Turbo-Züchtung von Amylose-freiem Maniok dank Genschere

Eine neue Rohstoffquelle für industrielle Anwendungen

20.09.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Maniokfeld in Thailand: In weiten Teilen Südostasiens wird Maniok zur Gewinnung von Stärke für die Industrie angebaut. (Bildquelle: © ETH Zürich / Hervé Vanderschuren)

Maniokfeld in Thailand: In weiten Teilen Südostasiens wird Maniok zur Gewinnung von Stärke für die Industrie angebaut. (Bildquelle: © ETH Zürich / Hervé Vanderschuren)

Amylose ist ein normaler chemischer Bestandteil von pflanzlicher Stärke. Aber bei Nutzung von Stärke als nachwachsender Rohstoff ist dieser Stoff oft unerwünscht. Amylose-freier Maniok könnte dieses Problem für die Industrie lösen. Eine solche Pflanze kann prinzipiell auch durch konventionelle Kreuzungszüchtung geschaffen werden, doch das ist ein sehr zeit- und materialaufwendiges Unterfangen. Wissenschaftler haben nun ein cleveres Verfahren mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 entwickelt, mit dem sich dieser Prozess in nur wenigen Monaten bewerkstelligen lässt.

Pflanzliche Stärke macht nicht nur Millionen Menschen weltweit satt, sie ist auch ein interessanter Rohstoff für industrielle Produkte. In der Pflanze liegt Stärke in zwei verschiedenen Varianten mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften vor.

Amylose besteht aus unverzweigten kettenförmigen Molekülen: Ihr Anteil an der Stärke liegt normalerweise bei 15 bis 30 Prozent. Wegen ihrer guten Gelbildungsfähigkeit ist Amylose vor allem für Nahrungsmittelhersteller interessant, z. B. bei der Herstellung von Fertigsoßen oder Desserts. Eine weitere wichtige Anwendung der Amylose sind abbaubare Verpackungen.

Amylopektin macht üblicherweise 70 bis 85 Prozent der pflanzlichen Stärke aus und besteht im Gegensatz zu Amylose aus stark verzweigten Molekülen. Der Stoff kann Wasser binden, sich in Wasser lösen und hat kleisterartige Eigenschaften. Das wird vor allem in der Papier- und chemischen Industrie nachgefragt.

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Video: Maniok mit verbesserter Stärke. (Quelle: ETH Zürich/youtube.com)

Amylose-freier Maniok spart Energie und Wasser

Bei vielen industriellen Verwendungen müssen Amylose- und Amylopektinanteile der natürlich vorkommenden Stärke getrennt werden. Dies geschieht unter hohem Verbrauch von Energie und Wasser. Mit dem Amylose-freien Maniok sollte das nun vorbei sein. Maniok ist weltweit schon jetzt eine der wichtigsten stärkehaltigen Nutzpflanzen. In Afrika dient die stärkehaltige Wurzelknolle als Grundnahrungsmittel, in Asien und Südamerika auch als Rohstoff für industrielle Produkte. Maniokpflanzen sind anspruchslos und können sogar in Trockengebieten überleben. Daher entschieden sich die Wissenschaftler für diese Pflanze, um eine neue nachwachsende Rohstoffquelle für Amylopektin zu schaffen.

CRISPR/Cas9-Genschere zerstört Amylose-produzierende Gene

Die Amyloseproduktion im Maniok hängt von den beiden Genen GBSS (GRANULE BOUND STARCH SYNTHASE) und PTST (PROTEIN TARGETING TO STARCH) ab. Diese Gene sollten nun gezielt ausgeschaltet werden. Um dies zu erreichen, bauten die Forscher den Maniokpflanzen mehrere Fremdgene ein. Darunter waren das Cas9-Gen und ein Steuerungsgen, welche das CRISPR/Cas9-System benötigt, um die Erbsubstanz an den gewünschten Stellen zu zerschneiden. Das System arbeitete einwandfrei und die Amyloseproduktion in diesen Pflanzen kam zum Erliegen.

