Vermehrung ohne Sex

22.02.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Apomixis - Chance für die Pflanzenzüchtung (Quelle: © iStockphoto.com/Sandra Cunningham)

Apomixis - Chance für die Pflanzenzüchtung (Quelle: © iStockphoto.com/Sandra Cunningham)

Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, eine sich normalerweise geschlechtlich vermehrende Pflanze ungeschlechtlich zu vermehren. Damit könnte ein wichtiger Meilenstein für neue Ansätze in der Pflanzenzüchtung gelegt sein.

Auf knapp einer Seite beschreiben Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“ einen Ansatz, der die Züchtung revolutionieren könnte. Was uns Menschen wenige erquicklich erscheinen mag, hat für die Pflanzenzüchtung eine fundamentale Bedeutung: Die Vermehrung von Pflanzen ohne Sex. Durch die ungeschlechtliche Samenbildung würde es gelingen, genetische Merkmale von einer Generation zur nächsten zu verankern. Ideal wäre es, Pflanzen wahlweise zum Sex zu stimulieren oder diesen verhindern zu können. 

Das Kreuzen von Pflanzen ist die Voraussetzung, um neue genetische Variationen zur erhalten, z.B. durch das Einkreuzen von Resistenzgenen. Sind solche Merkmale im Genotyp einer Kulturpflanze vorhanden, wäre es wünschenswert, diese Eigenschaften sofort im Genom zu fixieren. Ohne Verlust durch Auskreuzung bzw. Rekombination könnten diese Eigenschaften dann von Generation zu Generation vererbt werden. Dieses Prinzip einer induzierte Klonierung über Samen wird als Apomixis bezeichnet. 

Weltweite Bemühungen

Der Versuch Apomixis zu induzieren, ist nicht neu. Weltweit arbeiten zahlreiche Gruppen an diesem Phänomen. Die Forscher vermuten, dass es sich bei der Apomixis um ein evolutionsgeschichtlich sehr altes und von den Pflanzen „vergessenes“ Phänomen handelt. Dieses sich sei aber noch in der genetischen Ausstattung der Pflanzen verankert. Hinweise in diese Richtung wurden bereits 2010 in „Nature“ veröffentlicht (Olmedo-Monfil et al. 2010). 

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Ungeschlechtliche Vermehrung von Arabidopsis gelungen.

Ungeschlechtliche Vermehrung von Arabidopsis gelungen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Jayson Punwani

Pflanzen, insbesondere unsere Kulturpflanzen, sind eine wichtige Lebensbasis der Menschen. Darüber hinaus repräsentieren Pflanzen einen globalen Markt. Weltweit, so schätzen Experten, geben Bauern jährlich über 36 Mrd. US-Dollar für ihr Saatgut aus. Damit kaufen sie sich Eigenschaften wie Ertrag, Krankheitsresistenzen oder Robustheit ein. Ein Markt, der durch induzierte Apomixis starken Veränderungen unterliegen könnte. 

Apomixis als universales Prinzip

Vegetativ können Pflanzen wie Sträucher oder Bäume über Stecklinge oder wie Kartoffeln durch Knollen vermehrt werden. Viele Pflanzenspezies nutzen Apomixis um lebensfähige Nachkommen über Samen, jedoch ohne die Verschmelzung und Rekombination von Pollen- und Eizelle zu erhalten. Die durch eine asexuellen Vermehrung entstehenden Pflanzen sind ein genaue Kopie (Klon) der Elternpflanze. Dabei erhalten diese Nachkommen den vollen Chromosomensatz, statt wie in der Reifeteilung (Meiose) üblich, eine Hälfte zu verlieren. Experten schätzen, dass mindestens 350 Familien von Blütenpflanzen diese Form der Vermehrung nutzen. Allerdings ist darunter kaum eine der für die menschliche Ernährung genutzte Pflanze. Eine gesteuerte Apomixis käme somit einer Revolution in der Landwirtschaft gleich. Arbeits- und zeitintensive Kreuzungen und Rückkreuzungen zur Stabilisierung genetischer Eigenschaften könnten entfallen. Die Pflanzenzüchtung würde gezielter und schneller neue Sorten entwickeln können. 

Bereits vor einem Jahr wurde ein interessanter Hinweis zur induzierten Apomixis bei Arabidopsis veröffentlicht. Ein internationales Forscherteam fand heraus, dass ein sogenanntes Argonauten-Gen genutzt werden könnte, um apomiktisch, also ungeschlechtlich Nachkommen zu erzeugen. Wurde das Argonaut-9-Gen (AGO 9) abgeschaltet, produzierten die Pflanzen in ihren Keimanlagen abnormale Gameten. Statt eines einfachen, haploiden Chromosomensatzes, enthielten die Keimzellen dann den kompletten Satz. Dies legte die Vermutung nahe, dass die Keimzellen nicht der Reifeteilung (Meiose) unterlagen. Ein funktionierendes Argonaut-9-Gen würde dann, so die Annahme, die Zellen davor schützen, sich zu einer Keimzelle zu entwickeln. Oder anders ausgedrückt: AGO 9 verhindert die Initiierung einer ungeschlechtlichen Vermehrung durch Apomixis. Dies würde bedeuten, dass mehr oder weniger alle Pflanzen die prinzipielle Fähigkeit besitzen, sich apomiktisch zu vermehren, wäre dieses Potenzial nicht durch AGO 9 unterdrückt. 

Neue Ansätze zur induzierten Apomixis

Im jetzigen Experiment konnte ein anderes Forscherteam zeigen, dass durch einen anderen Ansatz Apomixis induziert werden kann. Als Untersuchungsobjekt nutzten die Forscher erneut die Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana. Eine 100%ige Klonierung der Mutterpflanze über Samen war im Versuch prinzipiell möglich. Lediglich zwei bis vier stark konservierte Gene mussten hierfür verändert werden. Da es sich um stark konservierte Gene handelt, ist eine einfache Übertragung der Methode auf andere Pflanzenarten, so auch Kulturpflanzen, sehr wahrscheinlich. Die veränderten Gene haben in diesem Fall Kontrollfunktionen über die Reduktionsteilung, die Meiose sowie für die Trennung der Chromosomen. Noch ist bei der nun vorgestellten Methode eine Kreuzung notwendig, um die Vermehrung über Samen zu initiieren. Um Apomixis effizient zu nutzen, wäre eine Selbstbefruchtung der Pflanze wichtig. 

Bereits mit diesen Experimenten konnte aber gezeigt werden, dass Apomixis prinzipiell induzierbar ist und lebensfähige Nachkommen über apomiktische Samen erzeugt werden können. Dem seit langem gehegten Wunsch, Apomixis gezielt in Kulturpflanzen zu nutzen, ist man damit einen großen Schritt näher gekommen. 


Quellen:

  • M. P. A. Marimuthu et al. “Synthetic Clonal Reproduction Through Seeds.” Science, 2011; 331 (6019): 876 DOI: 10.1126/science.1199682 (abstract).
  • Vianey Olmedo-Monfil et al.  “Control of female gamete formation by a non-cell-autonomous small RNA pathway in Arabidopsis.” Nature, 2010 DOI:10.1038/nature08828 (abstract).

Zum Weiterlesen: