Unerwartetes Potenzial

Tropische Sekundärwalder sind bedeutende CO2-Senken

26.05.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der untersuchte Sekundärwald kann über einen Zeitraum von 40 Jahren 8,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden. (Bildquelle: © JeremiahsCPs / wikipedia.org; CC-BY-SA-3.0)

Der untersuchte Sekundärwald kann über einen Zeitraum von 40 Jahren 8,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden. (Bildquelle: © JeremiahsCPs / wikipedia.org; CC-BY-SA-3.0)

Während der Schutz des Primärwaldes, also des tropischen Regenwaldes, nur begrenzt Früchte trägt und dessen Verlust weiter voranschreitet, breiteten sich in den Tropen Sekundärwalder weiter aus. Forscher haben das Potenzial dieser nachwachsenden Wälder als Faktor von CO2-Minderungsstrategien untersucht und waren von der Leistungsfähigkeit CO2 zu binden überrascht.

Knapp ein Drittel der Landfläche der Erde ist mit Wäldern bedeckt. Sie sind wichtig für die Biodiversität, bieten Schutz vor Erosion und Überschwemmungen und regulieren den Wasserhaushalt. Wälder speichern laut WWF außerdem etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlenstoffs. Die tropischen Regenwälder sind dabei von besonderer Bedeutung: Sie bedecken zwar nur 7 Prozent der Erdoberfläche, beherbergen aber nach Schätzungen mindestens 50 Prozent aller Tier-und Pflanzenarten weltweit und speichern deutlich mehr Kohlenstoff als Wälder außerhalb der Tropen.

Der lateinamerikanische Primärwald

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Die tropischen Regenwälder speichern deutlich mehr Kohlenstoff als Wälder außerhalb der Tropen.

Die tropischen Regenwälder speichern deutlich mehr Kohlenstoff als Wälder außerhalb der Tropen.

Bildquelle: © Amelie / Fotolia.com

Nirgendwo schreitet der Verlust von Ur- beziehungsweise Primärwald, also vom Menschen unberührter Wald, so schnell voran wie in den Tropen. Durch Brandrodung oder Holzeinschlag zerstörte Wälder werden in der Folge für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Das in den Bäumen gespeicherte CO2 wird durch die Rodung wieder freigesetzt. Schätzungen zufolge gehen 8 bis 15 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen auf das Konto von Abholzung und Übernutzung von Wäldern. Das ist eine ähnliche Menge an Treibhausgasen, wie sie die weltweite Landwirtschaft bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln freisetzt.

Sekundärwälder als Resultat gescheiterter Strategien

Bisherige Ansätze zielten vor allem darauf ab, die Verluste von Primärwäldern oder Eingriffe in diese zu verhindern. Außerdem wurde verlorengegangener Wald kostenintensiv wieder aufgeforstet. Die Schutzmaßnahmen waren jedoch nur begrenzt erfolgreich: Zwar gingen in den 1990er Jahren jährlich 4,7 Mio. Hektar, in den 2000er jährlich 4,2 Mio. Hektar verloren. Der Verlust verlangsamte sich also etwas, gestoppt werden konnte der Verlust von Primärwald jedoch nicht. Insgesamt wurden von 1990 bis 2010 weltweit 89 Mio. Hektar Urwald zerstört. Das entspricht in etwa der zweieinhalbfachen Fläche Deutschlands.

Sekundärwald - darunter versteht man neu entstandene Wälder, z. B. auf Rodungsflächen des Primärwaldes oder auf durch Naturkatastrophen verwüsteten Flächen - bis zum Alter von 60 Jahre, dehnt sich in Lateinamerika, im Gegensatz zu den Primärwäldern, aus. Die in den Tropen verbreitete Landbewirtschaftung einer „shifting cultivation“, des Wanderfeldbaus, machen diese Expansion neuer Waldgebiete auf ehemaligen Weiden und Felder möglich. Sekundärwälder bestehen in der Regel aus wenigen, schnellwachsenden Arten und sind deutlich artenärmer als der ursprüngliche Regenwald. Sekundärwälder entstehen ohne Zutun des Menschen. Der Wald bildet sich von selbst.

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Das in den Bäumen gespeicherte CO2 wird durch die Rodung wieder freigesetzt.

Das in den Bäumen gespeicherte CO2 wird durch die Rodung wieder freigesetzt.

Bildquelle: © Guentermanaus / Fotolia.com

Neue CO2-Minderungsstrategie

Eine Forschergruppe um Dr. Dylan Craven vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) fand in einer aktuellen Studie heraus, dass der Sekundärwald ein großes, bisher weitestgehend unbeachtetes, Potenzial zur Bindung von CO2 besitzt. Der Sekundärwald in den untersuchten Gebieten kann demnach über einen Zeitraum von 40 Jahren 8,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden, was 31 Milliarden Tonnen CO2 entspricht. Diese Menge kommt den CO2–Emissionen aus fossilen Brennstoffen und industriellen Prozessen in Lateinamerika von 1993 bis 2014 gleich.

Die Berücksichtigung des Sekundärwaldes kann im Rahmen neuer CO2-Minderungsstrategien, in Kombination mit der Eingrenzung von Waldrodung und dem nachhaltigen Urwaldmanagement, zur Einhaltung von nationalen und internationalen CO2-Zielen beitragen. Zwar kann auch die Landwirtschaft große Mengen an CO2 speichern, aber nur so lange, bis die Ernten als Nahrungsmittel, Rohstoff, Energie oder Kraftstoffe verstoffwechselt bzw. umgesetzt sind. Nur ein Teil der Reststoffe verbleibt im Boden und trägt über die Mineralisierung zur Humusbildung und damit langfristigen zur CO2-Bindung bei.

Nach den nun vorliegenden Studienergebnissen gelingt es den Sekundärwäldern durchschnittlich nach 66 Jahren, 90 Prozent des ursprünglich im Primärwald gebundenen Kohlenstoffs erneut zu binden. Daraus kann eine kombinierte Strategie abgeleitet werden, um Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz und Lebensansprüche der Menschen gleichermaßen zu fördern. Der Schutz und Erhalt großer, geschlossener Flächen des Primärwaldes, ein verbessertes Management der Sekundärwälder und die Kombination mit einer nachhaltigen, d. h. dauerhaften und ertragreichen Landwirtschaft. Dieser Dreiklang hat das Potenzial zu einer vergleichsweise kostengünstigen und global messbaren CO2-Minderung beizutragen. Für die betroffenen Länder in den Tropen, wäre dieser Dreiklang ein wichtiger Schritt bei der nationalen Umsetzung des in Paris beschlossenen und kürzlich in New York unterzeichneten Klimaschutz-Abkommens.


Quellen:

  • Chazdon, L. R. et al. (2016): Carbon sequestration potential of second-growth forest regeneration in the Latin American tropics. In: ScienceAdvances, Vol 2, No. 5., (6. Mai 2016), doi: 10.1126/sciadv.1501639.
  • Poorter, L. et al. (2016): Biomass resilience of Neotropical secondary forests. In: Nature, 530, 211–214, (11. Februar 2016), doi: 10.1038/nature16512.

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Titelbild: Der untersuchte Sekundärwald kann über einen Zeitraum von 40 Jahren 8,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binden. (Bildquelle: © JeremiahsCPs / wikipedia.org; CC-BY-SA-3.0)