Tabakschwärmer lernt fremden Blütenduft zu schätzen

21.01.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Tabakschwärmer lernen den süßen Nektar der Agave palmeri schätzen (Quelle: © Stan Shebs / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Tabakschwärmer lernen den süßen Nektar der Agave palmeri schätzen (Quelle: © Stan Shebs / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Tabakschwärmer bestäuben normalerweise Nachtschattengewächse wie Tabak und Tomate. Die Schwärmer können aber lernen, sich von anderen nektarreichen Blüten zu ernähren und diese an ihrem Duft zu erkennen. Ein Überlebensvorteil in einer sich wandelnden Umwelt.

In der Sonora-Wüste in Arizona haben Wissenschaftler Tabakschwärmer (Manduca sexta) mit einem ungewöhnlichen Speiseplan entdeckt. Statt von Nachtschattengewächse ernähren sich die Motten dort von nektarreichen Agavenblüten. Wie es den Schwärmern der Sonora-Wüste gelang, ihre Ernährung umzustellen und so an neue Umweltbedingungen anzupassen, zeigte ein Blick in das Nervensystem der Insekten. 

Tabakschwärmer fliegen auf aromatische Düfte

Normalerweise hat Manduca sexta einen festgelegten Speiseplan und erkennt die Pflanzen auf seinem Speisezettel an einem ganz bestimmten Duftprofil. Pflanzen, die von Natur aus für Tabakschwärmer attraktiv sind, haben alle ein ähnliches chemisches Duftprofil – selbst wenn die Arten nur entfernt verwandt sind. Dies zeigten massenspektrometrische Analysen  der  flüchtigen organischen Verbindungen, die die Blüten verschiedener Pflanzenarten verströmten. Blüten, die andere Bestäuber wie Bienen anziehen, riechen dagegen ganz anders. Der Blütenduft scheint somit ein Schlüssel zum Verständnis der Bestäuber-Pflanze-Interaktion zu sein. Tabakschwärmer fliegen beispielsweise auf Düfte, in denen oxidierte aromatische Substanzen wie Methylbenzoate, Benzylalkohol und Benzylaldehyde dominieren. Warum auch einige Pflanzen, die nicht zu den primären Nahrungspflanzen der Motten zählen, solche aromatischen Düfte verströmen, müssen weitere Studien klären. 

Wie erkennen Tabakschwärmer ihren Lieblingsduft? 

Mit elektrophysikalischen Messungen erfassten die Forscher die Aktivitäten im Riechhirn der Tabakschwärmer. Immer wenn den Schwärmern der Duft ihrer Lieblingsblüten präsentiert wurde, wurden bestimmte Areale im Riechhirn, im sog. Antennallobus aktiviert. Bei den Düften anderer Pflanzen, die die Schwärmer nicht bestäuben, blieb eine solche Reaktion dagegen aus. 

#####bildbox1#####
Tabakschwärmer bestäuben nicht nur Nachtschattengewächse, ihre Raupen sind auch bedeutende Schädlinge, z.B. von Tabak und Tomate.

Tabakschwärmer bestäuben nicht nur Nachtschattengewächse, ihre Raupen sind auch bedeutende Schädlinge, z.B. von Tabak und Tomate.

Bildquelle: © Dave Pape / wikimedia.org; gemeinfrei

Eine angeborene Vorliebe

Dies deutet darauf hin, dass Tabakschwärmer eine angeborene Vorliebe für den Geruch ihrer bevorzugten Nahrungspflanzen haben. Verhaltensexperimente ergaben, dass „unbefangene“ Schwärmer, die zum ersten Mal mit einem spezifischen Blütenduft aus künstlichen Blüten konfrontiert wurden, sehr viel häufiger die Blüten anflogen und bestäubten, die besonders viele der oxidierten aromatischen Verbindungen enthielten. 

Die Geruch-geleitete Nahrungssuche erspart den Schwärmern viel Zeit und Energie, denn andere Düfte könnten sie irreführen zu weniger lohnenden Blüten (z. B. Blüten, die nicht mit Nektar, sondern mit Pollen locken, eine Nahrungsquelle, die die meisten Motten nicht verwerten können). Die Spezialisierung kann so von großem Vorteil sein. Wenn Tabakschwärmer jedoch in einen neuen Lebensraum einwandern, wo die Lieblingsblumen nicht blühen, oder diese im aktuellen Lebensraum aussterben, wäre eine zu starke Spezialisierung tödlich.

Wie Tabakschwärmer lernen

Die Wissenschaftler konnten die Schwärmer trainieren, die Blüten der Agave palmeri zu bestäuben, eine Pflanze, deren Duft nicht angeboren attraktiv ist für die Tabakschwärmer. Die Schwärmer lernten so den Agavenduft mit der Aussicht auf süßen Blütennektar zu verbinden. Schon nach wenigen Wiederholungen suchten sie die Quelle des Agavendufts gezielt auf. Die Forscher nennen diesen Lernprozess „olfaktorische Konditionierung“. Der Duft wurde aber in einem anderen Areal des Riechhirns verarbeitet als die angeboren, attraktiven Duftnoten der typischen Nahrungspflanzen. Hungrige Tabakschwärmer sind somit flexibel in ihrer Nahrungssuche. Sie behalten jedoch ihre Vorliebe für Nachtschattengewächse bei. 

Spezialisiert und doch flexibel, aber wie?

Ein wichtiger Botenstoff, der den Tabackschwärmern diese Flexibilität bei der Nahrungssuche ermöglicht ist der Neurotransmitter Octopamin. Während des Lernens steuert er die Neuronen im Antennallobus des Riechhirns. Studien mit anderen Insekten zeigen, dass Octopamin am Erwerb eines Geruchsgedächtnisses beteiligt ist. In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher, wie das Gehirn der Tabakschwärmer auf Octopamin reagiert. War der Transmitter vorhanden, lernten die Schwärmer zur Duftquelle zu fliegen, selbst wenn sie keine Nektarbelohnung erhielten. Fehlte er, konnten sie keine Assoziation zwischen Duft und Nektar herstellen und suchten die Agaven deutlich seltener auf. 

Lernen für das Überleben der Art 

Der angeborene und der erlernte Geruchssinn sind für die meisten Tiere, einschließlich des Menschen, das wichtigste Werkzeug, um den Wert einer Nahrungsquelle einzuschätzen. Dem Tabakschwärmer ermöglicht das Lernen und Erkennen neuer Futterquellen, sich an unterschiedliche Vegetationen anzupassen und dadurch neue ökologische Nischen zu erschließen. Seine spezialisierte Vorliebe für Nachschattengewächse bleibt ihm dabei erhalten. Der flexible Tabakschwärmer lässt vermuten, dass auch andere Bestäuberarten und Schadinsekten ihr Nahrungsspektrum durch Lernen erweitern könnten. Diese Erkenntnis ist wichtig, um Blüte-Bestäuber Interaktion mit Relevanz für die Landwirtschaft im zeitlichen Verlauf besser zu verstehen. 


Quelle:

  • Knaden, M. /Hansson, B.S. (2013): Specialized But Flexible. In: Science 339, 151 (2013); DOI: 10.1126/science.1232930
  • Riffell, J.A. et al. (2013): Neural Basis of a Pollinator’s Buffet: Olfactory Specialization and Learning in Manduca sexta. In: Science 339, 200 (2013); DOI: 10.1126/science.1225483.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Tabakschwärmer lernen den süßen Nektar der Agave palmeri schätzen (Quelle: © Stan Shebs / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)