Proteinveränderung schützt vor Trockenstress

Forscher kommen der Funktion eines geläufigen, zellulären Mechanismus auf die Spur

11.11.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Trockenheit ist einer der größten Stressfaktoren in der Landwirtschaft. Resistente Pflanzensorten können Ertragseinbußen senken. (Bildquelle: © Marccophoto/iStock/Thinkstock).

Trockenheit ist einer der größten Stressfaktoren in der Landwirtschaft. Resistente Pflanzensorten können Ertragseinbußen senken. (Bildquelle: © Marccophoto/iStock/Thinkstock).

Pflanzenforscher entdecken bei der Untersuchung der Proteinmodifikationen von Arabidopsis einen unerwarteten Zusammenhang. Ein Mechanismus, der zu Proteinveränderungen führt und in jeder Zelle vorkommt, beeinflusst die Resistenz gegen Trockenheit. Die Erkenntnis ist für die Züchtung und die landwirtschaftliche Praxis von großer Bedeutung.

Proteine sind der Stoff, aus dem das Leben ist. Pflanzlichen, tierischen und bakteriellen Zellen verleihen sie nicht nur Struktur. Sie sind die molekularen Maschinen, die Metaboliten transportieren, Ionen pumpen und chemische Reaktionen beschleunigen. Um all diese unterschiedlichen Funktionen ausführen zu können, erhalten Proteine nach ihrem Zusammenbau oft zusätzliche chemische Modifikationen. Erst durch das Anknüpfen von Fettsäuren, Zuckern, Phosphatgruppen und anderen chemischen Gruppen erhalten Proteine ihre eigentliche Struktur und Funktion.

Eine häufige Modifikation ist die sogenannte N-terminale Acetylierung (NTA). Dabei wird an den N-Terminus des Proteins eine kleine chemische Gruppe angefügt (Essigsäure- oder Acetyl-Rest). Diese Form der Acetylierung übernimmt das Enzym NatA. Ohne dieses Enzym sind Pflanzen, Menschen und Fruchtfliegen nicht entwicklungs- und überlebensfähig. Die genaue Funktion dieser Modifikation war jedoch bislang unklar.

Pflanzenforscher am Centre for Organismal Studies (Uni Heidelberg), am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (Jena) und am Zentrum für medizinische Forschung (Mannheim) gingen dieser Frage mithilfe der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) nach. Sie beobachteten die Gesamtheit aller Proteine, das Proteom, und brachten die NTA in Zusammenhang mit der Resistenz gegen Trockenheit.

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Die schematische Darstellung der N-terminalen Acetylierung, kurz NTA, von Proteinen (rot: Essigsäure- oder Acetyl-Rest). Vor allem das Protein NatA ist für die NTA-Veränderung zuständig.

Die schematische Darstellung der N-terminalen Acetylierung, kurz NTA, von Proteinen (rot: Essigsäure- oder Acetyl-Rest). Vor allem das Protein NatA ist für die NTA-Veränderung zuständig.

Bildquelle: © Ybs.Umich / wikipedia.org; CC BY-SA 3.0

Mehr Stress-Toleranz mit weniger Protein-Veränderungen

Zu diesem Schluss kamen die Forscher, nachdem sie Mutanten untersuchten, die nur noch geringe Mengen des Enzyms NatA herstellen konnten. Die Pflanzen waren nicht nur überlebensfähig, sondern gleichzeitig beobachteten die Forscher die typischen Merkmale einer verstärkten Trockenheitstoleranz. Im Vergleich zu unveränderten Wildtypen ist das Wurzel-Spross-Verhältnis (das Verhältnis zwischen Wurzel- und Sprossenlänge) größer und die Wurzeln besitzen weniger Seitenwurzeln. Diese morphologischen Veränderungen verbessern die Aufnahmekapazität von Wasser. Aber nicht nur im Wuchs, sondern auch in der Physiologie sind diese Pflanzen besser gegen Dürre angepasst. Die Spaltöffnungen sind weitgehend geschlossen, wie die Wissenschaftler bei mikroskopischen Untersuchungen feststellten. Dies vermindert die Wasserverluste in Form von Wasserdampf.

Weniger NatA, und daher weniger NTA-Protein-Veränderung, führte somit zu einem erhöhten Wassergehalt in den Blättern der Ackerschmalwand und zu mehr Stress-Toleranz – sogar ohne Wassermangel.

