Ohne Boden nix los

Neue Studie sieht eine globale Gefährdung der Böden, wenn nicht schnell gehandelt wird

22.05.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Boden ist eine unverzichtbare Ressource und ist zugleich Bestandteil der globalen Stoffflüsse. (Bildquelle: © iStock.com/Stacey Newman)

Der Boden ist eine unverzichtbare Ressource und ist zugleich Bestandteil der globalen Stoffflüsse. (Bildquelle: © iStock.com/Stacey Newman)

Eine zusammenfassende Studie zeigt die globale Bedrohung unserer Böden auf und fordert eine nachhaltige Nutzung mit genug Zeit zur Regeneration, damit auch spätere Generationen sich von ihrem Ertrag ernähren können.

Boden, in der Regel ist damit der oberste Meter der Erdoberfläche gemeint, ist eine unverzichtbare Ressource. Er ist ein wichtiger Bestandteil der globalen Stoffflüsse, Wasser- und Nährstoffspeicher, Substrat für die Pflanzen, die uns alle ernähren. Aber der Boden ist in Gefahr: Durch permanente Übernutzung oder Versiegelung durch Städte- und Straßenbau kann der Boden seine Aufgaben immer weniger erfüllen. Eine neue Studie befasst sich mit dem globalen Zustand der Böden und den Möglichkeiten, zu einer nachhaltigen Nutzung zu gelangen.

CO2-Bilanz des Bodens

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Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und wandeln es mittels Photosynthese in Kohlenhydrate um. Sterben die Pflanzen ab, werden die organischen Überreste von Mikroorganismen abgebaut und im Boden als Kohlenstoff-Vorrat gespeichert.

Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und wandeln es mittels Photosynthese in Kohlenhydrate um. Sterben die Pflanzen ab, werden die organischen Überreste von Mikroorganismen abgebaut und im Boden als Kohlenstoff-Vorrat gespeichert.

Bildquelle: © iStock.com/ThomasVogel

Klima und Boden sind eng mit einander verknüpft. Das Klima nimmt Einfluss auf die Bodenbildung und auch für den Ackerbau ist ein stabiles Klima wichtig. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf und wandeln es mittels Photosynthese in Kohlenhydrate um. Sterben die Pflanzen ab, werden die organischen Überreste von Mikroorganismen abgebaut und im Boden als Kohlenstoff-Vorrat gespeichert. Der C-Vorrat im Boden übertrifft dabei den der Atmosphäre um ein Vielfaches: Sind in der Atmosphäre aktuell etwa 770 Gt (Gigatonnen) Kohlenstoff (meist als CO2 und CH4), befinden sich in den obersten drei Metern der globalen Bodenschicht schätzungsweise 2300 Gt Kohlenstoff. Aus diesem Vorrat gibt der Boden durch mikrobielle Aktivität wiederum Kohlenstoff in Form von CO2 an die Atmosphäre ab. Mit steigender Tendenz: Durch die intensive Bearbeitung von Böden steigt die Freisetzungsrate an. Seit Beginn der Landwirtschaft vor 11.000 Jahren wurden schätzungsweise 50 bis 70 Gt Kohlenstoff zusätzlich aus den Böden freigesetzt, was wiederum den Klimawandel anheizt.

Höhere Temperaturen führen zu einer erhöhten mikrobiellen Aktivität im Boden und damit zu einer weiter steigenden Freisetzung von CO2. Auftauende Permafrostböden führen ebenfalls zu einer erhöhten Freisetzung, allerdings von Methan (CH4), einem deutlich wirksameren Treibhausgas. Damit könnten zwischen 104 und 629 Gt C aus den Böden wieder frei werden, das Klima und die Böden verändern und damit die Produktivität der Landwirtschaft bedrohen.

Große Unsicherheiten

Aber es gibt auch gegenläufige Tendenzen: Durch nachhaltige Methoden der Bodenbearbeitung wie dem Direktsaatverfahren können die Freisetzungen von CO2 verringert werden. Ebenso wird vermutet, dass höhere CO2-Gehalte in der Atmosphäre zu mehr Biomasse führen, solange für die Pflanzen Wasser und Nährstoffe ausreichend zur Verfügung stehen. Damit könnten wiederum 160 bis 1230 Gt Kohlenstoff zusätzlich bis 2100 in den Böden gespeichert werden.

