Ökosysteme und der Mensch

16.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Vom Mensch gemacht: Reisterrassen auf Bali. (Quelle: © glasmost / pixelio.de)

Vom Mensch gemacht: Reisterrassen auf Bali. (Quelle: © glasmost / pixelio.de)

Der Mensch nutzt die Natur, verändert sie aber auch. Hier gehen wir auf den Einfluss des Menschen auf unsere Ökosysteme ein und zeigen auf, welchen Nutzen wir aus ihnen ziehen und welchen Schaden wir anrichten.

Ökosystemdienstleistungen

Ökosystemdienstleistungen (EcoSystem Services, ESS) definieren den Nutzen, den die Menschheit von Ökosystemen und deren Funktionen hat. Man unterscheidet dabei zwischen Unterstützenden oder Basisdienstleistungen (zum Beispiel Bodenbildung, Stoffkreisläufe), Regulierenden Dienstleistungen (zum Beispiel Bestäubung durch Insekten, Abfallbeseitigung durch Zersetzung), Kulturellen Dienstleistungen (zum Beispiel durch Erholung, Tourismus) und Bereitstellenden oder Versorgungsdienstleistungen (zum Beispiel durch saubere Luft, sauberes Trinkwasser, Nahrung, Holz). Diese Dienstleistungen sorgen für das Wohlbefinden des Menschen und letztlich für sein Überleben.

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Welche Ökosysteme gibt es?

Lesen sie hier mehr dazu!

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Bildquelle: © Reiner Rosenwald / pixelio.de

Durch die zunehmende Beeinträchtigung oder Zerstörung von Ökosystemen werden auch diese Dienstleistungen, die wir als selbstverständlich voraussetzen, schwächer oder verschwinden ganz. Laut der Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB), die 2007 von der Bundesregierung und der Europäische Union in Auftrag gegeben wurde, erbringen die etwa 100.000 weltweit ausgewiesenen Schutzgebiete Ökosystemdienstleistungen im Wert von 4,4 bis 5,2 Billionen US-Dollar. Allein die wirtschaftlichen Leistungen durch Bestäuber belaufen sich auf etwa 153 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich, das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland (Summe aller Güter und Dienstleistungen) betrug 2012 3,4 Billionen US-Dollar.

Der Bericht stellt außerdem klar, dass der Schutz und Erhalt von Ökosystemen immer preisgünstiger ist als deren Wiederherstellung oder ein künstlicher Ersatz. So müsste man beispielsweise in Vietnam  zum Schutz und Anpflanzen von 12.000 Hektar Mangroven als Hochwasserschutz etwa 1,1 Millionen Dollar aufbringen, zur Instandhaltung von Deichen, die den Hochwasserschutz der Mangroven übernehmen sollen, aber 7,3 Millionen Dollar.

Auch das Millenium Ecosystem Assessment (MA) befasst sich mit den Ökosystemdienstleistungen. Es wurde 2001 von der UN in Auftrag gegeben. Hier wurde der Zustand von 24 Schlüssel-Ökosystemdienstleistungen (zum Beispiel Feuchtgebiete, marine Ökosysteme, tropischer Regenwald) untersucht. Dabei wurde deutlich, dass 15 von 24 Ökosystemdienstleistungen (60 Prozent) sich in einem Zustand der Zerstörung befinden, so dass die Versorgung folgender Generationen nicht mehr als gesichert gilt. Des weiteren wurde festgestellt, dass die Ökosysteme allgemein in den letzten 50 Jahren einer noch nie da gewesenen Belastung ausgesetzt gewesen sind und dass dieser Trend sich fortsetzt.

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Ein Bauer pflügt das Feld. Der Mensch nimmt auf vielfältige Weise Einfluss auf die ihn umgebende Natur.

Ein Bauer pflügt das Feld. Der Mensch nimmt auf vielfältige Weise Einfluss auf die ihn umgebende Natur.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ pressdigital

Gegenmaßnahmen

Der Wert von Ökosystemdienstleistungen ist in bisherigen wirtschaftlichen Berechnungen oftmals zu wenig oder gar nicht berücksichtigt worden. Darum kommt unter anderem den oben beschriebenen Studien eine besondere Bedeutung zu, da sie den Wert dieser Gratisleistungen beziffern und auch die Kosten des Verlustes von Ökosystemdienstleistungen aufzeigen. Um einen Anreiz zum Schonen und Bereitstellen von Ökosystemdienstleistungen zu schaffen, wurde unter anderem das Instrument der Payments for Ecosystem Services (PES) geschaffen, das auf freiwilliger Basis Transaktionen für bereitgestellte Ökosystemdienstleistungen ermöglicht. Beispiele sind die Waldaktie in Mecklenburg-Vorpommern, wo Touristen für 10 Euro pro Aktie das Anpflanzen von Bäumen mit finanzieren und damit die Ökobilanz ihres Urlaubes aufbessern können.

