Physalis erhöht Abwehrkräfte

Withanolide stärken das Immunsystem einer Mottenart

02.09.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Raupe der Mottenart Heliothis subflexa, die sich auf Physalis-Pflanzen spezialisiert hat, erklimmt den laternenförmigen Blütenkelch einer Physalis Frucht, auch Blasenkirsche genannt. (Bildquelle: ©  Andrea Barthel, MPI chem. Ökol.)

Eine Raupe der Mottenart Heliothis subflexa, die sich auf Physalis-Pflanzen spezialisiert hat, erklimmt den laternenförmigen Blütenkelch einer Physalis Frucht, auch Blasenkirsche genannt. (Bildquelle: © Andrea Barthel, MPI chem. Ökol.)

Die Larven der Motte Heliothis subflexa haben sich auf die Frucht der Physalis als Nahrungsquelle spezialisiert. Die natürlichen Abwehrmechanismen der Pflanzen haben bei ihr keine Wirkung. Im Gegenteil: Sie stärken das Immunsystem der Motte und lassen sie schneller wachsen.

Heliothis subflexa ist eine in den Vereinigten Staaten, auf den Antillen und in Argentinien heimische Motten-Art und gehört zur Familie der Eulenfalter (Noctuidae). Ihre Larven sind Spezialisten, denn sie haben es ausschließlich auf die Früchte von Pflanzen der Gattung Physalis, auch Blasenkirsche genannt, abgesehen. Diese Fokussierung auf eine Nahrungsquelle unterscheidet die Motte von sogenannten Generalisten, die sich von vielen verschiedenen Pflanzen ernähren.

#####1#####
Heliothis subflexa hat sich im Laufe der Evolution erfolgreich an die Abwehrchemie von Physalis angepasst.

Heliothis subflexa hat sich im Laufe der Evolution erfolgreich an die Abwehrchemie von Physalis angepasst.

Bildquelle: © Andrea Barthel, MPI chem. Ökol.

Dass die Physalis der Motte bekommt, verwundert, da diese zur Abwehr Withanolide bildet. Diese zur Gruppe der C28-Steroide gehörenden Verbindungen sollen der Pflanze die zahlreichen Fraßfeinde vom Leib oder in diesem Fall von der Frucht fernhalten. Withanolide finden auf Grund ihrer Wirkung in der Medizin, z. B. zur Krebstherapie, aber auch in der Landwirtschaft als Insektizide Anwendung. Im Laufe der Koevolution ist es der Motte scheinbar gelungen, die Waffen der Physalis zu umgehen.

Withanolide als Abwehr gegen Fraßfeinde

Die zur Abwehr verwendeten Withanolide sind sekundäre Pflanzenstoffe - auch Sekundärmetabolite genannt. Im Gegensatz zum Primärstoffwechsel, der auf die Erhaltung und Vermehrung des Lebens ausgerichtete ist und in allen Zellen grundsätzlich ähnlich abläuft, werden im Sekundärstoffwechsel Substanzen wie Alkaloide, Antibiotika, Pigmente, Terpene oder im konkreten Fall der Physalis steroidale Lactone in ausgewählten Zelltypen und Pflanzenorganen gebildet.

Withanolide sind hauptsächlich in verschiedenen Gattungen der Nachtschattengewächse zu finden. Die Withanolide der Physalis stören die Signalübertragung in den Zellen und schwächen das Immunsystem der Herbivoren. Was eigentlich reicht damit Fraßfeinde den Appetit verlieren.

Physalis schützt die Motte auf zweifacher Art

Forscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie verglichen die Wirkung der wichtigsten Inhaltsstoffe der Withanolide bei zwei Mottenarten. Heliothis subflexa und ihrer nahen Verwandten, Heliothis virescens, der Tabakknospeneule. Letztere ist nicht so wählerisch bei ihren Nahrungspflanzen und gilt als Generalistin. Außerdem ist ihr Immunsystem stärker als das der Spezialistin.

In ihrer im Fachmagazin Nature Communication veröffentlichten Studie, verglichen die Forscher Gewichtszunahme, Überlebensrate und den Immunstatus der Motten. Zur Verwunderung der Forscher konnte die spezialisierte Motte Heliothis subflexa von den Withanoliden profitieren. Für sie wirkten die Stoffe sogar antibakteriell und stimulierten das Immunsystem. So wurde die Motte gegen Infektionen mit Bacillus thuringensis besser geschützt. Auch das Wachstum der Larven der Physalismotte Heliothis subflexa steigerte sich.

#####2#####
Die Forscherinnen haben herausgefunden, dass Raupen der Art Heliothis subflexa Withanolide in Physalis-Pflanzen, die eigentlich Insekten abwehren, zum eigenen Vorteil nutzen.

Die Forscherinnen haben herausgefunden, dass Raupen der Art Heliothis subflexa Withanolide in Physalis-Pflanzen, die eigentlich Insekten abwehren, zum eigenen Vorteil nutzen.

Bildquelle: © MPI chem. Ökol.

Als wäre die positive Wirkung der Withanolide auf Heliothis subflexa nicht genug, verbringt die Larve auch die meiste Zeit innerhalb der, die Früchte umhüllenden, Laterne. Dort ist sie geschützt vor Fressfeinden und hat einen kurzen Weg zur Frucht. 

Withanoliden haben Einfluss auf Genexpression

Der Grund für den unterschiedlichen Einfluss von Withanoliden auf Motten ist die unterschiedliche Beeinflussung der Expression von Immungenen durch den Pflanzenstoff. Durch die Sequenzierung der RNA der beiden verwandten Mottenarten offenbarte sich, dass das Immunsystem der Tabakknospeneule (Heliothis virescens) durch die Withanolide gehemmt und das von Heliothis subflexa durch die Steroide stimuliert wurde.

Im nächsten Schritt beabsichtigen die Forscher, die zugrunde liegenden Mechanismen aufzuklären, mit denen die Motte die Abwehr der Physalis austrickst. Außerdem planen sie Experimente zur Wirkung der Withanoliden auf Bakteriengemeinschaften auf der Pflanzenoberfläche sowie im Darm von Heliothis subflexa. Damit verbunden ist sicherlich die Hoffnung, dass sich daraus neue Anwendungen für die Medizin, aber auch für die Landwirtschaft, ergeben.


Quelle:
Barthel, A. et al. (2016): Immune modulation enables a specialist insect to benefit from antibacterial withanolides in its host plant. In: Nature communications, doi: 10.1038/ncomms.

Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Eine Raupe der Mottenart Heliothis subflexa, die sich auf Physalis-Pflanzen spezialisiert hat, erklimmt den laternenförmigen Blütenkelch einer Physalis Frucht, auch Blasenkirsche genannt. (Bildquelle: ©  Andrea Barthel, MPI chem. Ökol.)