Van Goghs mutierte Sonnenblumen

11.04.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Varianten der Sonnenblume von Vincent van Gogh. (Quelle: © wikimedia.org; gemeinfrei)

Varianten der Sonnenblume von Vincent van Gogh. (Quelle: © wikimedia.org; gemeinfrei)

Forscher haben ein Gen entdeckt, das den Blütenaufbau von Sonnenblumen beeinflusst. Dieses ist für die Blütenvariationen verantwortlich, die bereits Vincent van Gogh in seinen berühmten Bildern malte.

Vincent van Goghs Bilderserie einer Vase mit Sonnenblumen zeigt neben den bekannten Blüten mit den länglichen gelben Blütenblättern und den dunklen röhrenförmigen Pollenblüten im Zentrum auch vollständig gelbe, gefüllte Blüten (double-flowered). Wie es zu dieser genetischen Variation kam, haben Forscher in Kreuzungsexperimenten untersucht. 

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Sonnenblume mit gefüllten Blüten.

Sonnenblume mit gefüllten Blüten.

Bildquelle: © Erich Keppler / pixelio.de

Mit Mendelscher Kreuzung auf den Spuren der Kunst

Die Wissenschaftler kreuzten Exemplare der gewöhnlichen Wildtyp-Sonnenblume Helanthus annuus mit rein gelben „gefüllten“ Vertretern dieser Art. Unter den Nachkommen waren Mutanten mit gewöhnlicher Blüte und solche mit gefüllter Blüte. Die Forscher nahmen daher zunächst an, dass ein einzelnes dominantes Gen Ursache für die Mutation der gefüllten Blüten ist. In weiteren Kreuzungen zeigte sich dann jedoch noch eine dritte Blütenvariante mit Röhrenblüten im Zentrum und am Blütenrand. Hieraus schlossen die Wissenschaftler auf eine zweite Mutation, die sowohl im Falle der gewöhnlichen Blüten als auch bei den gefüllten Exemplaren rezessiv sein musste.

Ein Gen verantwortet die Vielfalt

Eine DNA-Sequenzierung identifizierte das Gen HaCYC2c als Ursache für die Blütenvariation. Nun screenten die Forscher Hunderte Sonnenblumen – Wildtyppflanzen, Exemplare mit gefüllten Blüten und mit reinen Röhrenblüten. Es zeigte sich, dass Sonnenblumen mit gelb-brauner Blüte keine Mutation in dem Gen HaCYC2c zeigten. In Pflanzen mit einheitlich gelben Blütenblättern war das „Schalter-Gen“ jedoch mutiert. Die Genregulation war hier gestört, so dass die Gene, die für die Ausbildung der gelben Blütenblätter verantwortlich sind, auch dort exprimiert wurden, wo eigentlich die inneren Röhrenblüten hätten entstehen sollen. In Exemplaren, die anstatt der langen gelben Blütenblätter vermehrt röhrenförmige ausbildeten, war das „Schalter-Gen“ inaktiv. Hier fanden die Wissenschaftler eine fehlerhafte Genkopie, die die Ausbildung der gelben Blütenblätter verhinderte.

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Der verbreitetste Phänotyp: Sonnenblume mit länglichen gelben Blütenblättern am Rand und pollenreichen Röhrenblüten im Zentrum.

Der verbreitetste Phänotyp: Sonnenblume mit länglichen gelben Blütenblättern am Rand und pollenreichen Röhrenblüten im Zentrum.

Bildquelle: © Wouter Hagens / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Anpassung an neue Lebensräume

Die Familie der Sonnenblumen zählt zu den artenreichsten Blütenpflanzen. Die gelb-braunen Blüten sind dabei der weit verbreiteteste Phänotyp. Während diese Exemplare zahlreiche Samen produzieren, bilden die gefüllten gelben Blüten nur wenige Samen aus. Die Forscher vermuten hinter den pollenreichen Sonnenblumen eine Anpassung an Bestäuber arme Lebensräume. Wenn es in einer Region nicht genügend Insekten gibt, die die Pflanzen bestäuben – warum sollten sie dann unnötige Energie in die Produktion der gelben Blütenblätter stecken? Denn Sonnenblumen können sich auch ungeschlechtlich vermehren. 

Die Forscher sind sich sicher, dass van Goghs Bilder eine ganz gewöhnliche Mutation zeigen, die sie mit Hilfe ihrer klassischen Kreuzungsexperimente nachweisen konnten. Das in Sonnenblumen identifizierte Gen HaCYC2c ist auch in verwandten Arten wie Gerbera und Kreuzkraut (Senecio) für das Aussehen der Blüte verantwortlich, so die Wissenschaftler. Die Studie gibt Einblicke in die molekularen Mechanismen wirtschaftlich interessanter Eigenschaften von Pflanzen: seien es samenreiche Nutzpflanzen oder auch hübsche Gartenblumen. Und sie verdeutlicht, wie genetische Variationen die Artenvielfalt innerhalb von Pflanzenfamilien beeinflussen.


Quelle

Chapman, M.A. et al. (2012): Genetic Analysis of Floral Symmetry in Van Gogh’s Sunflowers Reveals Independent Recruitment of CYCLOIDEA Genes in the Asteraceae. PLoS Genet 8(3): e1002628. doi:10.1371/journal.pgen.1002628 

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