Reiche Ernte - 10 Jahre Arabidopsis Genom Sequenzierung

20.04.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Arabidopsis professionell gezüchtet (Quelle: © GABI Geschäftsstelle)

Arabidopsis professionell gezüchtet (Quelle: © GABI Geschäftsstelle)

Unkräuter sind in der Regel kein Anlass zum Feiern. Dieses schon: Sein Name lautet Ackerschmalwand, besser bekannt als Arabidopsis thaliana. Gefeiert wird das zehnjährige Jubiläum der vollständigen Genomentschlüsselung sowie die Erfolge, die durch die Erforschung dieser kleinen Pflanze erreicht wurden. Eine Bestandsaufnahme über den Siegeszug einer kleinen, sehr berühmten Pflanze.

Was ist Arabidopsis thaliana?

Die Ackerschmalwand ist eine kleine, bis 30 Zentimeter hohe, krautige Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae). Sie ist einjährig (annuell) und hat eine sehr kurze Generationszeit, d. h. vom keimenden Samen über das Wachstum der Pflanze bis hin zur reifen Frucht vergehen gerade mal sechs Wochen. Diese kurze Generationszeit nutzt die Pflanze, um offene Standorte wie Brachen oder Ackerränder zu besiedeln und über diese Schnelligkeit Konkurrenten auszuschalten.

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Die Redaktion von Pflanzenforschung.de wünscht alles Gute zum Jubiläum und freut sich über viele weitere Berichte über Highlithts aus der Arabidopsis-Forschung!

Die Redaktion von Pflanzenforschung.de wünscht alles Gute zum Jubiläum und freut sich über viele weitere Berichte über Highlithts aus der Arabidopsis-Forschung!

Bildquelle: © iStockphoto.com/Graça Victoria

Die Ackerschmalwand hat sich vollständig auf den Menschen und die von ihm geschaffenen Biotope (Äcker, Brachen) eingestellt und ist damit in gewisser Weise von ihm abhängig. Wie andere Kulturfolger nutzt sie die Vorteile, die ihr die Nähe zum Menschen bringt, zum Beispiel das regelmäßige Umbrechen der Äcker (schaltet lästige Konkurrenten aus) oder das Entstehen von Freiflächen in städtischen Bereichen, die ideale Wachstumsbedingungen (Licht, Wärme, sandiger Boden, Trockenheit) bieten.

Was ist das Besondere an Arabidopsis thaliana?

In der Bioforschung ist Arabidopsis thaliana beliebt, weil sie ein „einfaches“ Genom mit 5 Chromosomenpaaren bestehend aus „nur“ etwa 135 Megabasenpaaren (125 Millionen Basenpaaren) besitzt, die 25.498 Gene codieren. Es ist das erste vollständig entschlüsselte Pflanzengenom überhaupt. Dieses wurde seit den 40er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts bearbeitet und im Jahr 2000 abgeschlossen. Trotz der relativ einfachen genetischen Bauweise ist Arabidopsis eine höhere Pflanze, kann also gut als Modellorganismus für andere Pflanzen genutzt werden, um mit ihr Versuche durchzuführen.

Bei einigen Nutzpflanzen (zum Beispiel Reis, Oryza sativa) sind etwa 70 Prozent der Gene eng mit Arabidopsis verwandt, so dass eine gute Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Aufgrund ihrer Genügsamkeit und ihrer geringen Größe ist sie leicht zu kultivieren. Wie die meisten einjährigen Pflanzen produziert sie viele Samen, auch durch Selbstbestäubung, was ihr in der Natur hilft, neue Standorte schnell zu besiedeln.

Für die Forschung stehen so reichlich Samen zur Verfügung, die ausgewertet werden können. Ihre kurze Generationszeit ermöglicht eine schnelle Kontrolle genetischer Veränderungen und die gezielte Untersuchung von Mutanten. Deshalb einigte man sich auf einen Modellorganismus wie Arabidopsis, an dem man die klassische Pflanzenforschung und die neuen genetischen Methoden zusammen führen konnte.

