Pflanzeneigenschaften als Schlüssel zum Ökosystem

Drei Millionen gesammelte Daten über Pflanzeneigenschaften helfen bei der Modellierung von Ökosystemen

10.06.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Datenbank TRY. (Quelle: © TRY/Max Planck Institute for Biogeochemistry)

Die Datenbank TRY. (Quelle: © TRY/Max Planck Institute for Biogeochemistry)

Eine neue Datenbank soll bei der Analyse von Daten über Pflanzeneigenschaften tiefere Einblicke in die Funktionalität von Ökosystemen geben.

Pflanzeneigenschaften stellen das Ergebnis evolutionärer Anpassungen an biotische und abiotische Umwelteinflüsse dar. Sie bieten sich somit als Grundlage für Ökosystem- und Klimamodellierungen an. Um einen umfassenden Überblick über die weltweiten Anpassungen der Pflanzen an eine sich ständig ändernde Umwelt zu erhalten, haben Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena (MPI BGC), ihre gesammelten Daten in einer große Datenbank, genannt TRY, zusammengefasst.

Was ist TRY?

Pflanzeneigenschaften beschreiben die morphologischen, anatomischen, physiologischen, biochemischen und phänologischen Charakteristika der untersuchten Pflanzen. Sie zeigen, wie Pflanzen auf ihre Umwelt reagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Die Datenbank TRY ist ein Versuch (engl. „try“), bereits erfasste Pflanzeneigenschaften aus anderen Datenbanken zusammenzuführen, um so Vegetationsmodelle besser berechnen zu können. Bisher wurden solche Modellierungen nur selten auf Grundlage von Pflanzeneigenschaften durchgeführt, globale Modellierungen waren auf einzelne Pflanzencharakteristika (zum Beispiel Blatteigenschaften) beschränkt und beinhalteten nur wenige Pflanzenarten.

TRY soll diese Lücke nun schließen. Bisher sind Datensätze von 120 bereits bestehenden Datenbanken in das Projekt eingeflossen. Enthalten sind drei Millionen Einträge zu 750  Eigenschaften von 69.000 der weltweit über 300.000 bisher bekannten Pflanzen. Die erfassten Daten werden in 52 Gruppen von Pflanzeneigenschaften zusammengefasst, die die verschiedenen Stadien der Pflanzenentwicklung abbilden (zum Beispiel Wachstum, Verbreitung, Besiedlung).

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Pflanzen können sich an die verschiedensten Umwelten anpassen. Hier: Vier verschiedene Ökotypen des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrella patens).

Pflanzen können sich an die verschiedensten Umwelten anpassen. Hier: Vier verschiedene Ökotypen des Kleinen Blasenmützenmooses (Physcomitrella patens).

Bildquelle: © Lab of Ralf Reski/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Etwa die Hälfte der erfassten Daten haben Bezug zur geografischen Lage, so dass ergänzende Daten wie Boden oder Klima von mehr als 8.000 Messorten hinzugefügt werden können. Durch die gesammelten Daten und ihre Kombinationsmöglichkeiten ist es möglich, einen wirklichkeitsnahen Ansatz der pflanzlichen Vielfalt abzubilden, mit dem auf globaler Ebene zum Beispiel die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Pflanzenwelt modellierbar sind.

Lehrsätze der Ökologie auf dem Prüfstand

Testweise wurden mit der Datenbank zwei Grundsätze der globalen Vegetationsmodellierung überprüft. Grundsatz eins lautet:

Die Erfassung von Pflanzeneigenschaften auf der Artenebene bildet die tatsächlich vorhandene Variationsbreite dieser Eigenschaften ausreichend ab. Das heißt: Untersucht man eine Pflanzeneigenschaft bei verschiedenen Pflanzenarten, hat man die wichtigsten Ausprägungen dieser Pflanzeneigenschaft in ausreichendem Maß erfasst. Das setzt voraus, dass die Variationsbreite einer Pflanzeneigenschaft zwischen einzelnen Arten größer ist als innerhalb einer Art.

