Rapsgenom entschlüsselt

Eine ungewöhnliche Pflanze mit viel Potential

27.08.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nach jahrelanger Arbeit haben Wissenschaftler nun das Genom des Raps entschlüsselt. (Bildquelle: © sp4764 - Fotolia.com)

Nach jahrelanger Arbeit haben Wissenschaftler nun das Genom des Raps entschlüsselt. (Bildquelle: © sp4764 - Fotolia.com)

Das entschlüsselte Genom zeigt: Raps ist keine gewöhnliche Pflanze, denn sie besitzt mehr Gene als alle bisher sequenzierten Organismen. Seine besondere Entstehungsgeschichte zeichnet Raps außerdem als Modell für Evolutionsforscher aus.

Im Frühling lässt er unsere Felder in strahlendem Gelb erleuchten, doch bei näherer Betrachtung ist Raps (Brassica napus) eine eher ungewöhnliche Pflanze: Er hat keine wilden Verwandten, denn Raps ist erst vor wenigen tausend Jahren aus einer zufälligen Kreuzung der Pflanzenarten Rübsen (Brassica rapa) und Kohl (Brassica oleracea) hervorgegangen.

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Aus Raps lässt sich Pflanzenöl gewinnen, aber auch Biodiesel herstellen. Die Reststoffen der Ölgewinnung, sind zudem ein proteinreiches Futter für Nutztiere.

Aus Raps lässt sich Pflanzenöl gewinnen, aber auch Biodiesel herstellen. Die Reststoffen der Ölgewinnung, sind zudem ein proteinreiches Futter für Nutztiere.

Bildquelle: © Kathleen Rekowski - Fotolia.com

Erst ein Meiosefehler machte diese Kreuzung fruchtbar

Kreuzt man zwei verschiedene Arten miteinander, sind die Nachkommen, also bei Pflanzen die Samen, nur äußerst selten fruchtbar. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich beide Chromosomensätze der Elternteile zufällig, vollständig verdoppeln. „Man kennt dieses Phänomen aus der Tierwelt: Pferd und Esel lassen sich kreuzen, doch ihre Nachkommen, die Maultiere sind nicht fruchtbar. Deren Genom setzt sich aus unterschiedlichen Chromosomen zusammen, die sich nicht paaren können“, erklärt Prof. Dr. Rod Snowdon von der Justus-Liebig-Universität Gießen, und weiter: „Treten während der Meiose jedoch Fehler auf, entsteht manchmal nicht wie gewohnt ein haploider, also einfacher Chromosomensatz in den Tochterzellen, sondern ein doppelter. Dann hat jedes Chromosom wieder einen Partner und kann sich weiter vermehren.“

Raps: Modell zur Entstehung einer Art

Alle heutigen Blühpflanzen sind aufgrund solcher Störungen während der Meiose entstanden, allerdings bereits vor vielen Millionen und nicht erst vor wenigen tausend Jahren. Wie dieser Evolutionsprozess beginnt, ist bisher noch unklar. Hier kann nun die Genomsequenz von Raps, die ein internationales Team von Wissenschaftler unter Beteiligung der Universität Gießen vollständig entschlüsselt hat, einzigartige Hinweise liefern. Eine neue Art entsteht unter anderem dann, wenn zwei verwandte, aber unterschiedliche Genome in einem Zellkern zum ersten Mal aufeinander treffen. Im Laufe der Zeit stoßen die Keimzellen immer mehr doppelte und damit überflüssige Genkopien ab oder ändern deren Funktion (siehe auch Genomduplikation auf Pflanzenforschung-Wissen). Die Rapspflanze steht evolutionär betrachtet noch ganz am Anfang ihrer Entstehungsgeschichte und ermöglicht den Wissenschaftlern damit wertvolle Einblicke in die Entstehung von Arten.

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Mit 101.000 Genen besitzt das Genom des Rapses mehr codierende Sequenzen, als alle Organismen, deren Genome bereits sequenziert wurden.

Mit 101.000 Genen besitzt das Genom des Rapses mehr codierende Sequenzen, als alle Organismen, deren Genome bereits sequenziert wurden.

