Unser „täglich Brot“ ist erbgutverändert

Eröffnung des „Supermarkts ErbUndGut“ im Museum für Naturkunde Berlin

20.03.2019 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wie

Wie "natürlich" sind die Produkte unseres täglichen Einkaufs eingentlich? (Bildquelle: © iStock.com/alexis84)

Im Supermarkt hat man die große Auswahl: unzählige Sorten Obst, Getreide und Gemüse. Doch wissen die Konsumenten, wie diese Pflanzen erzeugt wurden? Die Ausstellung zeigt, wie Pflanzenzüchtung funktioniert und was dabei mit dem Erbgut passiert. So sollen Kaufentscheidungen bewusster werden.

Wie „natürlich“ ist unser Obst und Gemüse aus dem Supermarkt eigentlich? Darum geht es in der am 7. März 2019 eröffneten Ausstellung des Museums für Naturkunde (MfN) in Berlin. Im Experimentierfeld des Museums öffnet für drei Monate ein temporärer Supermarkt („ErbUndGut“) seine Pforten. In diesem werden die Besucher dazu aufgefordert, hinter die Fassaden des Züchtungsprozesses von Apfel und Tomate zu schauen. Dabei soll den Besuchern verdeutlich werden, dass unsere heutigen Nahrungsmittel allesamt durch Züchtung entstanden sind – und dass sich dadurch das Erbgut dieser Produkte geändert hat. Die unterschiedlichen Eingriffstiefen werden ebenso thematisiert wie Fragen der Kennzeichnung oder Sortenvielfalt.

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Weizen wird seit etwa 10.000 Jahren angebaut - und ist damit eine der ältesten kultivierten Getreidearten. Bei der Ausstellung im Museum für Naturkunde kann man mehr über die Geschichte des Weizens erfahren.

Weizen wird seit etwa 10.000 Jahren angebaut - und ist damit eine der ältesten kultivierten Getreidearten. Bei der Ausstellung im Museum für Naturkunde kann man mehr über die Geschichte des Weizens erfahren.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Neuer Züchtungstechniken                           

Dabei liegt ein Fokus auf einer neuen Züchtungsmethode: die Genschere CRISPR/Cas. Sie hat das Potenzial, die Züchtung extrem zu beschleunigen. Der Europäische Gerichtshof hat im Juli 2018 jedoch festgestellt, dass die mit Neuen Züchtungstechniken produzierten Pflanzen unter das Gentechnikrecht fallen – weshalb CRISPR-Cas-Produkte in deutschen Supermärkten nicht zu finden sind. Gleichzeitig informiert der Supermarkt darüber, dass unsere Milchkühe mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert werden – und die Milch nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden muss.

Was verstehen wir unter Natur?

Anlass genug für den Museumsbesucher, seinen persönlichen Begriff von Natürlichkeit zu reflektieren. Dabei wird er gleichzeitig in einen Forschungsprozess einbezogen. Vor und nach dem Besuch des Supermarktes soll ein Fragebogen ausgefüllt werden, der das Verhältnis des Verbrauchers zu Züchtungsmethoden in der Lebensmittelherstellung hinterfragt. Doch wozu die Mühen ? „Wir tun uns sehr schwer mit der genetischen Ebene“, so Dr. Katrin Vohland vom MfN (Leitung des Forschungsbereichs Wissenschaftskommunikation und Wissensforschung). Bei der Eröffnung des Supermarktes zitiert sie eine kürzlich in der taz thematisierte Studie, laut derer stärkere Vorbehalte gegenüber Gentechnik mit größerem Unwissen zusammenhängen.

Für mehr Dialog in Politik und Gesellschaft

Aber führen bessere biologische Kenntnisse in der Gesellschaft zu einer veränderten Einstellung gegenüber Gentechnik? Laut Dr. Vohland ist entscheidend: „Wie integrativ gehen wir die Frage an?“ Es gelte, ein größeres gesellschaftliches Bild zu berücksichtigen, ökonomische Abhängigkeiten ebenso mit einzubeziehen wie die Definition der Menschen von Natürlichkeit. „Wir wollen den Dialog mit der Bevölkerung und mit der Politik intensivieren.“ Dr. Julia Diekämper (MfN) erklärt, wie das am besten gelingen kann: „Wir wollen spielerisch vorgehen und die Neugierde wecken, indem wir an alltägliche Situationen anknüpfen.“ Das MfN plant im Rahmen der Ausstellung verschiedene Aktionen, wie beispielsweise einen Workshop zum „Supermarkt der Zukunft“ oder eine Podiumsdiskussion mit der Frage: „Waren unsere Lebensmittel jemals natürlich?“ Es gehe darum, Interesse zu stiften und die Gesellschaft zu sensibilisieren.

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195 Tage würde es dauern, sich das komplette Genom der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) anzuhören.

195 Tage würde es dauern, sich das komplette Genom der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) anzuhören.

Bildquelle: © Wikimedia.org/CC BY-SA 3.0

Genetik zum Hören

Einen ganz anderen Zugang zur Genetik bieten die im Supermarkt ebenfalls ausgestellten Klangkunstarbeiten der Künstlerinnen und Künstler Kathrin Hunze, Alberto de Campo und Thomas Hermann. Diese sind in Kooperation mit dem Deutschlandfunk Kultur sowie den Projekten PLANT 2030 und ELSA-GEA entstanden.

Wer schon immer mal wissen wollte, wie das Genom der Ackerschmalwand  (Arabidopsis thaliana) klingt, hat jetzt die Gelegenheit dazu. Das Genom ist relativ kurz, weshalb die Pflanze gerne für genetische Studien verwendet wird. Trotzdem würde es 195 Tage dauern, würde man jedem Baustein des Genoms einen Ton zuordnen.

So klingen Weizen und Kartoffel

Der Mensch ist da deutlich komplizierter: Ganze 14 Jahre würde man brauchen, um sich das menschliche Erbgut anzuhören. Auch wenn man keine 14 Jahre investieren möchte: Das Hörbarmachen von Daten, die Sonifikation, eröffnet neue Perspektiven. „So können wir Daten sinnlich und auditiv erfahrbar machen“, sagt Marcus Gammel vom Deutschlandfunk Kultur. Im neuen Plantainment „PlantiSonics“ von Pflanzenforschung.de kann man weitere Sonifikationen anhören, unter anderem die Züchtungsgeschichte des Weizens oder die Reifezeiten von Kartoffeln.

Öffnungszeiten des Supermarktes: vom 8. März bis zum 15. Mai 2019 täglich von 14:00 – 18:00 Uhr (außer montags).
Der Supermarkt ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes GenomElection und wird darüber hinaus vom Museum für Naturkunde Berlin finanziell unterstützt.


Weitere Informationen:            

Zum Weiterlesen und -hören auf Pflanzenforschung.de:    

Titelbild: Wie "natürlich" sind die Produkte unseres täglichen Einkaufs eingentlich? (Bildquelle: © iStock.com/alexis84)