Pflanzenzüchtung in Zeiten des Klimawandels

Wie notwendig ist Genome Editing?

05.08.2019 | von Gastautor: Christoph Käsbauer

Bei Trockenheit und Hitze reift Getreide zu früh. (Bildquelle: © Oliver Mohr / pixelio.de)

Bei Trockenheit und Hitze reift Getreide zu früh. (Bildquelle: © Oliver Mohr / pixelio.de)

Im Wettlauf gegen den Klimawandel, neue Schädlinge und Krankheiten ist die Pflanzenzüchtung heute unter großem Druck. Die Kernfrage ist: Sind traditionelle Züchtungsmethoden schnell genug, um unserer Kulturpflanzen an die neuen Umweltbedingungen anzupassen? Oder werden moderne Methoden wie Genome Editing benötigt, um diesen Wettlauf zu gewinnen?

Unsere Nahrungsmittel sind so hochwertig wie noch nie. Auch die Produktivität der Landwirtschaft war nie höher als jetzt. Das ist ein Erfolg der Pflanzenzüchtung und von fortschrittlichen Anbaumethoden. Doch keine Zeit zum Ausruhen. Mit dem Klimawandel drohen Ertragseinbußen – durch Trockenperioden, steigende Temperaturen und durch die Einwanderung wärmeliebender Schädlinge und Krankheiten. Laut einer aktuellen Studie führt jeder Temperaturanstieg um ein Grad zu Ertragsverlusten von 10-20 Prozent bei so wichtigen Kulturpflanzen wie Mais, Reis und Weizen. Bereits bis 2050 werden die globalen Durchschnittstemperaturen um deutlich mehr als ein Grad Celsius steigen, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es sogar bis zu knapp 4 Grad Celsius wärmer werden.

Moderne Methoden beschleunigen die Züchtung

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Die Züchtung neuer Apfelsorten ist langwierig und aufwendig.

Die Züchtung neuer Apfelsorten ist langwierig und aufwendig.

Bildquelle: © Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Die Pflanzenzüchtung verfolgt vor allem diese Ziele: höhere Erträge, bessere Qualität und starke Resistenzen. Dazu wurden in den letzten Jahrzehnten einige neue Methoden entwickelt, die die Züchtung erleichtern. Ein Beispiel ist die markergestützte Selektion, bei der die Vererbung gewünschter Eigenschaften durch Markergene verfolgt werden kann. Diese Marker können bereits im Sämling nachgewiesen werden.

Das spart Zeit: Bei Äpfeln beispielsweise können mit alten Züchtungstechniken mehrere Jahrzehnte vergehen, bis eine neue Sorte entstanden ist. Mit moderneren Methoden konnte diese Spanne bereits auf 15 Jahre verkürzt werden. Auch computergestützte Methoden spielen eine zunehmend wichtige Rolle dabei. Mit der Erfassung einer steigenden Zahl von Markergenen und damit verknüpfter Pflanzeneigenschaften werden die Voraussagen zum entstehenden Phänotyp der Nachkommen immer präziser. Dies ermöglicht ein sehr zielgerichtetes und effektives Züchten.

Beständiges Wettrüsten

Doch trotz solcher Innovationen kommt die Pflanzenzüchtung in Bedrängnis. Der rasche Klimawandel und die Verkehrsströme in unserer globalisierten Welt führen dazu, dass zunehmend Schädlinge Richtung Norden einwandern. Es ist ihnen hier nun ausreichend warm. Dies gilt für Insekten, aber auch für Pilze und Bakterien. Während die Erwärmung der Erde noch mit einiger Präzision vorausgesagt werden kann, ist die Verbreitung eines neuen Schädlings nur schwer einzuschätzen. Pathogene sind oftmals sehr anpassungsfähig und verbreiten sich dann in neu besiedelten Regionen rapide. Daher bleibt für die Züchtung immer weniger Zeit, neue und resistentere Sorten zu entwickeln.

Zudem verfügen manche Kulturpflanzen nicht über die notwendigen Resistenzgene, vor allem wenn sich die Schädlinge an gänzlich neue Wirtspflanzen adaptieren. So ernährte sich der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) ursprünglich von der Büffelklette und war hauptsächlich in Colorado beheimatet. Erst als der Mensch großflächig Kartoffeln anbaute, stieg der Käfer auf Kartoffeln als neue Nahrungspflanze um. Mittlerweile ist er fast weltweit verbreitet und einer der bedeutendsten Schädlinge im Kartoffelanbau. Aber auch Aubergine, Paprika, Tabak und Tomaten schmecken ihm gut.