Erste Berechnungen mit der Datenbank zeigen, dass dieser Grundsatz zwar Gültigkeit hat, dass die Variationsbreite von Eigenschaften innerhalb einer Art trotzdem bis zu 40 Prozent betragen kann. Diese Variationsbreite beinhaltet sowohl die genetische Variabilität (Varianz) als auch phänotypische Plastizität, die beide für eine Modellierung so gut wie möglich mit erfasst werden sollten. Die Forscher regen daher an, sich bei Modellierungen nicht mehr nur auf ausgewählte Arten und deren Eigenschaften zu beschränken, sondern stattdessen die jeweiligen Pflanzeneigenschaften genauer zu untersuchen. Daraus könnte sich eine neue Herangehensweise der Ökologie entwickeln, die nicht die einzelnen Arten, sondern spezielle Pflanzeneigenschaften als Grundlage für ihre Berechnungen heranzieht. Durch die neue Datenbank stehen genug Datensätze zur Verfügung, um Pflanzeneigenschaften und ihre Auswirkungen auch jenseits der Artenebene zu vergleichen und zu analysieren und neue Standards zu definieren.

Der zweite Grundsatz lautet:

Funktionelle Gruppen von Pflanzen erfassen einen beträchtlichen Ausschnitt der Variationsbreite einer Pflanzeneigenschaft, um innerhalb eines Modells die tatsächliche vorhandene Vielfalt hinreichend abzubilden.

In bisherigen Modellierungen von Ökosystemen wurden aus Gründen der Machbarkeit die Eigenschaften verschiedener Pflanzen grob als funktionelle Pflanzengruppen mit vergleichbarer Ausstattung zusammengefasst (zum Beispiel Gräser, Nadelbäume). Als Grundlage für diese Klassifizierung gilt die Beobachtung, dass die Pflanzen dieser funktionellen Gruppen sich ähnlich verhalten. Über diese Zusammenfassungen wird allerdings oftmals auch das Fehlen relevanter Daten ausgeglichen. Berechnungen mit der TRY-Datenbank zeigen, dass diese Art der Zusammenfassung nicht immer gültig ist: Die Unterschiede innerhalb einer funktionellen Gruppe für bestimmte Eigenschaften betrugen bis zu 75 Prozent.

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Nadelwald: Der Einfluss der Vegetation ist in globalen Modellen schwer zu erfassen.

Nadelwald: Der Einfluss der Vegetation ist in globalen Modellen schwer zu erfassen.

Bildquelle: © Gudellaphoto / Fotolia.com

Das zeigt, dass eine funktionelle Gruppe in ihrer bisherigen Form nicht unbedingt die Anpassungsfähigkeit der realen Vegetation auf umweltbedingte Veränderungen voll erfassen kann. Dementsprechend müssten auch hier verfeinerte Klassifikationen angewendet werden, um die Rolle der Pflanzen in globalen Modellierungen zu berechnen. Entsprechend optimierte funktionelle Gruppen können mit der TRY Datenbank, die auf empirisch gewonnenen (also im Gelände gesammelten) Werten basiert, neu zusammengestellt werden. Damit kann die Darstellung der Vielfalt von Pflanzen und ihren Eigenschaften verfeinert werden und auch hier zu einer verbesserten Modellierung von Ökosystemen beitragen.

Neue Möglichkeiten für die Modellierung

Die Datenbank TRY bietet durch ihre Fülle an Daten zu Pflanzeneigenschaften und den zugehörigen abiotischen Faktoren völlig neue Möglichkeiten der Berechnung von globalen Modellen. Ob reine Vegetationsmodelle, Klima-Modelle oder Modelle des CO2- oder Wasserkreislaufs, durch eine Fokussierung auf die Eigenschaften von Pflanzen kann deren Einfluss auf ein Ökosystem besser herausgearbeitet werden, was in Zukunft zu deutlich präziseren Aussagen der berechneten Modelle führen wird. Darüber hinaus unterstützen real oder virtuell kombinierte Datenbanken zwei wichtige Bemühungen der Forscher: Zum einen lassen sich klare Standards definieren wie z.B. Eigenschaften erfasst oder beschrieben werden, welche Rahmenbedingungen herrschten etc. Zum anderen können Dopplungen besser erkannt und miteinander fusioniert werden. Ziel ist es, den Wissenschaftlern weltweit validere und vor allem effizienter nutzbare Daten zur Verfügung zu stellen.  


Quelle:

Kattge, J. et al. (2011): TRY – a global database of plant traits. In: Global Change Biology (2011) 17, 2905–2935, DOI: 10.1111/j.1365-2486.2011.02451.x.

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