Bindeglied zwischen Pflanzenhormon und Stress-Toleranz

Interessanterweise hatte die reduzierte NatA-Menge genau dieselben physiologischen und morphologische Auswirkung wie das Phytohormon Abscisinsäure (engl.: abscisic acid, ABA). Das Pflanzenhormon sorgt dafür, dass bei der Dürre die Aufnahmekapazität von Wasser erhöht und Wasserverluste vermindert werden.

Als logische Schrittfolge wollten die Forscher wissen, ob einen Zusammenhang zwischen ABA und NatA besteht. Dies untersuchten sie mithilfe von biochemischen und molekularbiologischen Experimenten. Die Menge des Pflanzenhormons ist in den Mutanten und dem Wildtypen gleich. Nach Zugabe von ABA ist die Expression des natA-Gens jedoch vermindert. Im Klartext: ABA führt zu wenigem NatA-Protein, und daher zu weniger NTA-Proteinacetylierung.

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Die Spaltöffnungen (Stomata) der Pflanze sind mit weniger NTA-Modifikation weitgehend geschlossen. Dies führt zu einem erhöhten Wassergehalt in den Blättern der Ackerschmalwand.

Die Spaltöffnungen (Stomata) der Pflanze sind mit weniger NTA-Modifikation weitgehend geschlossen. Dies führt zu einem erhöhten Wassergehalt in den Blättern der Ackerschmalwand.

Bildquelle: © iStock.com / Nancy Nehring

Ohne NatA landen mehr Proteine im Mülleimer

Die Studie zeigt, dass geläufige Protein-Veränderungen wie die Acetylierung einen großen Einfluss auf die Resistenz gegen Stress haben können. Höhere Eukaryoten (multizellulären Organismen) nutzen diesen Mechanismus der Proteinveränderung vermutlich, um flexibel auf sich ändernde Umwelteinflüsse zu reagieren und entsprechende physiologische und morphologische Anpassungen anzukurbeln.

Mithilfe von Mikroarray-Ansätzen verfeinerten die Forscher ihrer Suche nach NTA-modifizierten Proteinen für die Stress-Toleranz. In diesen Untersuchungen stellten sie fest, dass die Ubiquitin-vermittelte Proteolyse als einziger Stoffwechselweg in den NatA-Mutanten erhöht ist. Die Forscher vermuten, dass den erhöhten Proteinabbau in den Mutanten zu der Trockentoleranz beiträgt. Die effiziente Beseitigung von Proteinen scheint unter Wassermangel lebenswichtig zu sein. Denn Trockenheit beeinträchtigt die Proteinfaltung. Es entstehen vermehrt Proteinverklumpungen und diese müssen schnell entsorgt werden, ehe sie schaden in den Zellen anrichten.

Große Signifikanz für die Landwirtschaft

Die vorliegende Studie zeigt, wie eng Grundlagenforschung und Anwendungsrelevante Fragen miteinander verwoben sind. Das primäre Interesse der Wissenschaftler galt der Untersuchung grundlegender zellulärer Prozesse wie die NTA. Dabei stießen sie auf stresstolerante Pflanzen und konnten die zugrunde liegenden Prozesse aufklären helfen. Trockenheit gehört zu den größten Stressfaktoren in der Landwirtschaft. Die Umsetzung der Erkenntnis ist für den Pflanzenanbau von erheblicher Bedeutung. Dank geeigneter Mutanten, die weniger NatA Protein aufweisen, ist es nun möglich, gezielt nach solchen Veränderungen in Kulturpflanzen zu suchen, um die Erträge auch unter Wassermangel zu steigern.


Quellen:

  • Linster, E. et al. (2015): Downregulation of N-terminal acetylation triggers ABA-mediated drought responses in Arabidopsis. In: Nature Communications 6:7640, (17. Juli 2015), doi: 10.1038/ncomms8640.
  • Arnesen, T. (2011): Towards a Functional Understanding of Protein N-Terminal Acetylation. In: PLoS Biology 9(5):e1001074, (31. Mai 2011), doi: 10.1371/journal.pbio.1001074.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Siehe auch: Wassernutzungseffizienz, abiotische Umweltfaktoren, Pflanzenzüchtung (Ziele).

Titelbild: Trockenheit ist einer der größten Stressfaktoren in der Landwirtschaft. Resistente Pflanzensorten können Ertragseinbußen senken. (Bildquelle: © Marccophoto/iStock/Thinkstock).