Stickstoffdüngung neu gedacht

Erste Schritte auf dem Weg zu klimafreundlicheren Ansätzen

14.03.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Stickstoffdünger steigert die Leistungsfähigkeit der Böden, belastet aber auch das Grundwasser. (Bildquelle: © Dusan Kostic / Fotolia.com)

Stickstoffdünger steigert die Leistungsfähigkeit der Böden, belastet aber auch das Grundwasser. (Bildquelle: © Dusan Kostic / Fotolia.com)

Stickstoff ist als Dünger für die globale Ernährungssicherheit unerlässlich, aber für Grundwasser und Klima auch höchst problematisch. Forscher suchen daher nach energieeffizienteren Produktionsverfahren für Stickstoffdünger. Oder sie versuchen Pflanzen zu erzeugen, die den Stickstoff direkt aus der Luft verwenden können. Der Weg dorthin ist noch lang.

Stickstoff ist der häufigste limitierende Faktor für das pflanzliche Wachstum. Ist er in ausreichender Menge vorhanden, verdoppelt er Schätzungen zufolge die Ertragspotenziale der Landwirtschaft. Zwar macht molekularer Stickstoff mehr als drei Viertel der Atmosphäre aus, doch können Pflanzen ihn in dieser Form nicht aufnehmen und verwerten. Einige Arten wie Klee und andere Schmetterlingsblütler haben das Problem gelöst, indem sie Symbiosen mit Stickstoff fixierenden Mikroorganismen eingegangen sind. Diese besitzen das Enzym Nitrogenase, das den atmosphärischen Stickstoff in Ammoniumverbindungen umwandelt – eine für Pflanzen nutzbare Form des Stickstoffs.

Bei allen anderen Kulturpflanzen wie Mais, Getreide, Zuckerrüben und Raps ist die Landwirtschaft aber auf Stickstoffdünger angewiesen, der vor allem durch die sogenannte Haber-Bosch-Synthese erzeugt wird. Die jedoch ist für die Emission von enormen Mengen an Treibhausgasen verantwortlich.

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Diese Ammoniak-Synthesekammer gehört heute zum Deutschen Chemie-Museum Merseberg. Sie war 1916/17 eine der ersten Anlagen zur großtechnischen Ammoniaksynthese.

Diese Ammoniak-Synthesekammer gehört heute zum Deutschen Chemie-Museum Merseberg. Sie war 1916/17 eine der ersten Anlagen zur großtechnischen Ammoniaksynthese.

Bildquelle: © Reinhard Ferdinand / wikimedia.org/ CC0

Haber-Bosch-Synthese benötigt extreme Reaktionsbedingungen

Das mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnete Haber-Bosch-Verfahren bricht mithilfe eines metallischen Katalysators die starke Bindung der beiden Atome des molekularen Stickstoffs auf und erzeugt in der Reaktion mit Wasserstoff Ammoniak. Das Problem sind dabei nicht das Eisen oder das Ruthenium, die als Katalysatoren benötigt werden. Der Prozess erfordert einen hohen Druck von bis zu 350 bar und bei Einsatz von Eisen als Katalysator Temperaturen von bis zu 500 °C. Entsprechend hoch ist der Energiebedarf der Stickstoffdüngerherstellung: Er wird auf zwei Prozent des weltweiten kommerziellen Energiebedarfs geschätzt.

Auf der Suche nach energetisch günstigeren Alternativen haben sich Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zunächst das Enzym Nitrogenase näher angesehen. Das Molekül verrichtet seine Arbeit bei normalem Druck und Raumtemperatur. Es benötigt dazu die Übergangsmetalle Eisen und Molybdän als Katalysatoren. Sie geben Elektronen an das Stickstoffmolekül ab und spalten es so. Möglich ist das, weil die Räume, in denen sich die äußeren Elektronen der beiden Übergangsmetalle aufhalten, in ihrer Form und ihrer Energie den Räumen der äußeren Elektronen des Stickstoffmoleküls stark ähneln. Überlappen diese sogenannten Orbitale, können die Elektronen zum Stickstoff wechseln.

Borylen funktioniert bei milden Bedingungen

„Bislang ist es noch nicht gelungen, eine Art Nitrogenase nachzubauen“, erläutert Holger Braunschweig, der die Studie leitete. „Wir haben daher nach einer Alternative gesucht: einem Molekül, das die Spaltung katalysieren kann und dabei nicht auf Übergangsmetallen basiert.“ Bei bestimmten Verbindungen des Elements Bor, sogenannten Borylenen, sind die Forscher fündig geworden. Anhand von quantenchemischen Berechnungen haben sie ein Borylenmolekül entworfen, das günstige Orbitaleigenschaften aufweist.

