Pflanzen leiden unter Embolien

Austrocknung und Schäden an Blättern erstmals live beobachtet

28.07.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die räumliche Struktur der Blattadern ist entscheidend, ob Blättern gut oder weniger gut mit Trockenstress umgehen können. (Bildquelle: © Schlierner / Fotolia.com)

Die räumliche Struktur der Blattadern ist entscheidend, ob Blättern gut oder weniger gut mit Trockenstress umgehen können. (Bildquelle: © Schlierner / Fotolia.com)

Mit einem einfachen Mikroskop und einem Scanner ist es Wissenschaftlern gelungen, die Effekte von anhaltender Trockenheit in Blättern in Echtzeit zu beobachten. Trockenstress ruft gefährliche Luftblasen hervor, die in den Blattadern den Wasserstrom unterbrechen. Dabei konnte eine Regel bei der Herausbildung dieser Embolien festgestellt werden. Der Abriss des Wasserstroms durch Trockenstress und die Bildung von Embolien beginnen, der Studie zufolge, immer in den größten Blattadern und breiten sich von diesen im Gesamtnetzwerk der Blattadern aus. Wie anfällig bzw. tolerant Blätter sind, hängt dabei, so konnten die Forscher zeigen, von der genetisch vorgegebenen Architektur der Blattadernetzwerke ab.

Wasser ist Quell allen Lebens. Pflanzen nehmen Wasser aus dem Boden über die Wurzeln auf. Sie transportieren es unter hoher Spannung durch die ganze Pflanze bis in die Blätter. Diese sind von einem feinen Netz aus Blattadern durchzogen, die dem Wasser- und Stofftransport in jeden Bereich der Blätter dienen. An den Blättern befinden sich spezialisierte Zellverbünde, die Spaltöffnungen oder Stomata, über die das Wasser in Form von Wasserdampf entweicht und die Blätter kühlt. Diese Transpiration erzeugt einen Sog, durch den neues Wasser aus dem Boden regelrecht „herausgesogen“ wird (Transpirationssog). Kommt es zu einer ausgeprägten Trockenheit, wird dieser kreislaufähnliche Weg des Wassers gestört. Im Extremfall kommt es zu bleibenden Schäden an den Pflanzen.  

Dürre kann den Wassertransport stoppen

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Die Forscher untersuchten fünf unterschiedliche Pflanzenarten, deren Blattadersystem sich im Aufbau unterschied. Darunter auch Farne. Diese zählen stammesgeschichtlich zu den ältesten Pflanzen und sind der Studie zufolge aufgrund der Architektur der Blattadernetzwerke im Vergleich zu den untersuchten Bedecktsamern deutlich anfälliger für Embolien.

Die Forscher untersuchten fünf unterschiedliche Pflanzenarten, deren Blattadersystem sich im Aufbau unterschied. Darunter auch Farne. Diese zählen stammesgeschichtlich zu den ältesten Pflanzen und sind der Studie zufolge aufgrund der Architektur der Blattadernetzwerke im Vergleich zu den untersuchten Bedecktsamern deutlich anfälliger für Embolien.

Bildquelle: © harum.koh/ flickr; CC BY-SA 2.0

Ist der Boden ausgetrocknet, wie etwa bei langanhaltenden Dürreperioden, erhöht sich die Wasserspannung. Dies macht es für die Pflanze schwieriger Wasser aus dem Boden zu ziehen und kann dazu führen, dass der Wasserstrom in der Pflanze abreißt. Es können sich Luftblasen im Leitgewebe, dem Xylem, bilden, die die „Wasserleitungen“ blockieren. Dadurch werden Teile der Pflanze von der Wasserversorgung abgeschnitten und können absterben. Analog zum Verschluss von Blutgefäßen - beispielsweise durch Blutgerinnsel - beim Menschen, spricht man auch bei der „Verstopfung“ der Blattadern von Pflanzen durch Luftblasen von einer „Embolie“.

Um dieses Phänomen, zu untersuchen, hat ein Forscherteam Blätter fünf unterschiedlicher Pflanzen – darunter drei Farne (je ein Vertreter der Gattung Adiantum, Pteris sowie Goniophlebium), ein Eukalyptus (Eucalyptus globulus) und eine Eiche (Quercus robur) – genauer unter die Lupe genommen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Entstehung und Verbreitung von Embolien im Blatt sind bisher noch nie sichtbar gemacht worden. Dem Team gelang es, diesen Prozess auf einer einfache und kostengünstige Weise zu visualisieren.

Scanner umfunktioniert

Um die Embolien im Blatt sichtbar zu machen, mussten die Forscher auf vermeintlich „alte“ Technologien zurückgreifen. Denn sie standen zunächst vor dem Problem, dass moderne bildgebende Verfahren, wie Magnetresonanztomographie oder Röntgentechniken, nicht eingesetzt werden konnten. Diese sind teuer und aufwändig und sie erzielen nicht die benötigte Auflösung. Auch kann energiereiche Röntgenstrahlung das empfindliche Blattgewebe zerstören.