Doch die Forscher mussten noch einen weiteren gentechnischen Eingriff bei den Pflanzen vornehmen, um ihre Arbeit zu vollenden. Nach dem Eingriff mit der Genschere sollten die Pflanzen noch miteinander gekreuzt werden. Dazu muss Maniok jedoch Blüten bilden, doch Maniok blüht nur sehr selten und im Gewächshaus überhaupt nicht. Daher übertrugen die Wissenschaftler noch ein weiteres Gen (FLOWERING LOCUS T) aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana in Maniok. Die Pflanzen wurden dadurch tatsächlich zum Blühen angeregt. 

Fremdgene durch Kreuzung eliminiert

Nachdem die Wissenschaftler erfolgreich Amylose-freie Maniokpflanzen generiert hatten, wollten die Forscher die Fremdgene für die Genschere und zur Blühinduktion wieder entfernen. Die Forscher wählten dazu zwei Pflanzen aus, in denen die Fremdgene jeweils nur auf einem von zwei identischen Chromosomen eingebaut waren. Diese wurden miteinander gekreuzt.

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Maniok trägt in unterschiedlichen Teilen der Erde auch unterschiedliche Namen darunter Cassava oder Yuca.

Maniok trägt in unterschiedlichen Teilen der Erde auch unterschiedliche Namen darunter Cassava oder Yuca.

Bildquelle: © pixabay/CC0

Nach den Mendelschen Vererbungsregeln ist dann rechnerisch jeder vierte Nachkomme, der aus dieser Kreuzung hervorgeht, frei von Fremdgenen. Die so selektierten Pflanzen enthielten also weder Amylose noch die Fremdgene, die zur Erzeugung der Pflanzen benötigt wurden.

Verfahren erheblich schneller als übliche Züchtungsverfahren

Der große Vorteil des angewendeten Verfahrens: Es ist erheblich schneller als übliche Züchtungsverfahren. „Die gewünschte Eigenschaft, dass Maniok nur Amylopektin enthält, aber keine Amylose, hätte man auch mit normaler Kreuzungszüchtung hinbekommen“, so Studienleiter Simon Bull. „Aber dafür bräuchte man tausende von Pflanzen und mehrere Jahre, und nicht nur ein paar wenige Pflanzen, die wir innerhalb weniger Monate entwickelt haben.“ Da auf energieintensive Prozessschritte zum Herauslösen der Amylose aus der Stärke bei diesen Pflanzen verzichtet werden kann, können sie auf dem Markt zu einem höheren Preis verkauft werden. Landwirte in südlichen Ländern könnte so geholfen werden, ihr Einkommen zu verbessern.

Die Familie der Amylose-freien Pflanzen

Neben dem Amylose-freien Maniok existieren auch gentechnisch veränderter Amylose-freier Mais und gleichartige Kartoffeln. Besonders bekannt ist wahrscheinlich die von BASF entwickelte Kartoffel „Amflora“, die 2010 ihre Zulassung auf dem europäischen Markt erhielt. Doch bereits 2013 wurde die Zulassung durch ein Urteil des europäischen Gerichtshofs widerrufen, nachdem die ungarische Regierung gegen die Zulassung geklagt hatte. Grund für das Urteil waren Verfahrensfehler bei der Zulassung der Kartoffel durch die EU-Kommission.


Quelle:
Bull, S.E. et al. (2018): Accelerated ex situ breeding of GBSS- and PTST1-edited cassava for modified starch. In: Sci Adv. 2018 Sep 5;4(9):eaat6086, (online 5. September 2018), doi: 10.1126/sciadv.aat6086.

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Titelbild: Maniokfeld in Thailand: In weiten Teilen Südostasiens wird Maniok zur Gewinnung von Stärke für die Industrie angebaut. (Bildquelle: © ETH Zürich / Hervé Vanderschuren)