulturpflanze zu wachsen beginnt ausgebracht werden, in Frage.

Des einen Freund, des andern Feind

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Da Unkräuter in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen wachsen, werden sie in der Landwirtschaft mit Unkrautvernichtungsmitteln bekämpft.

Da Unkräuter in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen wachsen, werden sie in der Landwirtschaft mit Unkrautvernichtungsmitteln bekämpft.

Bildquelle: © Stockr/Fotolia.com

Während herbizidresistente Unkräuter eine Gefahr für den Landbau darstellen, sind gewollt erzeugte herbizidresistente Kulturpflanzen ein Weg, um Unkräutern auf dem Acker zu begegnen. Die Idee dahinter ist recht simpel: Kombiniert man ein chemisches Breitbandherbizid mit Kulturpflanzen, die gegen dieses Herbizid resistent sind (Komplementärherbizid), kann der Landwirt viele Beikräuter in Schach halten, auch wenn die Kulturpflanze bereits wächst und gedeiht. Durch das erweiterte Zeitfenster für die Anwendung der Herbizide lassen sich Erträge sichern. 

Der Schlüssel zur Resistenz liegt im Erbgut

Die Fähigkeit, Herbizide zu überleben geht auf genetische Veränderungen zurück. Diese können auf natürlichem Wege entstanden sein, durch Selektion und konventionelle Züchtung oder durch gentechnische Methoden. Das Merkmal der Herbizidresistenz in Pflanzen gezielt einzubringen, war eines der ersten Anwendungen der Grünen Gentechnik im Bereich der Pflanzenzüchtung.

Herbizidresistenz ist das vorherrschende Merkmal von kommerziell angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen, wie z. B. Sojabohnen oder Mais. Durch die herbizidresistenten Pflanzen sind in einigen Regionen der Welt vermehrt Landwirte auf pfluglose Bodenbearbeitung umgestiegen. Denn der Pflug ist ein traditionelles (mechanisches) Mittel der Unkrautkontrolle, bei dem die ungeliebten Beikräuter einfach vergraben werden. Allerdings wird durch das Umpflügen auch vermehrt der im Boden gespeicherte organische Kohlenstoff frei. Eine konservierende Bodenbearbeitung kann hingegen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft aber auch Wasserverluste verringern.

Neue Methode für Altbekanntes

Forschern ist es nun gelungen, die in ihrer technischen Anwendung noch junge Methode der Genom Editierung, CRISPR/Cas9, zu nutzen, um erfolgreich im Labor herbizidresistenten Reis zu erzeugen. Sie setzten dafür an dem Gen an, welches das Enzym Acetolactat-Synthase (kurz: ALS) kodiert. ALS ist wichtig für die Bildung von Aminosäuren und wird durch eine Gruppe von Herbiziden gehemmt - darunter Wirkstoffe wie Amidosulfuron, das unter dem Handelsnamen Hoestar vermarktet wird, oder das zwar in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht zugelassene, jedoch weltweit populäre Herbizid Chlorsulfuron.

Um die neuen Eigenschaften im Reis einzubringen, machten sich die Forscher einen natürlichen DNA-Reparaturmechanismus zur Behebung von Doppelstrangbrüchen zunutze: Bei der homologen Rekombination werden schwerwiegende Schäden an homologen Genen, die in ihrer Sequenz sehr ähnlich sind, wieder zusammengeflickt. Dies geschieht mithilfe von „Vorlagen“, die die Zelle nutzt, um nach ihrem Vorbild den Doppelstrang wieder zu reparieren. Die Forscher lieferten den Reiszellen einfach eine geeignete Vorlage. Diese brachten sie zusammen mit der „Genschere“ Cas9, die hier den Doppelstrangbruch künstlich herbeiführte, in den Reis ein.

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Herbizidresistenz ist das vorherrschende Merkmal von kommerziell angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen, wie z. B. Mais, Sojabohnen oder Raps.

Herbizidresistenz ist das vorherrschende Merkmal von kommerziell angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen, wie z. B. Mais, Sojabohnen oder Raps.

Bildquelle: © iStock.com/pkripper503

Dafür nutzten die Forscher ein Plasmid, dass neben einer 476 Basenpaar (bp) langen DNA-Vorlage das Protein Cas9 und gleich zwei der dazu gehörigen Guide-RNAs (gRNA) enthielt. Das Plasmid und weitere zusätzliche DNA-Vorlagen beförderten die Forscher mit einer Partikelkanone in Reiszellen. Da gRNAs so modifiziert werden können, dass sie jede beliebige DNA-Sequenz spezifisch erkennen können – in diesem Fall wollten die Forscher am ALS-Gen andocken – dienen sie als eine Art Wegweiser für Cas9. Ist das Protein dann am Ziel angekommen, kann es zur Tat schreiten und die DNA zerschneiden. Die Zelle beginnt daraufhin, den Schaden mithilfe der neuen Vorlage zu beheben und verändert so das ALS-Gen.

Zwei Punktmutationen führten zum Ziel

Durch zwei gRNAs konnten zwei Punktmutationen gleichzeitig im ALS-Gen gesetzt werden, die zur Herbizidresistenz im Reis führten. Die Strategie, gleich zwei Punkte anzuvisieren war das Ergebnis von Vorversuchen mit nur einer Zielsequenz. Diese wurde von Wissenschaftlern erfolgreich in Mais-Pflanzen etabliert, führte jedoch beim Reis nicht zu ähnlichen Erfolgen. Erst mit der Kombination einer weiteren Punktmutation war der Ansatz erfolgreich. Daraus schlossen die Forscher, dass unterschiedliche Kulturpflanzen auch unterschiedliche Ansätze benötigen, um neue Merkmale, in diesem Fall eine Herbizidresistenz, in das Genom einzuführen.