Bildquelle: © Tanja Lidke/pixelio.de

Mehr Gene als alle Bisherigen

Die Rapspflanze hat offenbar auch noch keine großen Ambitionen, zu entrümpeln und unnötigen Ballast loszuwerden. Mit fast allen Genkopien der beiden Elternspezies hält der Raps einen weiteren Rekord: Die Pflanze besitzt mehr Gene als alle Organismen, deren Genome bis heute sequenziert wurden. Mit 101.000 Genen sind das zum Beispiel mehr als viermal so viele Gene wie ein Mensch besitzt (ca. 25.000).

Äußerst anpassungsfähige Nutzpflanze

Raps ist eine Pflanze, die sich trotz extrem geringer genetischer Vielfalt in kürzester Zeit an sehr unterschiedliche geographische und agrarökologische Gegebenheiten anpassen und dort behaupten konnte. Sie kommt in ganz Europa sowie in Nordamerika, Asien und Australien vor und dient als Grundlage von gesundheitsfördernden Pflanzenölen in der Ernährung und als Rohstoff für Biodiesel. Der nach der Ölgewinnung zurückbleibende Pressrückstand liefert zudem ein wertvolles, proteinreiches Tierfutter, das hierzulande als wichtigste heimische Alternative zu importiertem Sojaschrot gilt. Diese Mehrfachnutzung macht Raps zu einer begehrten Kulturpflanze.

Die besonders gute Anpassungsfähigkeit des Rapses ist ein Resultat zahlreicher, mehrfach vorkommender Genfunktionen aufgrund der Genomdopplung. Ungenaue Chromosomenpaarungen, die beim Raps daher häufig vorkommen, lösen vorteilhafte und unvorteilhafte Mutationen aus – und beschleunigen so die Evolution. Viele für die heutige Nutzung des Rapses wichtige Eigenschaften wurden unmittelbar nach der Artentstehung durch den Austausch von Chromosomenstücken gebildet und werden heute züchterisch weiter verbessert. „Raps verfügt zum Beispiel über die bisher höchste Zahl an funktionsfähigen Ölbiosynthesegenen – eine Eigenschaft, die vom Menschen unbewusst selektiert wurde“, so Snowdon.

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Die beteiligten deutschen Forscher wurden im Rahmen des PLANT 2030 Projekts PRE-BREED YIELD vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Das Projekt wird durch die Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ ermöglicht.
Mehr zum Projekt...

Die beteiligten deutschen Forscher wurden im Rahmen des PLANT 2030 Projekts PRE-BREED YIELD vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Das Projekt wird durch die Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ ermöglicht.
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Einblicke in die Familie der Kreuzblütler

Die Kenntnisse aus der Genomsequenzierung haben vor allem für die Züchtung neuer Ölrapssorten mit besserer Umweltverträglichkeit, erhöhtem Ertrag oder einer anderen Ölzusammensetzung eine große Bedeutung. „Die Genomsequenz von Raps liegt in einer sehr guten Qualität vor, sodass Wissenschaftlern und Züchtern eine hervorragende Arbeitsgrundlage zur Verfügung steht“, so Snowdon. Neben Raps liegen auch die Genomsequenzen anderer Kreuzblütler bereits vor.

Der prominenteste Vertreter unter ihnen ist die Modellpflanze Arabidopsis thaliana, deren Genom bereits seit dem Jahr 2000 vollständig vorliegt. Mittlerweile wurden zahlreiche Biotypen resequenziert, wodurch die Aufklärung der Gen-Funktions-Beziehungen erleichtert wird. Aber auch die Varietäten vom Gemüsekohl (Brassica oleracea) - wie beispielsweise Weißkohl, Rotkohl, Brokkoli - gehören zu den Kreuzblütlern und sind, wie Raps, agronomisch wichtige Kulturpflanzen. Das nun sequenzierte Genom des Rapses verhilft Wissenschaftlern über die vergleichende Genomanalyse zu neuen Einblicken nicht nur für die züchterische Bearbeitung von Raps, sondern innerhalb der Familie der Kreuzblütler.


Quelle:
Chalhoub et al. (2014): Early allopolyploid evolution in the post-neolithic Brassica napus oilseed genome. In: Science (22. August 2014), Vol. 345 no. 6199 pp. 950-953, DOI: 10.1126/science.1253435.

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Titelbild: Nach jahrelanger Arbeit haben Wissenschaftler nun das Genom des Raps entschlüsselt. (Bildquelle: © sp4764 - Fotolia.com)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030