Ökosystemforschung

Die Ökosystemforschung befasst sich mit den Zusammenhängen innerhalb eines Ökosystems sowie mit ihren Strukturen, Funktionen und Veränderungen. Besonders im Mittelpunkt steht hier das vernetzte Denken, das für die Ökosystemforschung eine wichtige Voraussetzung ist sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener biotischer und abiotischer Fachbereiche. Das vernetzte Denken sowie die Interdisziplinarität wurden auch in anderen Bereichen von Wissenschaft, Planung und Politik übernommen, so dass besonders Probleme im Umweltbereich nicht mehr nur auf wenige Faktoren beschränkt betrachtet werden, sondern in einem weiteren Zusammenhang.

Die Ökosystemforschung arbeitet mit Datenerhebung kombiniert mit der Erstellung von Modellen, die Veränderungen im Ökosystem simulieren und berechnen. Auf Grundlage von vorhandenen Daten wird eine mögliche Veränderung modelliert und bietet eine Entscheidungsgrundlage für die weitere Vorgehensweise oder auch politische und wirtschaftliche Prozesse, die betroffen sein könnten. So können negative Veränderungen in Ökosystemen frühzeitig erkannt werden, um gegenzusteuern und gegebenenfalls Schaden abzuwenden. Ein Beispiel ist der Klimawandel, wo mögliche Veränderungen im Voraus berechnet werden und naturgemäß Unsicherheiten aufweisen können. Das steht in einem gewissen Gegensatz zur klassischen naturwissenschaftlichen Vorgehensweise, bei der ein Ereignis erst dann als gesichert gilt, wenn es zweifelsfrei bewiesen, also eingetreten ist. Diese Vorgehensweise wäre im Fall von gravierenden Veränderungen in Ökosystemen fatal, weil jede Handlungsmöglichkeit zum Verhindern negativer Auswirkungen von vorne herein ausgeschlossen wäre.

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Durch Abholzung greifen wir massiv in das Ökosystem Wald ein.

Durch Abholzung greifen wir massiv in das Ökosystem Wald ein.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Brasil2

Weitere Schwerpunkte der Ökosystemforschung sind beispielsweise die marinen Ökosysteme und die Belastung durch den Menschen durch Überfischung und Verschmutzung durch die Schifffahrt sowie Degradation von Böden und Desertifikation.

Ökosystemforschung und Pflanzenforschung

Ökosystemforschung und Pflanzenforschung ergänzen sich gegenseitig. Während die Ökosystemforschung sich mit den Zusammenhängen innerhalb eines Ökosystems befasst, untersucht die Pflanzenforschung die Vorgänge innerhalb verschiedener Pflanzenarten, deren Ansprüche und den Nutzen für die Menschheit. Die Ökosystemforschung kann der Pflanzenforschung wichtige Informationen zum Umfeld einzelner Pflanzenarten und deren Vernetzung bieten, während die Pflanzenforschung Informationen über die Pflanzenarten quasi als Grundgerüst für die Ökosysteme liefert.

Ökologische Zusammenhänge helfen auch bei der Klärung wichtiger Fragen der Pflanzenforschung wie etwa Schädlingsbekämpfung, Veränderungen durch den Klimawandel oder nachhaltige Nutzung von Böden oder Waldökosystemen. Ökologisches Grundwissen gelangt dabei auch immer mehr in den landwirtschaftlich orientierten Sektor. So zeigen neuere Studien, dass eine mosaikartige, kleinräumige Agrarlandschaft mit vielen Hecken, Feldgehölzen und Grünländern dabei hilft, den Schädlingsdruck auf den Ackerflächen zu verringern, da sich in der strukturreichen Landschaft viele Feinde der Schädlinge ansiedeln können. Auch ist beispielsweise die Energieausbeute auf natürlich artenreichem, zur Bioenergiegewinnung genutztem Grünland höher als auf Einsaatgrünland mit nur wenigen Arten, da jede hinzukommende Art ihre spezielle Nische hat und die vorhandenen Ressourcen optimal nutzt, so dass der Biomassegewinn unter dem Strich steigt.

Hierin zeigt sich ein großes Potential für die Zukunft durch ökologisch und nachhaltig genutzte Ökosysteme. Bereits ein Verlust weniger Arten kann das System aus dem Takt bringen und den Nutzen für den Menschen schmälern. Der Erhalt des Artenreichtums sowie die Erforschung und Bewahrung intakter Ökosysteme ist daher ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt für die Zukunft.