Rechnet man Freisetzungen und zusätzliche Speicherung gegeneinander auf, schwanken die Ergebnisse zwischen einer Zunahme des Kohlenstoffgehaltes im Boden um 253 Gt und einem Verlust von 72 Gt bis 2100. Das zeigt, wie groß die Unsicherheiten sind, mit denen diese Berechnungen noch behaftet sind. Denn bisher ist noch unklar, wie sich die Böden der nördlichen Hemisphäre bei zunehmender Erwärmung verhalten werden. Auch können die aktuellen Modelle die genaue Menge an im Boden gespeichertem Kohlenstoff bisher nicht exakt berechnen – die Unsicherheiten liegen in Größenordnungen von 770 Gt C. Fest steht allerdings, dass eine weitere Freisetzung von Kohlenstoff aus den Böden so gering wie möglich gehalten werden muss.

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Schwere Bodenerosion in einem Weizenfeld in den USA. Hier wurde der Boden durch Wasser abgetragen.

Schwere Bodenerosion in einem Weizenfeld in den USA. Hier wurde der Boden durch Wasser abgetragen.

Bildquelle: © Jack Dykinga/ARS/wikimedia.org; public domain

Bodenerosion und Neubildung

Damit sich ein Boden voll ausbildet, können mehrere Tausend Jahre vergehen. Um Böden nachhaltig zu zerstören, braucht die Menschheit lediglich ein paar Jahrzehnte. Da nur begrenzte Flächen für den globalen Ackerbau zur Verfügung stehen, müssen sie nachhaltig bewirtschaftet werden, um die Menschheit auch in Zukunft ernähren zu können. Bodenerosion ist aufgrund des relativ schnellen Verlustes von fruchtbarer Ackerkrume und der sehr langsamen Neubildung ein gravierendes Problem. Grundsätzlich geht man in geologischen Zeiträumen von einem Bodenabtrag von rund 20 Metern pro Jahrmillion aus. In den USA ist die Erosion in manchen Gebieten aktuell so hoch, so dass auf bearbeiteten Böden, auf geologische Zeiträume umgerechnet, bis zu 2.000 Meter Boden pro Jahrmillion verloren gehen würden, der Abtrag hat sich hier also verhundertfacht. In den Lößplateaus Chinas sind es sogar bis zu 10.000 Meter pro Jahrmillion.

Die durchschnittliche Neubildungsrate von Böden liegt hingegen lediglich bei 50 bis 200 Metern pro Jahrmillion. Es ist also klar erkennbar, dass der Mensch mehr Boden „verbraucht“ als sich neu bilden kann. Hauptgründe sind das Entfernen der natürlichen Vegetation, die die Bodenkrume festhält sowie die Destabilisierung des natürlichen Bodengefüges zum Beispiel durch tiefes Pflügen, so dass der Boden durch Wind und vor allem durch Wasser verstärkt abgetragen wird. Auch hier müssen entsprechende Bearbeitungsverfahren entwickelt und verbessert werden, um den Verlust des Bodens so gering wie möglich zu halten.

Nährstoffverluste und Ersatz

Der Boden ist der Nährstoffspeicher für die Pflanzen, die auf ihm wachsen. Unbeeinflusste Böden haben ein natürliches Gleichgewicht an Nährstoffen, da die Pflanzen nach dem Absterben ihre Nährstoffe wieder an den Boden abgeben. In der Landwirtschaft werden die Pflanzen bei der Ernte größtenteils entfernt und somit verschwinden nach und nach auch die Nährstoffe. Die Erosion und der Regen tun ein Übriges, so dass die Nährstoffspeicher der Böden vom Menschen immer wieder aufgefüllt werden müssen, um weiter ihre Funktion zu erfüllen.