Geschichte der Erforschung von Arabidopsis thaliana

Entdeckt und erstmals beschrieben wurde Arabidopsis thaliana von Johannes Thal im 16. Jahrhundert im Harz. Daher stammt auch der Name ’thaliana’. Die erste Mutante wurde 1873 von Alexander Braun entdeckt, 1907 die Chromosomenzahl von Arabidopsis von dem deutschen Botaniker Friedrich Laibach bestimmt.

1943 erwähnte Laibach erstmals Arabidopsis als geeignetes Modell für seine Pflanzen-Experimente. Seine Forschungen und die seiner Doktorandin Erna Reinholz bestanden unter anderem aus der Untersuchung von Arabidopsis-Mutanten, die sie durch Röntgenstrahlung erzeugt hatten. Des weiteren sammelte Laibach 750 verschiedene Ökotypen von Arabidopsis aus der ganzen Welt. 

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Abbildung des Ackerschmalwands (Arabidopsis thaliana) mit Spross und Blütenstand.

Abbildung des Ackerschmalwands (Arabidopsis thaliana) mit Spross und Blütenstand.

Bildquelle: © GABI Geschäftsstelle

Aber erst mit dem Aufkommen der pflanzlichen Molekularbiologie in den letzten 20 Jahren hat sich Arabidopsis thaliana als geeigneter Modellorganismus entwickelt, da mit ihr leicht Mutationen erzeugt werden können, ebenso Transformationen von DNA über Agrobacterium tumefaciens (T-DNA).

Die Ergebnisse sämtlicher molekularbiologischer Untersuchungen werden in der internationalen Datenbank TAIR (The Arabidopsis Information Resource) festgehalten und jedermann zur Verfügung gestellt.

Was wurde bereits erforscht?

Die Erkenntnisse, die man seit der Entschlüsselung des Genoms von Arabidopsis thaliana gemacht hat, finden sich in vielen Bereichen der modernen Pflanzenwissenschaften, besonders in den Bereichen Pflanzenentwicklung, Genetik, Evolution, Populationsgenetik, Pflanzenphysiologie. Aber auch in die Bereiche der Humanbiologie reichen die gewonnenen Erkenntnisse.

Kleine RNAs

Durch das bekannte Genom von Arabidopsis konnten im Bereich kleiner RNA-Moleküle (sogenannte small RNAs) grundlegende Kenntnisse zu ihren Funktionen und ihrer Genese erzielt werden. Die Forschungen zu den ’small RNAs’ ermöglichten die Entwicklung von neuen Techniken zum ’Gen-Knock-Down’ (das gezielte Herunterfahren der Expression von Genen bis hin zum kompletten Ausschalten).

T-DNA

Arabidopsis hat neben neuen Forschungserkenntnissen auch die Techniken im Bereich der modernen Pflanzenwissenschaften revolutioniert. Besonders sind hier die über 300.000 Insertionslinien zu erwähnen, die in der sogenannten „T-DNA-Database“ gespeichert sind. Sie wurden durch Einfügen von „Fremd-DNA“ über Agrobacterium tumefaciens (ein Bodenbakterium, das Teile seiner DNA in die DNA von Pflanzen einbauen kann) in das Genom von Arabidopsis erzeugt. Sobald die Fremd-DNA (T-DNA) innerhalb eines funktionellen Gens von Arabidopsis eingebaut (inseriert) wurde, kann das Gen nicht mehr funktionieren (Gen-Knock-Down) und die Fremd-DNA ist so wieder auffindbar.

Durch das Fehlen dieses speziellen Gens können gleichzeitig Rückschlüsse über seine Funktion gezogen werden. Es lässt auch Rückschlüsse auf den jeweiligen Phänotyp zu (sogenannte ’reverse genetics’). Diese Techniken (funktionelle Genomanalyse) geben Aufschluss über die Funktion von Genen und stellen die Basis für eine züchterische Verbesserung von Pflanzeneigenschaften dar. Dies ist besonders wichtig in Hinsicht auf Nahrungsmittel- und Biospritproduktion.

