Tief in die Gene geschaut

Tiefensequenzierung der neuen Modellpflanze Brachypodium distachyon

08.08.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen der Gattung Brachypodium werden bei uns auch Zwenken genannt. (Bildquelle: © Neil Harris/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Pflanzen der Gattung Brachypodium werden bei uns auch Zwenken genannt. (Bildquelle: © Neil Harris/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Brachypodium ist ein Shootingstar unter den Modellpflanzen. 2013 wurde zum ersten Mal eine ganze Konferenz der unscheinbaren Pflanze gewidmet, jetzt liefern Forscher Sequenzdaten von ungekannter Genauigkeit. Profitieren könnte vor allem die Forschung zur Trockentoleranz wichtiger Feldfrüchte.

Brachypodium distachyon hat viele berühmte Verwandte, das Gras gehört zur gleichen Familie wie die landwirtschaftlich bedeutsamen Getreide Weizen, Gerste, Mais und Reis. Alle zählen zu den Süßgräsern (Poaceae). Im Gegensatz zu den allseits bekannten Feldfrüchten hat Brachypodium jedoch nur ein sehr kleines Genom. Innerhalb kürzester Zeit ist das Unkraut deshalb zu einer beliebten Modellpflanze für Getreideforschung geworden.

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Weizen ist eine wichtige Nahrungspflanze, aber sein Genom ist riesig und daher nur schwer zu handhaben. Modellpflanzen wie Brachypodium haben ein kleines Genom, sind einfach zu züchten und vermehren sich schnell.

Weizen ist eine wichtige Nahrungspflanze, aber sein Genom ist riesig und daher nur schwer zu handhaben. Modellpflanzen wie Brachypodium haben ein kleines Genom, sind einfach zu züchten und vermehren sich schnell.

Bildquelle: © kissyfurr/iStock/Thinkstock

Ein internationales Forscherteam hat jetzt sieben unterschiedliche Inzuchtlinien von Brachypodium einer Tiefensequenzierung unterzogen. Bei dieser Technik wird jedes Genom viele Male, in diesem Fall zwischen 34 und 58 Mal, sequenziert um eine besonders genaue Sequenz zu erhalten. In einem Trockenstressexperiment identifizierten sie außerdem Gene, die den Pflanzen eine hohe Toleranz gegen Trockenheit verleihen könnten.

Tiefensequenzierung hilft beim Auffinden von Resistenzgenen

„Unsere Datensätze zeigen, dass es bei B. distachyon eine umfassende natürliche Variation gibt“, schreiben die Autoren im Plant Journal. „Dadurch wird es möglich sein, durch Experimente die Genregionen und Gene zu identifizieren, die für phänotypische Variationen verantwortlich sind.“ Vergleicht man beispielsweise die Genomdaten von einer krankheitsanfällige und einer resistenten Pflanze, könnte man auf neue Resistenzgene stoßen. Eine solche DNA-Region wurde bereits ausfindig gemacht, sie enthält das Resistenzgen gegen das Gerstenstreifenmosaik-Virus.

Viele Gene waren im Referenzgenom bisher nicht annotiert

Von den sechs analysierten Linien, die aus Spanien, der Türkei und dem Iran stammen, stach eine durch große genetische Unterschiede besonders heraus: Die türkische Linie Bd1-1 hatte ungewöhnlich viele SNPs, also Abweichungen in einzelnen Nukleotiden. Solche Punktmutationen können unter Umständen dafür sorgen, dass ein Transkript von einem Gen an anderen Stellen zerschnitten wird als es normalerweise der Fall wäre. Dadurch kann die Veränderung einer einzelnen Base das Aussehen und die Funktion des gesamten Proteins beeinflussen.

Doch beim Genom machten die Forscher nicht halt, sie wollten auch wissen, wie genau die Information in den Genen zum Einsatz kommt. Dafür analysierten sie die Transkripte, also die Genabschriften, die für die Herstellung der Proteine notwendig sind. Bei der Transkript-Analyse von Bd1-1 fanden die Forscher mehr als 2.400 Transkripte, die bisher nicht als Gene im Referenzgenom annotiert waren. Da sie aber in der Referenzlinie Bd21 exprimiert werden, handelt es sich um echte Gene – deren Existenz bisher einfach unbekannt war. Zusätzlich konnte Bd1-1 mit Hunderten von Genen aufwarten, die in die Referenzlinie Bd21 schlicht und einfach nicht besitzt.

„Die Transkriptom-Analyse und die hier zur Verfügung gestellten Daten sind bereits eine enorme Ressource, die bisher gefehlt hat“, schreiben die Autoren über die Bedeutung ihrer Forschung.

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In der medizinischen Forschung kommen oft Mäuse zum Einsatz, doch auch die Pflanzenforscher brauchen Modellorganismen, um schnell und einfach Experimente durchzuführen.

In der medizinischen Forschung kommen oft Mäuse zum Einsatz, doch auch die Pflanzenforscher brauchen Modellorganismen, um schnell und einfach Experimente durchzuführen.

Bildquelle: © iStock.com/zoshyii

Brachypodium hat gegenüber Arabidopsis einen großen Vorteil

Anders als die allseits bekannte Modellpflanze Arabidopsis thaliana gehört Brachypodium ebenso wie die meisten Gräser zu den Einkeimblättrigen. Ergebnisse lassen sich daher besonders gut auf Getreidearten übertragen. Wer zum Beispiel die Forschung am 17 Milliarden Basenpaare umfassenden Weizengenom scheut, kann sich an Brachypodium versuchen und dann nach ähnlichen Genen im Weizen fahnden.

Das einjährige Gras wächst und vermehrt sich schnell, es steht evolutionär an der Schwelle zwischen Reis und Weizen und ist ein Selbstbefruchter. Sein Genom ist mit 272 Megabasenpaaren recht klein und lässt sich einfach mit Hilfe von Agrobakterien transformieren. Seit 2010 liegt außerdem eine qualitativ hochwertige Referenzsequenz vor.

Das Verbreitungsgebiet von Brachypodium erstreckt sich von der Mittelmeerküste bis nach Indien. Entsprechend verschieden sind die Eigenschaften der Pflanzen, sie variieren in der Krankheitsresistenz, beim Blütezeitpunkt, in der Trockentoleranz und dem Zellwandaufbau. Diese Bandbreite spiegelt sich in den nun tiefensequenzierten Genotypen wieder.


Quelle:
Gordon SP, et al. (2914): Genome diversity in Brachypodium distachyon: deep sequencing of highly divers inbred lines. In: The Plant Journal (2014) 79, 361-174, DOI: 10.1111/tpj.12569.

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Titelbild: Pflanzen der Gattung Brachypodium werden bei uns auch Zwenken genannt. (Bildquelle: © Neil Harris/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)