Spelzmais ist kein Vorfahre des heutigen Maises

27.04.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais ist eine wichtige Nutzpflanze. (Quelle: © iStockphoto.com/ Noam Armonn)

Mais ist eine wichtige Nutzpflanze. (Quelle: © iStockphoto.com/ Noam Armonn)

Beim Spelzmais, einer Maisvariante, liegen die Körner nicht frei auf dem Kolben, sondern sind von Spelzen (Blättern) umhüllt. Es wurde vermutet, dass diese Variante die Urform von Mais sein könnte. Deutsche Wissenschaftler haben dies nun widerlegt und gezeigt, dass Spelzmais nur eine Mutante ist.

Der Phänotyp von Spelzmais ist außergewöhnlich: Alle Maiskörner sind von dünnen Blättern, sogenannten Spelzen umgeben. Dass die Blütenstände Blätter ausbilden ist äußerst ungewöhnlich. Es hat zu der Annahme verleitet, dass es sich bei dieser Variante um den Wildtyp von unserem domestizierten Mais handeln könnte. Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena ist es nun gelungen zu zeigen, dass Spelzmais durch eine Mutation entstanden ist.

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Spelzmais (oben) bildet um jedes Korn auf dem Kolben Spelzen. 

Spelzmais (oben) bildet um jedes Korn auf dem Kolben Spelzen. 

Bildquelle: © Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung/Grosardt

Genexpression an der falschen Stelle

Dabei untersuchten die Forscher die Gene des Maises und fanden ein Blatt-Gen (ZMM19), welches normalerweise in den Blütenständen nicht aktiv ist. Das Entwicklungskontrollgen ZMM19 gehört zur Gruppe der MADS-Box-Gene, die komplexe Entwicklungsprozesse in Pflanzen steuern, z.B. die Blütenbildung. Durch eine dominante Gain-of-function-Mutation, also eine Mutation bei der ein Gen an Aktivität gewinnt, entstand der neue Phänotyp. Die Veränderung des Maiserbgutes erfolgt durch ein fehlerhaftes Ablesen (Transkription) der Gene, was dazu führt, dass das Blatt-Gen fälschlicherweise in den Blütenständen abgelesen wird. Dadurch bildet der Mais Blätter an der falschen Stelle.

Der Effekt kann jedoch stärker oder schwächer ausfallen. Je nachdem, ob das Gen auf den Chromosomen einfach oder doppelt auftritt. Die Blattentwicklung wird dadurch beeinflusst, wie häufig das Gen in der Pflanze auftritt und abgelesen wird. Die Maiskörner werden dann von größeren oder kleineren Spelzen umhüllt.  

Wie verbreitete sich die Mutation?

Für manche Indianerstämme hatte die außergewöhnliche Maissorte eine religiöse Bedeutung. Medizinmänner nutzen die Mais-Variante zu rituellen Zwecken, da man ihr magische und heilende Eigenschaften zuschrieb. Dies hat vermutlich zur Verbreitung von Spelzmais geführt, der sonst als wertlos erachtet worden wäre.

Seit zwei Jahrhunderten spekulierten Naturwissenschaftler darüber, ob der Spelzmais die ursprüngliche Form von dem heute verbreiteten, kultivierten Mais ist. Nun weiß man, dass der wilde Vorfahre des heute üblichen Maises das Süßgras Teosinte ist. Die nun vorliegende Studie erbringt einen weiteren Beweis, dass an diesem mittlerweile etablierten Wissen festgehalten werden kann. Von Bedeutung sind diese Verwandtschaftsbeziehungen und das Wissen um die Urformen auch bei der Suche nach Resistenzmechanismen, z.B. gegen Pflanzenkrankheiten oder deren Adaption an widrige Umweltbedingungen. Da die Wildformen nicht vom Menschen gehegt und gepflegt werden, ist deren Robustheit oft besser ausgeprägt.  


Quelle:
Wingen, L. U. et al. (2012): Molecular genetic basis of pod corn (Tunicate maize). In: PNAS, online 18. April 2012, doi: 10.1073/pnas.1111670109.

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