Weniger Wasser, mehr Trockenheit

Eine weitere Konsequenz der Klimaerwärmung stellt die Pflanzenzüchter vor ein großes Problem: Trockenheit. Die Reaktion der Pflanzen auf zu wenig Wasser ist oft stark ausgeprägt. Getreide beispielsweise geht bei Wassermangel und andauernder Hitze schnell in einen Notreife-Modus, der den Ertrag massiv verringert.

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Der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) stammt aus Colorado und ist mittlerweile weltweit verbreitet.

Der Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) stammt aus Colorado und ist mittlerweile weltweit verbreitet.

Bildquelle: © Pavlofox/Pixabay/CC0

Eine Anpassung an diese neue Umweltbedingung ist komplex, da eine ausreichende Trockenheitstoleranz erst durch das Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Pflanzeneigenschaften zustande kommt. So spielt die Effizienz der Wasseraufnahme und Nutzung des Wassers durch die Pflanze eine Rolle, aber auch die Anzahl und Regulation der Stomata (Blattöffnungen) sowie in vielen Fällen die Produktion schützender Metabolite sind entscheidend. Ein weiteres Problem der klassischen Züchtung ist eine oft ungünstige Kopplung von bestimmten Merkmalen. So kann es vorkommen, dass eine Schädlingsresistenz oder Trockenheitstoleranz mit geringem Ertrag gekoppelt ist und umgekehrt.

Neue Techniken vorhanden, aber in Europa praktisch nicht nutzbar

Universitäten und Züchtungsunternehmen hätten bereits präzisere und zuverlässigere Werkzeuge, um Pflanzen rascher an das sich aufheizende Klima und neue Schädlinge anzupassen. Genom Editing-Methoden wie die „Genschere“ CRISPR/Cas9 können einzelne Gene unabhängig vom restlichen Genom sehr präzise modifizieren.

Es gibt bereits gute Beispiele, wie diese neuen Methoden den Züchtungsfortschritt beschleunigen konnten. Weizen wurde gegen die bedeutende Pilzkrankheit Mehltau und Reis gegen den gefürchteten Erreger der Braunfäule widerstandsfähiger gemacht. Auch konnte Mais mit dieser Methode so modifiziert werden, dass er trotz Trockenheit weiter wächst und sich die Ertragsverluste in Grenzen halten. Es gibt viele weitere Beispiele dieser Art, doch in der EU sind die gesetzlichen Hürden für diese Verfahren sehr hoch. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Sommer 2018 gelten diese Methoden als Gentechnik. Die hohen Anforderungen des Gentechnikrechtes und die überwiegend negative öffentliche Meinung zur Gentechnik verhindern in der Praxis den Anbau Genom-editierten Nutzpflanzen in der EU.

Die Frage ist: Können wir uns trotz Klimawandel erlauben, auf diese Züchtungsmethoden zu verzichten? Auf jeden Fall brauchen wir einen umfassenden gesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema, bei dem Chancen und Risiken offengelegt werden. Zu diesem „heißen“ Thema wird Pflanzenforschung.de in der nächsten Zeit Wissenschaftler und Akteure aus den Bereichen Landwirtschaft und Züchtung interviewen und die Ergebnisse in einer Serie zur „Pflanzenzüchtung in Zeiten des Klimawandels“ vorstellen.


Quellen:

  • Taranto, F. et al. (2018): Biotechnological and Digital Revolution for Climate-Smart Plant Breeding. In: Agronomy 2018, 8(12), 277, (26. November 2018), doi:10.3390/agronomy8120277.
  • Ahmad, N. und Mukhtar, Z. (2017): Genetic manipulations in crops: Challenges and opportunities. In: Genomics, Volume 109, Issues 5-6, Page 494-505, (online: 01. August 2017), doi:10.1016/j.ygeno.2017.07.007.
  • Bebber, D.P. (2015): Range-expanding pests and pathogens in a warming world. In: Annual Review of Phytopathology, Vol. 53:335-356, (27. Mai 2015), doi:10.1146/annurev-phyto-080614-120207.
  • Raza, A. et al. (2019): Impact of Climate Change on Crops Adaptation and Strategies to Tackle Its Outcome: A Review. In: Plants (Basel), 8(2), 34, (30. Januar 2019), doi:10.3390/plants8020034.
  • Deutsch, C.A. et al. (2018): Increase in crop losses to insect pests in a warming climate. In: Science, Volume 361, Issue 6405, Pages 916-919, (31. August 2018), doi:10.1126/science.aat3466.

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Titelbild: Bei Trockenheit und Hitze reift Getreide zu früh. (Bildquelle: © Oliver Mohr / pixelio.de)

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