Schief gewachsen: Auxin beeinflusst Blattform

02.07.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Tomatenblätter wachsen spiralförmig und neigen sich dabei in Richtung der Wachstumsspirale. (Quelle: © iStockphoto.com/ bergamont)

Tomatenblätter wachsen spiralförmig und neigen sich dabei in Richtung der Wachstumsspirale. (Quelle: © iStockphoto.com/ bergamont)

Blätter von Tomaten und Arabidopsispflanzen wachsen asymmetrisch. Ursache hierfür ist eine ungleiche Verteilung des Wachstumshormons Auxin in der Blattanlage. Auxin regelt, wo am Stängel neue Blätter entstehen und beeinflusst dadurch auch die Blattform.

Die Blätter vieler Pflanzen scheinen auf den ersten Blick nahezu symmetrisch zu sein. Ein internationales Forscherteam hat am Beispiel von Tomaten- (Solanum lycopersicum) und Arabidopsispflanzen nun herausgefunden, dass diese Blätter in Wirklichkeit asymmetrisch sind. Die Blattform wird demnach durch die Spiralbewegung bei der Blattentwicklung beeinflusst.

Wachstum im Goldenen Winkel

Betrachtet man Tomatenpflanzen oder Pflanzen der Modellpflanze Arabidopsis, so stellt man fest, dass sich die Blätter spiralförmig um die Sprossachse winden. Diese Blattstellung ist Ergebnis eines artspezifischen genetischen Plans – der Phyllotaxis. Ein neues Blatt entsteht am Meristem, dem teilungsaktiven Gewebe am äußersten Ende der Sprossachse oder der Seitensprosse. Wo genau sich das neue Blatt ausbildet, darüber entscheidet eine lokal hohe Konzentration des Wachstumshormons Auxin. Ist die Blattbildung abgeschlossen, sinkt die Auxinkonzentration an dieser Stelle ab und steigt an einer anderen Stelle der Sprossachse erneut an, um dort die Entstehung eines neuen Blattes einzuleiten. Dabei scheint es für spiralförmig wachsende Pflanzen eine Gesetzmäßigkeit zu geben, in welchem Abstand bzw. in welchem Winkel ein neues Blatt zum davor gewachsenen Blatt entsteht: im Abstand von 137 Grad – dem „Goldenen Schnitt", der mit der sogenannten Fibonacci-Folge zusammenhängt.

Linksspirale erzeugt linkshändige Blätter 

Die Forscher fanden nun heraus, dass die Richtung der phyllotaktischen Wachstumsspirale, die darüber entscheidet, ob die neuen Blätter jeweils links oder rechts vom älteren Blatt entstehen, auch Einfluss auf die Blattform hat. So scheinen Blätter, die links vom jeweils älteren Blatt entstehen, stärker links geneigt zu sein. Die Blätter sind dann sozusagen, „linkshändig“. Läuft die Blattspirale rechtsherum, werden die Blätter „rechtshändig“. Auslöser für diese charakteristische Asymmetrie scheint die schwankende Konzentration des Wachstumshormons Auxin bei der Blattentwicklung zu sein. 

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Tomatenpflanzen haben asymmetrische Blätter. Wie die Wissenschaftler herausfanden, beeinflusst eine ungleiche Verteilung des Wachstumshormons Auxin in der Blattanlage die Blattform der Pflanzen.

Tomatenpflanzen haben asymmetrische Blätter. Wie die Wissenschaftler herausfanden, beeinflusst eine ungleiche Verteilung des Wachstumshormons Auxin in der Blattanlage die Blattform der Pflanzen.

Bildquelle: © Goldlocki / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Auxin beeinflusst „Händigkeit"

Um diese These zu überprüfen, entwickelten die Forscher ein Modell, mit dem sie die Anatomie der sich ausbildenden Blätter und die lokalen Auxinkonzentrationen im Blatt abbildeten. Dabei stellten sie fest, dass das Auxin im Meristem bzw. der entstehenden Blattanlage (Primordium) nicht gleichmäßig verteilt ist. Mit dem Auxin-Reporterprotein DR5 wiesen sie die ungleiche Genexpression von Auxin in verschiedenen Bereichen des Meristems empirisch nach. Und tatsächlich ließen sich in Experimenten mit jungen Blättern morphologische Unterschiede in der Länge der linken und rechten Blatthälfte messen. Die Blätter waren in Richtung der Spiralbewegung gebogen. Die Forscher konnten sogar selbst eine asymmetrische Blattentwicklung hervorrufen, indem sie eine Seite der Blattanlage von Tomaten- und Arabidopsisblättern gezielt mit Auxin impften. 

Vielfalt in Ordnung

Die Asymmetrie von Blättern wurde bisher übersehen. Die vorliegende Studie zeigt am Beispiel von Tomaten und Arabidopsis thaliana auf, wie sich die spiralförmige phyllotaktische Blattentwicklung auf die Blattform auswirkt und welche bedeutende Rolle dabei das Wachstumshormon Auxin spielt. Dies lässt darauf schließen, dass asymmetrische Blätter in der Natur viel häufiger vorkommen als bisher bekannt war. Durch das Studium dieser Asymmetrien werden wir die Mechanismen besser verstehen, nach denen Pflanzen so vielseitige Blattformen in doch so regelmäßiger Anordnung hervorbringen. 

Die Blattform und die Ausrichtung der Blätter um die Sprossachse herum beeinflussen zentrale Eigenschaften der Pflanze, wie etwa den Ertrag. Denn sie entscheiden darüber, wie viel Licht auf die einzelnen Blätter fällt und mittels Photosynthese in Kohlenhydrate umgewandelt werden kann. Das Wissen um diese Entwicklungsmechanismen liefert daher interessante Ansatzpunkte für die Züchtung ertragreicher Nutzpflanzen. 


Quelle:

Chitwood, D.H. et al. (2012): Leaf Asymmetry as a Developmental Constraint Imposed by Auxin-Dependent Phyllotactic Patterning. In: The Plant Cell, Vol. 24: 1–10 (Juni 2012), doi: http://dx.doi.org/10.1105/tpc.112.098798.

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