Anschließend wurden die veränderten Reispflanzen und eine Kontrollgruppe mit Wildtyp-Reispflanzen mit dem Wirkstoff Bispyribac-Natrium behandelt. Wie zu erwarten war, starben die Wildpflanzen ab, nachdem das Herbizid zu wirken begann. Die Pflanzen, deren ALS-Gen von den Forschern durch zwei Punktmutationen verändert wurde, überlebten den Herbizid-Einsatz und entwickelten sich normal weiter – sie waren gegen das Unkrautbekämpfungsmittel resistent.

Noch steht eine eindeutige politische Bewertung aus  

In Deutschland dürfen derzeit keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut werden. Doch bei Pflanzen, die mithilfe neuer Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas9 entwickelt wurden ist man sich momentan noch nicht einig, ob es sich um gentechnisch veränderte Pflanzen handelt oder nicht. Ein erstes Beispiel ist der herbizid-resistente Raps der US-Firma Cibus. Dieser entstand durch Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese (ODM) – einer anderen neuen Methode zur gezielten Erzeugung von Mutationen in einer bereits bekannten DNA-Sequenz. In den USA passierte die Rapssorte bereits den Zulassungsprozess und kann angebaut werden.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) war auf Anfrage von Cibus aufgefordert, die Rapssorte zu bewerten. Das BVL kam in seinem wissenschaftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Raps kein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ist. Grund dafür: Die Veränderungen sind von einer zufälligen, natürlichen oder chemisch induzierten Mutation nicht zu unterscheiden. Denn Mutationen tauchen in der Natur ständig ganz ohne menschlichen Eingriff auf und sorgen für genetische Vielfalt. In der konventionellen Züchtung werden Ansätze genutzt, um gezielt Mutationen und somit neue genetische Variationen zu erzeugen, welche die Voraussetzung für neue Sorten sind. Ein Nachweis, welche Methode zum Einsatz kam, also eine Selektion von in der Natur vorkommenden Varianten oder chemisch oder mit Hilfe physikalischer Methoden induzierte Mutationen oder die Editierung von Genomen mittels Genscheren, ist technisch nicht möglich und somit auch juristisch nicht zu unterscheiden.   

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In Deutschland gibt es derzeit keine Feldversuche mit dem herbizidresistenten Raps der US-Firma Cibus, der durch neue Methoden der Genom Editierung entstand.

In Deutschland gibt es derzeit keine Feldversuche mit dem herbizidresistenten Raps der US-Firma Cibus, der durch neue Methoden der Genom Editierung entstand.

Bildquelle: © sp4764/Fotolia.com

Die EU-Kommission hält sich noch bedeckt

Diese Bewertung wird natürlich ungültig, sollte sich die Europäische Kommission anders positionieren (BVL, 2015). Noch hält sich die EU-Kommission bedeckt, wie die neuen Züchtungsmethoden bewertet werden. Für die Beurteilung des rechtlichen Status dieser neuen Methoden, muss auch eine juristische Praktikabilität integriert werden, so dass auch Entwicklungen in Ländern außerhalb der EU berücksichtigt werden können. Bisher wurde die angekündigte Beurteilung der EU Kommission mehrfach verschoben. Jedoch ist die Politik ganz klar am Zug, denn solange der Status der Pflanzen nicht klar ist, ist deren Anwendung und Zulassung strittig.

Es kommt allerdings eine weitere Schwierigkeit hinzu. Regelmäßig erscheinen neue Publikationen, in denen nicht nur Anwendungsoptionen, sondern auch die Technologien weiterentwickelt wurden. Diese werden präziser und können nicht nur die DNA editieren, sondern auch die Boten-RNA (mRNA). Die Politik läuft Gefahr, ein Methodenpaket zu bewerten, welches bereits wissenschaftlich und auch rechtlich überholt ist.

Dialog und einheitliche Regelung nötig

Viel ist potentiell möglich. Auch andere Merkmale, die nicht so umstritten sind wie die Herbizidresistenz, könnten mithilfe der neuen Technologien in Kulturpflanzen eingebracht werden. Und das viel schneller und kostengünstiger als über den Weg der konventionellen Züchtung. Doch was Kritiker ängstigt ist der Fakt, dass ein Nachweis der neuen Technologien nicht mehr möglich ist und ein Eingriff nicht zurückverfolgt werden kann. Daher plädieren einige Experten dafür, nicht die verwendete Technologie, sondern das Produkt mit seinen neuen Eigenschaften zu bewerten. Schwierig wird es, wenn sich die verschiedenen Länder der Welt unterschiedlich positionieren. Ohne Nachweissystem und Kontroll- bzw. Sanktionsmöglichkeiten wäre Chaos programmiert. Eine global einheitliche Regelung wäre somit von Nöten.

Damit dies möglich wird, bedarf es eines breiten gesellschaftlichen Dialogs. Auch der regulatorische Rahmen für die neuen Technologien muss in diesem besprochen werden. Das Internetportal Pflanzenforschung.de will mit den Informationen zu neusten wissenschaftlichen Entwicklungen Transparenz ermöglichen, um diesen Dialog voranzutreiben.


Quellen:

  • Sun, Y. et al. (2016): Engineering Herbicide-Resistant Rice Plants through CRISPR/Cas9-Mediated Homologous Recombination of Acetolactate Synthase. In: Molecular Plant 9, 628–631, (4. April 2016), DOI: 10.1016/j.molp.2016.01.001.
  • Ainsworth, C. (2015): Agriculture: A new breed of edits. In: Nature 528, (Dezember 2015), doi: 10.1038/528S15a.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Reis ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit und daher auch im Fokus der Pflanzenforschung. (Bildquelle: © iStock.com/szefei)