Mit der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens, also der Gewinnung von Stickstoff aus der Luft, konnte zusätzlicher Dünger in großen Mengen hergestellt werden. Dadurch konnte man, anstatt mehr Land für mehr Nahrung zu nutzen, auf gleichbleibenden Flächen mehr Ertrag erzielen und mehr Menschen ernähren. Der Nachteil: Die Erzeugung von Stickstoffdünger und die intensive Landwirtschaft verbrauchen viel Energie. Diese wird immer teurer und im Hinblick auf den Klimawandel wird hoher Energieverbrauch zunehmend ein Problem.

Zudem gibt es im Gegensatz zum nahezu unbegrenzt vorliegenden Stickstoff nur begrenzte Reserven für die ebenfalls grundlegenden Nährstoffe Kalium (K) und Phosphat (P). Beide müssen ebenfalls energie- und kostenintensiv gewonnen werden. In den letzten Jahrzehnten sind die Preise für eine Tonne Phosphat von 80 US-Dollar (1961) auf aktuell etwa 700 US-Dollar gestiegen, bei Kalium werden die Preise von 875 US-Dollar pro Tonne (2009) auf voraussichtlich 1500 US-Dollar pro Tonne im Jahr 2020 steigen.

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Stickstoffdünger: Stickstoff ist ein unersetzlicher Nährstoff für Nutzpflanzen.

Stickstoffdünger: Stickstoff ist ein unersetzlicher Nährstoff für Nutzpflanzen.

Bildquelle: © oticki/iStock/Thinkstock

Auch die Verteilung der Lagerstätten ist ein Problem: So liegen die größten Phosphatvorkommen in Marokko, in teilweise politisch unsicheren Gebieten, während in den USA die größte Lagerstätte voraussichtlich im Jahr 2035 erschöpft sein wird. Konflikte um die Verteilung lebenswichtiger Pflanzennährstoffe zur Herstellung von Mineraldünger sind also durchaus im Bereich des Möglichen. Daher ist es dringend erforderlich, Dünger maßvoll einzusetzen und Verfahren für ein Recycling dieser Stoffe zum Beispiel aus organischem Müll, Gülle und Festmist zu entwickeln, um die Gefahr des Mangels und einer zukünftigen Abhängigkeit zu verringern. Gleichzeitig würden so ökologisch bedenkliche Abfälle sinnvoll genutzt und ökologisch „entschärft“.

Handlungsbedarf für die Zukunft

Mit seinen Handlungen greift der Mensch seit Jahrhunderten tief in die Bodenentwicklung ein und bringt damit das Gleichgewicht im Boden immer stärker durcheinander. Das hat massiven Einfluss auf die Nutzbarkeit von Böden in der Zukunft, wenn im Jahr 2100 schätzungsweise 11 Milliarden Menschen ernährt werden müssen. Auch das Klima wird durch die veränderten Bodenbedingungen stark beeinflusst, mit bisher noch nicht absehbaren Folgen. Um diesen Bedrohungen zu begegnen, muss die Menschheit schnellstens zu einer Form der Bodennutzung kommen, die den Böden nicht mehr abverlangt als sich auf natürlichem Weg erneuern kann. Dementsprechend muss es eine nachhaltige Nutzung geben, die ein Gleichgewicht bei den Kohlenstoffgehalten, bei Abtrag und Neubildung von Böden und beim Verlust und Zugewinn an Nährstoffen ermöglicht. Dazu ist umfangreiche interdisziplinäre Forschung nötig, um neue Denkansätze und entsprechende Konzepte zu entwickeln und um auf neuen Wegen Probleme anzugehen und sie zu lösen. Das alles verlangt nach vermehrten Investitionen in die Forschung. Nur so ist es möglich, auch den zukünftigen Generationen Böden zu erhalten, von denen alle leben können. Klappt das nicht, könnte es in Zukunft sehr eng werden.


Quelle:
Amundson, R. et al. (2015): Soil and human security in the 21st century. In: Science, Vol 348, (08. Mai 2015), DOI: 10.1126/science.1261071.

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Titelbild: Der Boden ist eine unverzichtbare Ressource und ist zugleich Bestandteil der globalen Stoffflüsse. (Bildquelle: © iStock.com/Stacey Newman)