So steuern Früchte ihre Reifung

Drei Feedback-Kreisläufe regulieren die Ethylensynthese

17.10.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bei der Reifung von Äpfeln spielen die MADS-Transkriptionsfaktoren eine Rolle. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Bei der Reifung von Äpfeln spielen die MADS-Transkriptionsfaktoren eine Rolle. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Saftfrüchte haben im Laufe der Evolution mehrere Mechanismen entwickelt, um die Reifung zu regulieren. Jetzt haben Pflanzenforscher die molekularen Grundlagen entschlüsselt. Sie umfassen Genomverdoppelungen und Einflüsse des Epigenoms.

Bedecktsamer bilden die größte Gruppe der Pflanzen. Innerhalb dieser Gruppe war es ein großer evolutionärer Fortschritt, als sogenannte Saftfrüchte entstanden: Wurden Samenkörner von Trockenfrüchten zuvor nur durch einen mechanischen Ausstoß, Wind oder den Kontakt mit Tieren verbreitet, vergrößerte sich nun der Radius der Verbreitung deutlich: Tiere, die die Früchte der Saftfrüchte verzehren, scheiden die unverdauten Samen nach einiger Zeit wieder aus – und das dann oft an weit entfernten Orten. Das verringert Konkurrenz zwischen Pflanzeneltern und ihren Nachkommen und verbesserte den Fortpflanzungs- und Verbreitungserfolg der Saftfrüchte.

Von zentraler Bedeutung ist für die Saftfrüchte dabei die Regulation der Reifung. Verschiedene klimakterische (nachreifende) Saftfrüchte haben trotz unabhängiger Evolution das Pflanzenhormon Ethylen als Reifungssignal. Es löst den Prozess aus, der Farbe, Textur, Geschmack und Nährwert der Frucht verändert. In zu großer Menge bewirkt Ethylen jedoch den Verfall der Frucht. Ein internationales Forschungsteam hat nun herausgefunden, wie Pflanzen die Synthese von Ethylen und die mit der Reifung verbundenen Signale steuern.

Umfangreiche Datenbasis durch „fruitENCODE“

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Bei der Reifung von Melonen hat der NAC-Transkriptionsfaktor eine regulatorische Funktion übernommen.

Bei der Reifung von Melonen hat der NAC-Transkriptionsfaktor eine regulatorische Funktion übernommen.

Bildquelle: © Pixabay/CC0

Als Grundlage dienten den Pflanzenforschern um Silin Zhong von der Chinese University of Hong Kong die Daten aus dem Projekt „fruitENCODE“, das ähnlich wie das humane „ENCODE“-Projekt nicht nur Gene, sondern umfassend die DNA-Informationen analysiert. Dazu gehören die Genexpression, die DNA-Methylierung, Veränderungen der Histone, die Zugänglichkeit der Chromatinregionen und Bindungsstellen für die Interaktion von Proteinen mit der DNA.

Insgesamt umfassen die Daten 361 Transkriptome, 71 Chromatin-, 147 Histon- und 45 DNA-Methylierungsprofile, die mittels verschiedener Sequenzierungsmethoden gewonnen wurden (whole genome bisulfite sequencing, ChIP-Seq, Dnase I-Seq und RNA-Seq).

In den Daten entdeckten die Wissenschaftler drei unterschiedliche transkriptionelle Regelkreise für die Fruchtreifung in klimakterischen Saftfrüchten:

1. Eudikotyledonen wie Tomate, Apfel und Birne, die in ihrer Evolution eine Genomduplikation erfahren haben, nutzen die duplizierten MADS-Transkriptionsfaktoren.

2. Arten ohne Genomduplikation wie Pfirsich, Papaya und Melone verwenden die eigentlich für die Seneszenz relevanten NAC-Transkriptionsfaktoren.

3. Einen dritten Fall bildet die monokotyledone Banane, bei der eine Genomverdoppelung vorliegt und die beide regulatorischen Kreise miteinander verbindet. So kann sie nach Beginn der Reifung Ethylen-Inhibitoren umgehen.

Außerdem stellte sich heraus, dass die beteiligten Gene und ihre epigenetische Regulation auch in nichtklimakterischen und sogar in Trockenfrüchten existieren. Das lässt auf einen gemeinsamen Ursprung in Regulationsprozessen mit anderer Funktion in evolutionär älteren Bedecktsamern schließen.

