„Symbiose ist wie eine Geschäftsbeziehung“

Interview mit Dr. Stephanie Werner

13.07.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Fluoreszenzbild zeigt eine mykorrhizierte Wurzelspitze im Querschnitt. Man sieht, wie sich die Hyphen des Ektomykorrhizapilzes (grün) an der Wurzel (rot) ausbreiten. (Bildquelle: Stephanie Werner/IPB)

Das Fluoreszenzbild zeigt eine mykorrhizierte Wurzelspitze im Querschnitt. Man sieht, wie sich die Hyphen des Ektomykorrhizapilzes (grün) an der Wurzel (rot) ausbreiten. (Bildquelle: Stephanie Werner/IPB)

Mykorrhiza ist eine spezielle Symbiose, bei der ein Pilz mit dem Wurzelsystem einer Pflanze in engem Kontakt und Stoffaustausch steht. Wir sprachen mit Dr. Stephanie Werner über die Eigenarten der Mykorrhizapilze, ihre Bedeutung für die Gesundheit der Pflanzen und wie diese Symbiosen zum Wohle der Pflanze gezielt gesteuert werden können. Sie forscht auf diesem Gebiet derzeit als Postdoc am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle.

Pflanzenforschung.de: Frau Dr. Werner, wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Werner: Angefangen habe ich meine wissenschaftliche Karriere eigentlich mit der typischen Modellpflanze Arabidopsis thaliana. In meinem Studium lag der Schwerpunkt auf Botanik und Pflanzenbiochemie. 2014 nahm ich jedoch eine Postdoc-Stelle an der Georg-August-Universität Göttingen in der Abteilung Forstbotanik und Baumphysiologie an. Und dort habe ich begonnen mit Mykorrhizapilzen zu arbeiten. Da mein Projekt damals sehr spannend war, bin ich bis heute dabei geblieben. 

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Wir sprachen mit Dr. Stephanie Werner über Mykorrhizapilze. 

Wir sprachen mit Dr. Stephanie Werner über Mykorrhizapilze. 

Bildquelle: IPB

Pflanzenforschung.de: Welche unterschiedlichen Mykorrhizapilze gibt es und worin unterscheiden sie sich hauptsächlich?

Werner: Alle Mykorrhizapilze gehen enge Verbindungen mit Pflanzenwurzeln ein. Die bekannteste Gruppe sind die arbuskulären Mykorrhizapilze, auch als AM-Pilze bezeichnet. Diese dringen mit ihren Hyphen direkt in die Pflanzenzellen ein. Der Name kommt übrigens daher, dass die Pilze verästelte Strukturen ausbilden, die an kleine Bäumchen erinnern – angelehnt an die lateinische Bezeichnung dafür nennt man diese Arbuskeln.

Die andere wichtige Gruppe sind die Ektomykorrhizapilze. Deren Hyphen dringen nicht in die Zellen ein, sondern nur in die Zellzwischenräume. Sie bilden dabei eine Art Mantel um die Kurzwurzeln der Pflanze. Darüber hinaus gibt es noch Pflanzenarten, die spezielle Formen von Mykorrhiza entwickelt haben, zum Beispiel Heidekrautgewächse, die sogenannte ericoide Mykorrhiza, oder Mykorrhiza bei Orchideen.

Pflanzenforschung.de: Haben Mykorrhizapilze bestimmte Vorlieben oder siedeln sie sich prinzipiell an allen Pflanzenwurzeln an?

Werner: Nicht alle Pflanzen können mit Mykorrhizapilzen eine Symbiose eingehen und auch die unterschiedlichen Pilzgruppen unterscheiden sich bei der Wahl der Wirte. Ungefähr 70 - 80 Prozent aller Landpflanzen interagieren mit AM-Pilzen. Darunter befinden sich auch wichtige Kulturpflanzen. Daher sind sie auch wirtschaftlich gesehen die interessantesten Vertreter. Ektomykorrhizapilze sind mit deutlich weniger Pflanzenarten assoziiert, aber immerhin auch mit ungefähr 6.000 Arten. Sie sind hauptsächlich auf verholzte Pflanzen wie Bäume und Sträucher spezialisiert. 

Pflanzenforschung.de: Was haben denn die Pflanzen für Vorteile vom Pilz und umgekehrt?

Werner: Symbiose ist wie eine Geschäftsbeziehung: Man gibt etwas und bekommt etwas zurück. Die Pflanze profitiert von den Pilzen, da diese Nährstoffe aus dem Boden zur Verfügung stellen. Mykorrhizapilze können die Pflanze beispielweise zusätzlich mit Phosphor und Stickstoff versorgen. Der Pilz verästelt sich sehr weit im Boden und kann so Nährstoffreserven anzapfen, die die Pflanze nicht erreichen könnte.

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Symbiose im Labor: Hier sieht man die Kokultivierung des Ektomykorrhizapilzes Laccaria bicolor und Pappelwurzeln auf einem Nährmedium in Sterilkultur. Der Pilz wuchs auf der Platte als Myzel und wickelte sich dann um die Wurzeln.

Symbiose im Labor: Hier sieht man die Kokultivierung des Ektomykorrhizapilzes Laccaria bicolor und Pappelwurzeln auf einem Nährmedium in Sterilkultur. Der Pilz wuchs auf der Platte als Myzel und wickelte sich dann um die Wurzeln.

Bildquelle: Stephanie Werner/IPB

Im Gegenzug muss die Pflanze den Pilzen Photosyntheseprodukte wie Zucker geben. Das macht die Pflanze aber nur, wenn sie nicht optimal mit Nährstoffen versorgt ist. Wenn sie alles hat, will sie natürlich nichts abgeben.

