Springendes Gen macht Pflanzen zu Frühblühern

Genetische Anpassung ermöglicht frühe Blüte trotz Kälte

02.11.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Erst wenn die Temperatur stimmt, leiten Pflanzen die Blütenbildung ein. (Bildquelle: © iStock.com/TGG)

Erst wenn die Temperatur stimmt, leiten Pflanzen die Blütenbildung ein. (Bildquelle: © iStock.com/TGG)

Eine schottische Variante der Ackerschmalwand blüht trotz Kälte früher, als ihre hiesigen Verwandten. Ein springendes Gen machte diese Anpassung an kältere Regionen möglich. Das genetische Merkmal könnte helfen, die Blühperiode von Pflanzen besser vorherzusagen oder auch zu verändern.

Die Blüte gehört zum kräftezehrendsten Ereignis einer Pflanze und erfordert akkurates Timing. Verpassen Pflanzen den optimalen Zeitpunkt oder blühen sie zu früh, können Früchte und Samen nicht heranreifen und es gibt keine Nachkommen. In der Landwirtschaft kann das den Ausfall einer ganzen Erntesaison bedeuten.

Experten sind sich sicher, dass gerade mit Blick auf die globale Erderwärmung Anpassungsprozesse an die Jahresrhythmen und die Temperatur für unsere Kulturpflanzen eine immer größere Rolle spielen. Die moderne Landwirtschaft hat deshalb ein großes Interesse daran, zu verstehen, wie Pflanzen ihre Blühperioden verschieben und anpassen können.

Wie erkennen Pflanzen, ob die Temperatur stimmt?

Eine ungelöste Frage der Pflanzenforschung ist jedoch nach wie vor, wie Pflanzen Temperaturreize in molekulare Signale übersetzen. Eine überraschende Entdeckung, die zur Lösung des Rätsels beitragen könnte, kommt aus dem kühlen Schottland. Eine Variante der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) „Killean-0“, blüht in den kühlen Temperaturen zwei Wochen früher, als ihre hiesigen Verwandten, wie Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), des Max-Planck-Institutes für Entwicklungsbiologie und des Helmholtz-Zentrums München feststellten. Normalerweise reagieren Pflanzen auf einen besonders kalten Frühling mit einer Verzögerung der Blüte.

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In manchen Varianten der Ackerschmalwand sorgt ein springendes Gen für eine frühe Blüte.

In manchen Varianten der Ackerschmalwand sorgt ein springendes Gen für eine frühe Blüte.

Bildquelle: © Nina/ wikimedia.org/ CC BY 3.0

Weniger FLM-β macht Kil-0 zum Frühblüher

Schuld an ihrem untypischen Blühverhalten ist ein springendes Gen im Genort Flowering Locus M (FLM). Erst vor zwei Jahren entdeckten die Forscher des MPIs für Entwicklungsbiologie, dass FLM beim Temperaturabhängigen Blühverhalten von Pflanzen eine entscheidende Rolle zukommt. Durch einen Mechanismus, der als „alternatives Spleißen“ bekannt ist, kodiert dasselbe Gen gleich drei unterschiedliche Proteinvarianten: Neben der ursprünglichen Form des Proteins, FLM-α, entstehen zusätzlich die Varianten FLM-β und FLM-δ.

FLM-β und FLM-δ scheinen den Blühzeitpunkt in komplett gegensätzlicher Weise zu beeinflussen: FLM-β unterdrückt die Blühinduktion, indem er die Aktivierung wichtiger Blühgene verhindert.

Das Kil-0 Merkmal macht den Zeitpunkt der Blüte vorhersagbar

In der schottischen Ackerschmalwand sorgt ein springendes Gen im FLM-Gen dafür, dass der Blührepressor FLM-β nur in geringen Mengen hergestellt wird. Weil der Repressor fehlt, blüht die Pflanze früher.

Die Wissenschaftler konnten außerdem zeigen, dass sich die neu entdeckte Genveränderung bereits weltweit in anderen Varianten der Ackerschmalwand durchgesetzt hat. Das Vorhandensein des springenden Gens erlaubt sogar, das Blühverhalten der Ackerschmalwand mit hoher Präzision vorherzusagen.

Nutzpflanzen müssen mit dem Klimawandel Schritt halten

Zukünftig sollte es deshalb auch möglich sein, das frühe Blühverhalten auf andere Nutzpflanzen zu übertragen, um sie besser und möglichst schneller an die Temperaturveränderungen des Klimawandels anzupassen. Claus Schwechheimer, der den Lehrstuhl für Systembiologie der Pflanzen an der TUM innehat, sagt dazu: „Mit unserer Forschung liefern wir einen Beitrag dazu, die ökologischen Folgen der Klimawandels abschätzen zu können, denn die Erderwärmung wird bei vielen Pflanzen ein verändertes Blüteverhalten mit sich bringen. Die Auswirkungen dieser Temperaturveränderung auf die Pflanzenwelt, aber auch auf die von ihnen abhängigen Lebewesen, müssen wir Forscher besser verstehen.“