Tatsächlich konnte das Team zeigen, dass das so synthetisierte Borylen in der Lage ist, bei Raumtemperatur und Normaldruck Stickstoff zu binden. „Wir konnten zum ersten Mal nachweisen, dass auch nichtmetallische Verbindungen diesen Schritt bewerkstelligen können“, betont Marc-André Légaré, der das Molekül designt hat. Als nächstes will das Team nun klären, wie der reduzierte Stickstoff vom Borylen wieder gelöst werden kann – denn nur wenn das gelingt, eignet sich das Molekül als Katalysator. Ob und wann der Ansatz zu einer energetisch günstigeren Alternative zum Haber-Bosch-Verfahren führen wird, ist daher noch unklar.

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Ein Stickstoff-Molekül (blau) hat an zwei Borylen-Moleküle (grau) gebunden. Die an der Bindung beteiligten Bor-Atome des Borylens sind in der Darstellung grün eingefärbt.

Ein Stickstoff-Molekül (blau) hat an zwei Borylen-Moleküle (grau) gebunden. Die an der Bindung beteiligten Bor-Atome des Borylens sind in der Darstellung grün eingefärbt.

Bildquelle: © Dr. Rian Dewhurst, JMU

Auf dem Weg zu Stickstoff bindenden Pflanzen

Stickstoffdüngung steigert aber nicht nur den Ertrag, sondern belastet bei falscher Dosierungen und fehlender Winterbegrünung häufig das Grundwasser durch Einsickerung von Nitrat. Allein in den USA werden die jährlichen Schäden infolge der Stickstoffdüngung auf 157 Milliarden US-Dollar geschätzt. Daher verfolgt die Wissenschaft noch einen zweiten Ansatz: Sie will Pflanzen die Fähigkeit mancher Bakterien verleihen, Stickstoff selbst aus der Luft zu binden. Dazu müsste die Pflanze die genetischen Anlagen erhalten, eine Nitrogenase zu produzieren, die in ihren Zellen auch tatsächlich funktioniert. Denn das Enzym ist sauerstoffempfindlich und zudem sehr komplex aufgebaut: Im Fall der am besten untersuchten Molybdän-Nitrogenase besteht es aus sechs Proteinen und weiteren Kofaktoren. 

Spanischen Forschern ist es 2016 gelungen, mittels Gentransfer eine aktive Nitrogenase sowohl im Bakterium Acetobacter vinelandii als auch in der Bäckerhefe zu erzeugen. Weitere Forschungsgruppen haben seitdem Tabakpflanzen dazu gebracht, einen Teil der nötigen Proteine in den Chloroplasten oder Mitochondrien herzustellen. Auch die bakterielle Elektronentransportkette, die erforderlich ist, damit die Nitrogenase ihre Arbeit verrichtet, kann durch ein pflanzliches Äquivalent ersetzt werden, wie US-Wissenschaftler nachwiesen.

Zeitrahmen von Jahrzehnten

Weitere Forschung soll nun klären, welche Gene für die Funktion des Enzyms unabdingbar sind und ob es am besten in den Chloroplasten oder den Mitochondrien produziert werden sollte. Dann stellt sich immer noch die Frage, ob diese veränderten Pflanzen auch unter Feldbedingungen wirklich ausreichende Mengen Stickstoff aus der Luft binden können. In einer kürzlich in „Science“ veröffentlichten Analyse geht der Autor von einem Zeitrahmen von Jahrzehnten aus, bis das Ziel erreicht werden könnte. Ein Grund: Die weltweiten Ausgaben für solche Forschungsarbeiten betragen im Moment lediglich zwischen fünf und zehn Millionen US-Dollar pro Jahr – ein winziger Bruchteil dessen, was die Landwirtschaft heute für die Stickstoffdüngung ausgibt.


Quellen:

  • Légaré, M.-A. et al. (2018): Nitrogen fixation and reduction at boron. In: Science 359, 896–900, (5. März 2018), doi: 10.1126/science.aaq1684.
  • Good, A. (2018): Toward nitrogen-fixing plants. In: Science 359, 869-870, (25. Februar 2018), doi: 10.1126/science.aas8737.

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Titelbild: Stickstoffdünger steigert die Leistungsfähigkeit der Böden, belastet aber auch das Grundwasser. (Bildquelle: © Dusan Kostic / Fotolia.com)