Pflanzenforschung.de: Also entscheidet die Pflanze, ob sie sich mit einem Pilz einlässt.

Werner: Bei einer Symbiose, meistens ja. Bekannt ist, dass die Nährstoffversorgung der Pflanze ausschlaggebend ist für das Zustandekommen der Beziehung. In der Natur ist die Nährstoffversorgung selten so perfekt, dass keine Mykorrhizierung erfolgt. Aber beispielsweise in Gewächshäusern sieht die Lage schon anders aus. Hier werden die Pflanzen konstant mit allem versorgt was sie brauchen. Da würde die Pflanze freiwillig keine Mykorrhiza eingehen. Aber sie hätte auch in dieser Situation Vorteile für die Pflanze.

Pflanzenforschung.de: Welche?

Werner: Zahlreiche Studien belegen, dass sich durch Mykorrhizierung die Biomasseproduktion der Pflanze erhöht. Einigen Arbeiten zufolge kann sie auch die Pflanzenfitness erhöhen. Die Pflanzen sind dann widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen oder Schwermetallen im Boden. Aber Mykorrhiza kann sich auch auf die Qualität der Früchte auswirken. Daran forsche ich ebenfalls.

Pflanzenforschung.de: Kann man die Mykorrhizierung dazu gezielt steuern?

Werner: Ja. Dafür müssen wir aber die Interaktion zwischen Pilz und Pflanze noch besser erforschen. Ich arbeite dazu im Moment in zwei vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekten. Beim Projekt „MycoTom“, an dem ich in der Gruppe von Prof. Dr. Bettina Hause am IPB arbeite, geht es darum, die Qualität von Tomaten durch die gezielte Mykorrhizierung mit arbuskulären Mykorrhizapilzen zu verbessern.

Und im Projekt „ChitoPop“, in dem ich selber ein Teilprojekt leite, geht es um Pappeln und Ektomykorrhiza. Hier wollen wir rausfinden, ob die Ansiedlung von Ektomykorrhizapilzen durch bestimmte Proteine gezielt verstärkt werden kann, um die Pflanzenfitness zu erhöhen.

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Fun-Fact: Trüffel sind EktomykorrhizapilzeEgal, ob einem der Fachausdruck bekannt ist oder nicht, jeder kennt zumindest einen Ektomykorrhizapilz, und zwar einen besonders wertvollen: Trüffel. Die oberirdischen Fruchtkörper gelten als Delikatessen und sind weltweit sehr begehrte Speisepilze.

Fun-Fact: Trüffel sind Ektomykorrhizapilze
Egal, ob einem der Fachausdruck bekannt ist oder nicht, jeder kennt zumindest einen Ektomykorrhizapilz, und zwar einen besonders wertvollen: Trüffel. Die oberirdischen Fruchtkörper gelten als Delikatessen und sind weltweit sehr begehrte Speisepilze.

Bildquelle: © mahony / Fotolia.com

Die dafür verantwortlichen Gene wollen wir finden und funktionell charakterisieren. Mit ihnen können wir dann - so unser Plan - die Mykorrhizierung zielgerichtet optimieren. Dazu müssen wir aber noch die „Kommunikation“ von Pappeln und Ektomykorrhizapilzen besser verstehen. Wenn wir dazu mehr Informationen haben, können wir diese Interaktionen stärken. Wichtig ist, dass die Pflanze den Pilz als „Freund“ erkennt.

Pflanzenforschung.de: Pilze können für Pflanzen förderlich oder schädlich sein. Welche Pilze stellen die größte Bedrohung für Pappeln dar?

Werner: Meine Projektkollegen vom Thünen-Institut und der Universität Göttingen arbeiten bei „ChitoPop“ mit einem speziellen Rostpilz der Gattung Melampsora, der die Blätter befällt und zu erheblichen Verlusten – bis zu 50 Prozent – führen kann. Es gibt aber noch weitere schädliche Pilze, die zum Beispiel Rindenbrand verursachen können. Ich beschäftige mich im Projekt „ChitoPop“ glücklicherweise nur mit den förderlichen Pilzen, mit dem Zweifarbigen Lacktrichterling (Laccaria bicolor) und dem Kahlen Krempling (Paxillus involutus).

Aber auch für mich sind die pathogenen Pilze dabei von Bedeutung: Pilze sondern Chitin-Moleküle ab und geben sich dadurch der Pflanze als Pilz zu erkennen. Pathogene Pilze können aber Stoffe – sogenannte Effektoren – absondern, die die Chitin-Moleküle einfangen. Damit wird der Pilz nicht mehr von der Pflanze wahrgenommen. Das funktioniert quasi wie eine Tarnkappe, die den Pilz für die Pflanze unsichtbar macht. Das ist aber bisher nur bei Pathogenen erforscht worden. Wir wollen nun herausfinden, ob auch Mykorrhizapilze sich mit Effektoren „tarnen“, damit sie ihren Wirt besiedeln können. Auch solche Erkenntnisse können wir dann nutzen, um die Mykorrhizierung zu steuern.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihren Forschungsvorhaben!


Zum Weiterlesen:

Titelbild: Das Fluoreszenzbild zeigt eine mykorrhizierte Wurzelspitze im Querschnitt. Man sieht, wie sich die Hyphen des Ektomykorrhizapilzes (grün) an der Wurzel (rot) ausbreiten. (Bildquelle: Stephanie Werner/IPB)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: "Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie", "Pflanzenbiotechnologie der Zukunft" und "Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)" sowie die vier Ausschreibungen des transnationalen Programms "PLANT-KBBE".
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