Die Forscher suchten daher nach einer anderen nicht-invasiven Technik. Sie wurden bei einem Mikroskop mit geringer Vergrößerung und einem einfachen Scanner fündig. Denn ja nachdem, ob sich Wasser oder Luft in den Blattadern befindet, ändert sich die Lichtdurchlässigkeit. So können Embolien indirekt und in Echtzeit über die Unterschiede in der Durchlässigkeit des Lichts mittels einfacher Geräte untersucht werden.

Die Forscher nutzten für die Blätter von vier Pflanzenarten ein Stereomikroskop und da die Blätter des Farns Pteris cretica schlichtweg zu lang waren, kam hier ein Filmscanner zum Einsatz. Sie simulierten bei den Versuchspflanzen eine Dürre und beobachteten die Veränderungen. In regelmäßigen und kurzen Abständen wurden Aufnahmen der Blätter gemacht (beim Mikroskop alle 15, 30, und 60 Sekunden, abhängig von der Geschwindigkeit der Blattaustrocknung und bei Scanner alle 2 Minuten), die während der Zeit weiterhin am Zweig hingen. Dadurch konnten die Wissenschaftler allgemeine Regeln bei Embolien feststellen.

Die Größen trifft es zuerst

Zuerst konnten die Forscher feststellen, dass alle Blätter eine Zeit lang der Trockenheit trotzen können, bevor Embolien auftauchen. Je nach Art konnte dies 30 Minuten oder sogar 70 Stunden sein, bis ein Effekt auftrat. Unabhängig von der untersuchten Pflanzenart, konnten die Forscher jedoch ein klares Muster beobachten: Embolien beginnen immer zuerst in den größten Blattadern und schreiten von da in kleinere fort. Zuerst reißt also in den größten Blattadern der Wasserstrom bei Dürren ab.

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Während einer Dürreperiode können sich Luftblasen im Wassertransportnetzwerk von Pflanzen bilden. In diesem Video beschreiben die Forscher eine einfache Möglichkeit, die Entwicklung dieser Luftblasen in einem Blatt zu visualisieren. (auf Englisch). (Quelle: Vincent Marchand and Philippe Marmottant/youtube.com)

Auch die räumliche Struktur der Blattadern ist entscheidend, ob Blättern gut oder weniger gut mit Trockenstress umgehen können. Dies bewies der Vergleich der untersuchten Pflanzen, deren Blattadersystem sich im Aufbau unterschied. Je mehr große Blattadern vorhanden sind und je stärker alles auf eine zentrale Blattader ausgerichtet ist, wie bei es bei Farnen der Fall ist, desto schneller vertrocknen die Blätter.  

Schutz vor Embolien

Die Forscher haben erstmals die Entstehung von Embolien in Blättern sichtbar gemacht und ihren Verlauf beobachtet. Zwar nur an fünf Pflanzen, weswegen die Technik noch an anderen Blatttypen getestet werden müsste. Aber bereits die erste Anwendung in dieser Studie beweist, dass diese Visualisierungstechnik dabei helfen kann, zu verstehen, wie sich Pflanzen vor Embolien schützen können. Aber es lässt auch Rückschlüsse auf die Evolution der Pflanzen zu. Denn die evolutionär sehr alten Farne - sie bevölkern seit etwa 400 Millionen Jahren die Erde und zählen stammesgeschichtlich zu den ältesten Pflanzen - sind aufgrund der Blattaderstruktur im Vergleich zu den untersuchten Bedecktsamern deutlich anfälliger für Embolien. Die Blattadernetzwerke der Bedecktsamer sind vernetzter und feingliedriger und verhindern ein schnelles Austrocknen besser. Diese Anpassung hilft den Pflanzen demnach, besser mit Trockenstress umzugehen.

Wissend, dass alles Leben im Wasser entstand und von diesem abhängt, ist klar, dass Wasser eine wichtige und wertvolle Ressource ist. Da Wassermangel, bedingt durch klimatische Veränderungen und den Druck zur Erschließung neuer Produktionsflächen durch das noch anhaltende Bevölkerungswachstum, weiter zunehmen wird, wird das Wissen um die Entstehung von trockenstressbedingten Embolien nützlich sein, um z. B. Pflanzen mit einer anderen Architektur der Blattadern zu züchten. Die Fähigkeit, besser mit Trockenheit umzugehen, verhilft Pflanzen auch zu einer effizienteren Photosynthese. Denn bei Trockenheit müssen Pflanzen Wasser sparen und verschleißen ihre Spaltöffnungen. Dies verhindert das Austreten von Wasserdampf und das Eindringen von Kohlendioxid, das für die Photosynthese benötigt wird. Bei geschlossenen Spaltöffnungen „verhungern“ Pflanzen regelrecht.


Quellen:

  • Brodribb, T.J., Bienaimé, D. und Marmottant, P. (2016):Revealing catastrophic failure of leaf networks under stress. In: PNAS, (April 2016), doi: 10.1073/pnas.1522569113.
  • Scoffoni, C. und Jansen, S. (2016): I Can See Clearly Now – Embolism in Leaves. In: Trends in Plant Science, (13. Juli 2016), doi: 10.1016/j.tplants.2016.07.001.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Die räumliche Struktur der Blattadern ist entscheidend, ob Blättern gut oder weniger gut mit Trockenstress umgehen können. (Bildquelle: © Schlierner / Fotolia.com)