ABC-Modell

Ein weiteres herausragendes Forschungsergebnis ist das ABC-Modell, nach dem verschiedene Genklassen (A, B, C) für die Ausprägung von bestimmten Blütenorganen wie Kelch- und Kronblätter, Staub- und Fruchtblätter zuständig sind. Dabei beeinflusst ’A’ Kelch- und Kronblätter, ’B’ beeinflusst Kron- und Staubblätter, ’C’ beeinflusst Staub- und Fruchtblätter.

Je nachdem welche Genfaktoren in welchen Kombinationen exprimiert werden, ändert sich der Blütenaufbau. Dieses Modell kann auf die meisten anderen Blütenpflanzen angewendet werden. Dazu kommen neue Erkenntnisse über die Funktion der Gene bei der Blühinduktion (Blütenbildung) von Pflanzen.

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Wichtige Vorteile von Arabidopsis sind der geringe Platzanspruch und schnelle Generationszeiten.

Wichtige Vorteile von Arabidopsis sind der geringe Platzanspruch und schnelle Generationszeiten.

Bildquelle: © GABI Geschäftsstelle

Phytochromsystem

Die Arbeit mit Arabidopsis sowie diversen Mutanten führte auch zu vielen Erkenntnissen über das Phytochromsystem von Pflanzen. Über Mutanten konnten unter anderem verschiedene Photorezeptoren (Cryptochrome, Phytochrome B) identifiziert werden. Die Kenntnisse der Gen-Sequenz ermöglichten weiterführend die Entdeckung von Cryptochrome sowohl in Tieren als auch im Menschen.

Chryptochrome dient bei Tieren sowohl als Photorezeptor als auch als wichtiger Regulator für biologische Rhythmen. Im Menschen dient das Cryptochrome nur als Komponente für den Biorhythmus. Defekte bei der Cryptochrome-Signalübertragung stehen im Verdacht, Auslöser verschiedener Krankheiten (z. B. Krebs) zu sein. In Arabidopsis wurden ebenfalls verschiedene Proteine entdeckt, die bei Tieren z. B. eine Rolle im Fettstoffwechsel spielen.

Shade-avoidance-syndrome (SAS)

Erkenntnisse über die Funktion der Phytochrome A, B, C und D waren auch hilfreich, um grundlegendes Verständnis über weitere Signalwege zu erlangen, die unter anderem Keimung und Photomorphogenese (Veränderung des Wachstums durch Lichteinfluss) steuern. Insbesondere bei der Photomorphogenese lieferte Arabidopsis Erkenntnisse darüber, wie Pflanzen ihr Wachstum ändern, wenn sie im Schatten einer anderen Pflanze stehen: Sie wachsen vermehrt in die Länge (Streckungswachstum), ein Wachstum von Seitentrieben wird zugunsten des Haupttriebes unterdrückt (Apikaldominanz). Dies nennt man das sogenannte shade-avoidance-syndrome (SAS), das durch Phytochrome gesteuert wird.

Die Phytochrome reagieren auf Unterschiede in der Intensität und dem Verhältnis von dunkel- zu hellrotem Licht. Die beschattende Pflanze lässt einen gewissen Anteil dunkelroten Lichtes durch, was ein Gebäude nicht tut. So kann die Pflanze unterscheiden, ob sie im Schatten einer anderen Pflanze (SAS wird ausgelöst) oder etwa eines Hauses steht (SAS wird nicht ausgelöst).  Diese Erkenntnisse werden zum Beispiel bei Kulturpflanzen genutzt, um bei dicht stehenden Individuen SAS zu verringern und damit ein übermäßiges Längenwachstum zugunsten anderer Pflanzenteile zu verhindern.

UPS (Ubiqitin-Proteasom-System)

Ubiquitin ist ein in allen eukaryotischen Zellen (’ubiquitär’) vorkommendes, kleines Protein, dass sich an andere Proteine koppelt und damit ihre Funktion reguliert (Ubiquitinierung). Es „entscheidet“ auch über den Abbau bestimmter Proteine, indem es sich in längeren Ketten an diese Proteine hängt (Polyubiquitinierung), die dann im sogenannten Proteasom abgebaut werden. Diesen Komplex bezeichnet man als das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS).