Drei Mechanismen im Detail analysiert

Im Detail fand die Studie, dass in Variante 1 der Ethylen-Transkriptionsfaktor EIN3 und die MADS-Box-Transkriptionsfaktoren RIN-TAGL1 im duplizierten Genom ihre Funktion geändert haben. Sie bilden eine positive Rückkopplungsschleife, die autokatalytisch System-II-Ethylen synthetisiert. Der RIN-TAGL1-Komplex interagiert außerdem mit bekannten Reifungsgenen.

Für die zweite Variante stellten die Forscher fest, dass der NAC-Promoter DHS über eine Bindungsstelle für EIN3 verfügt. Die Pflanzen dieser Gruppe haben ohne Genomduplikat demnach nicht die MADS-Gene umfunktionalisiert, sondern NAC einer weiteren Verwendung zugeführt: Es erfüllt in der positiven Rückkopplungsschleife der Ethylen-Synthese die gleiche Aufgabe wie die MADS-Gene in Variante 1. Außerdem zeigte sich, dass der NAC-Transkriptionsfaktor an den Promoter wichtiger Reifungsgene bindet.

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Die Banane kann nach Beginn der Reifung Ethylen-Inhibitoren umgehen. Die Früchte können daher nachreifen.

Die Banane kann nach Beginn der Reifung Ethylen-Inhibitoren umgehen. Die Früchte können daher nachreifen.

Bildquelle: © Feliz Photo / Fotolia.com

Histonmethylierung evolutionär konserviert

Eine zentrale Rolle in beiden Varianten spielt vermutlich die Histonmethylierung H3K27me3: Sowohl die Gene der MADS-Rückkopplungsschleife als auch der NAC-Schleife sind mit ihr assoziiert – obwohl beide Mechanismen sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Da H3K27me3 auch im Fall der Banane beteiligt ist, die beide Schleifen verflochten hat, folgern die Forscher, dass diese epigenetische Regulation sowohl in Eudikotyledonen wie in Monokotyledonen konserviert ist.

Auch die zur Fruchtreifung orthologen Gene in Trockenfrüchten und nichtklimakterischen Früchten sind mit H3K27me3 assoziiert. Dort sind sie an Seneszenz und Blütenentwicklung beteiligt. Aus diesen regulatorischen Wegen könnten sich im Zuge der Evolution die Ethylen-Regulationskreise der Saftfrüchte entwickelt haben.

Wenn so komplexe Merkmale wie die Fruchtreifung sich mehrfach in ähnlichen Bahnen entwickeln, deutet das auf starke Zwänge hin. Das könnte zum einen die begrenzte Auswahl an Alternativen zu Ethylen sein, das als Signalmolekül leicht von Zelle zu Zelle diffundieren kann. Im Fall der Pflanzen ohne Genomduplikation könnte hinzukommen, dass im Fruchtblattgewebe nur eine begrenzte Auswahl an Transkriptionsfaktoren verfügbar ist. Eine Rolle der DNA-Methylierung für die Regulation der Reifung, wie sie von der Tomate bekannt ist, konnte die Forscher übrigens für keine der weiteren untersuchten Früchte nachweisen.

Die Forscher erhoffen sich nun, dass das bessere Verständnis der cis-regulatorischen Elemente der Reifung praktisch genutzt werden kann. Wenn man diese Signalwege kontrollieren könnte, ließe sich ohne Beeinträchtigung des generellen Reifungsprozesses der Transport und die Lagerung von Früchten erleichtern und ihr Nährwert optimieren.


Quellen:

  • Scossa, F. und Fernie, A.R. (2018): How fruit ripening is ENCODEd. In: Nature Plants 4, 744–745, (online 24. September 2018), doi: 10.1038/s41477-018-0272-0.
  • Lü, P. et al. (2018): Genome encode analyses reveal the basis of convergent evolution of fleshy fruit ripening. In: Nature Plants 4, 784–791, (online 24. September 2018), doi: 10.1038/s41477-018-0249-z.

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Titelbild: Bei der Reifung von Äpfeln spielen die MADS-Transkriptionsfaktoren eine Rolle. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)