Er regelt Abbau und Modifikation von Proteinen und sorgt so dafür, dass die benötigten Proteine intakt sind und ihre Arbeit auch wirklich erledigen und somit die Funktionsfähigkeit der Zelle aufrechterhalten wird. Seine Funktion wird als sehr wichtig für das Immunsystem der Zelle aller eukaryotischen Lebewesen angesehen und ist im medizinischen Bereich Gegenstand zahlreicher Forschungen zu bestimmten Erkrankungen, insbesondere zu Krebs.

Studien mit Arabidopsis zeigen, dass in Pflanzen fast alle Aspekte der Pflanzenentwicklung (Embryogenese, Wachstum und Alterung, Hormonhaushalt, Reaktionen auf Umweltreize) über das UPS gesteuert werden.

Immunsystem von Pflanzen, PAMPs

Durch die Verwendung des Arabidopsis-Genoms haben sich tiefe Einblicke ergeben in Bezug auf die Widerstandskraft von Pflanzen gegenüber Krankheitserregern. Außerdem konnten die Genome der Arabidopsis-Krankheitserreger und ihrer Verwandten gleichfalls entschlüsselt werden.

Auch viele grundlegende Erkenntnisse über PAMPs (Pathogen-associated-molecular-patterns), also spezielle Moleküle von Erregern, die vom Immunsystem als „Bedrohung“ wahrgenommen werden und dieses aktivieren, und die Funktionswege innerhalb der Pflanze wurden durch Arabidopsis gewonnen.

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Der Blütenstand der Acherschmalwand.

Der Blütenstand der Acherschmalwand.

Bildquelle: © GABI Geschäftsstelle

Aufbau von Zellwänden

Hilfreich ist Arabidopsis auch bei der Erforschung von Enzymen, die am Aufbau von Zellwänden beteiligt sind. Sie eignet sich hierfür besonders, weil ihre Zellwände mit denen vieler anderer Pflanzen (insbesondere Nutzpflanzen) sehr gut vergleichbar sind.

Unter anderem wurden so viele Erkenntnisse über die am Aufbau von Zellwänden beteiligten Moleküle (Polysaccaride, Lipide), Pflanzenwachstum und Interaktionen mit der Umwelt gewonnen.

Photosynthese und Endosymbiotentheorie

Bei der Analyse des Arabidopsis-Genoms wurden viele Gene gefunden, die sich von Cyanobakterien her ableiten lassen. Dazu gehören vor allem Photosynthese-Enzyme sowie Komponenten des Elektronentransports.

Damit ergaben sich neue Einsichten in die Herkunft und Entwicklung von Chloroplasten (Endosymbiontentheorie). Des weiteren konnten durch das entschlüsselte Genom viele Informationen über die Stoffwechselabläufe (u. a. Photorespiration, Stärkesynthese) gewonnen werden.

Wie geht es weiter?

Auch in Zukunft werden die Möglichkeiten, die sich durch Arabidopsis thaliana ergeben haben, zu vielen neuen Erkenntnissen führen. Betrachtet man die anstehenden Problematiken wie Überbevölkerung und Klimawandel, wird verständlich, wie wichtig eine intensive Forschung zur Anpassungsfähigkeit und Ertragssteigerung von Pflanzen ist. Dazu kann das kleine Ackerunkraut noch eine Menge beitragen.


  • Zum Interview mit Prof. Thomas Altmann, Direktor am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben über die Bedeutung von Arabidopsis für die Forschung an Kultutpflanzen.
  • Quelle und Anregung zum Lesen für Spezialisten und die, die es werden wollen: Plant Journal: Volume 61 Issue 6 (March 2010); Special Issue: SPECIAL ISSUE Arabidopsis: A rich harvest 10 years after completion of the genome sequence
  • Anregungen zum Weiterlesen: