Vielfalt der Ökosysteme

16.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

„Oxbow Bend“ des Snake River im Grand Teton National Park in Wyoming/USA: Die räumliche Vernetzung verschiedener Ökosysteme sichert biologische Vielfalt. (Quelle: © iStockphoto.com/ltphoto)

„Oxbow Bend“ des Snake River im Grand Teton National Park in Wyoming/USA: Die räumliche Vernetzung verschiedener Ökosysteme sichert biologische Vielfalt. (Quelle: © iStockphoto.com/ltphoto)

Bei dem Begriff „Öko“ denkt man meist an bequeme Sandalen und biologisch korrekt erzeugte Nahrungsmittel. Dieser oftmals umgangssprachlich verwendete Begriff umschreibt dabei Dinge wie den Umweltschutzgedanken und eine naturnahe, umweltgerechte Lebensweise, wird aber auch bei Wortkonstruktionen wie „Ökomode“ verwendet, wenn man „Nachhaltigkeit“ und „Umweltschutz“ ausdrücken möchte.

Die Begriffe „Ökologie“ und „Ökosystem“ sind dabei die Grundlage der Wortschöpfungen. Die Erkenntnisse über die Zusammenhänge in Ökosystemen, die Vernetzung zwischen Lebewesen und deren gegenseitigen Nutzen sowie die Vorteile für die Menschheit haben in dem Begriff Öko ihren Niederschlag gefunden und sich fest in unserem Lebensalltag etabliert. Daher ist es wichtig, mal etwas Grundlagenforschung zu betreiben und sich mit dem „Ökosystem“ an sich näher auseinander zu setzen.

Was ist ein Ökosystem?

Als Ökosystem versteht man ganz allgemein die Interaktion mindestens zweier Arten (Biozönose) innerhalb eines Lebensraumes (Biotop). Dabei bestehen Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Arten sowie zwischen den Arten und der abiotischen Umwelt. Bleiben die Artenzahlen über einen längeren Zeitraum konstant, spricht man von einem, veraltet: ökologischen, besser: dynamischen Gleichgewicht.

#####text#####
Welche Ökosysteme gibt es?

Lesen sie hier mehr dazu!

Welche Ökosysteme gibt es?

Lesen sie hier mehr dazu!

Bildquelle: © Reiner Rosenwald / pixelio.de

Biozönosen können aus Pflanzengesellschaften (Phytozönosen), Tiergesellschaften (Zoozönosen) und Mikrobengesellschaften (Mikrozönosen) bestehen. Die einzelnen Arten besiedeln dabei die sogenannten ökologischen Nischen und stehen in Wechselbeziehungen zueinander. Eine Vielfalt ökologischer Nischen in einem Ökosystem bedingt eine hohe Artenvielfalt, ebenso wie eine langsame Veränderungsgeschwindigkeit sowie abiotische Faktoren nahe am Optimum (zum Beispiel tropische Regenwälder, Korallenriffe). Abiotisch weniger günstige Ökosysteme enthalten auch weniger Arten, sind dafür aber reich an hoch spezialisierten Individuen (zum Beispiel Wüsten, salzreiche Habitate).

Funktionsweise eines Ökosystems

Energiefluss

Ökosysteme weisen wie technische Systeme einen Energiefluss auf, der durch das System hindurch fließt und es belebt. Letztlich beruht das System auf der auf der Oberfläche auftreffenden solaren Energie, die von den Produzenten (Lebewesen, die aus abiotischen „Zutaten“ Kohlenhydrate herstellen können, wie Pflanzen, Photosynthese betreibende Algen) aufgenommen wird. Die Zersetzer oder Destruenten lösen organisches Material (abgestorbene Pflanzenteile, Kot) wieder zu mineralisierter Materie auf, die wiederum den Produzenten als Nahrungsgrundlage dient. Ein einfaches Ökosystem kann also lediglich aus Produzenten und Destruenten bestehen.

In der Regel ist die Situation jedoch komplexer. Pflanzen dienen neben den Destruenten auch den Pflanzenfressern oder Herbivoren als Nahrungsgrundlage (Konsumenten erster Ordnung oder „Primärkonsumenten“ wie zum Beispiel pflanzenfressende Säugetiere). Die Menge der gefressenen Pflanzenmasse oder Konsumrate der Herbivoren kann zwischen 10 und 90 Prozent der gesamten Pflanzenmasse variieren. Es folgen die Konsumenten zweiter Ordnung (Fleischfresser, zum Beispiel kleinere Raubtiere) und dritter Ordnung (größere Raubtiere, die kleinere Raubtiere fressen). Ausscheidungen der Konsumenten sowie organisches Material („Aas“) werden wiederum von den Destruenten (Bakterien, Pilze, Würmer) zersetzt und gelangen so ebenfalls wieder in den Stoffkreislauf, der somit auch mit dem Energiekreislauf verbunden ist.

#####1#####
Pflanzen sind in der Lage aus das einfallende Sonnenlicht zu nutzen: Sie betreiben Photosynthese. Lichtenergie, Kohlendioxid (CO2) und Wasser werden so in Sauerstoff und Energie umgewandelt.

Pflanzen sind in der Lage aus das einfallende Sonnenlicht zu nutzen: Sie betreiben Photosynthese. Lichtenergie, Kohlendioxid (CO2) und Wasser werden so in Sauerstoff und Energie umgewandelt.

Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de

Sonnenenergie, die die Pflanzen aufgenommen haben, wird bei jedem Wechsel der Trophieebene (Wissensbeitrag s. unten), also von Produzenten zu Konsumenten zu Destruenten schrittweise umgewandelt. Bei jedem dieser Übergänge wird Energie in Form von Wärme frei. Daher werden Ökosysteme auch als offene Systeme bezeichnet. Die Lebewesen selbst haben durch ihren inneren Aufbau die Möglichkeit, die durch den Organismus hindurch fließende Energie für Stoffwechselprozesse zu nutzen, indem sie Energiegefälle wie zum Beispiel die Atmungskette zur kontrollierten Energiefreisetzung oder zur vorübergehenden Speicherung  verwenden.

Neben Sonnenenergie können Lebewesen wie Bakterien auch Energie aus chemischen Reaktionen gewinnen und nutzen (Chemoautotrophie). Dies ist dort von Bedeutung, wo keine Sonnenstrahlung hin gelangt, wie in die Tiefsee. Hier dient die Energie der von vulkanischer Aktivität (zum Beispiel der „Black Smoker“ an den Mittelozeanischen Rücken) freigesetzten chemischen Verbindungen, meist Schwefelverbindungen, zum Ankurbeln des Energieflusses und der Stoffkreisläufe.

Stoffkreisläufe

Mit Ausnahme des Kohlenstoffkreislaufes sind die Stoffkreisläufe innerhalb von Ökosystemen nahezu geschlossen. Beim Kohlenstoffkreislauf gelangt Kohlenstoff in Form von CO2 in das Ökosystem und wird durch die Pflanzen in Kohlenstoff-Verbindungen („Kohlenhydrate“) umgebaut. Diese werden von den Konsumenten aufgenommen und im Zuge der Energiegewinnung („Glykolyse“) verbraucht. Der Kohlenstoff gelangt so als CO2 wieder in die Atmosphäre, wo er erneut von den Pflanzen fixiert wird. Der natürliche Kohlenstoffkreislauf ist also ein geschlossener Kreislauf mit einem globalen Gleichgewicht.

Andere Kreisläufe wie der Stickstoff- oder der Phosphorkreislauf bleiben größtenteils geschlossen. Die in abgestorbenen Blättern oder anderer organischer Materie enthaltenen Nährstoffe gelangen über Zersetzungsprozesse wieder in den Boden, wo sie erneut von den Pflanzen aufgenommen werden können. Der Boden kann auch je nach Beschaffenheit als Nährstoffspeicher dienen. Eine Zerstörung zum Beispiel der Humusschicht oder ein Versauerungsschub kann die Speicherkapazität des Bodens zerstören und das Ökosystem so aus dem Takt bringen, so dass es geschwächt oder sogar ganz zerstört wird. Ein Verlust von Nährstoffen ist auch durch Verfrachtung möglich, etwa durch Wasser oder Wind. Auch wandernde Tiere verfrachten Nährstoffe. Sie nehmen Pflanzen auf, wandern weiter und geben den Kot mit den enthaltenen Nährstoffen an anderer Stelle wieder ab.

#####text2#####
Ökosysteme und der Mensch

Lesen sie hier mehr dazu!

Ökosysteme und der Mensch

Lesen sie hier mehr dazu!

Bildquelle: © Glasmost / pixelio.de

Neben dem Nährstoffverlust kann auch eine starke Zufuhr von außen ein Ökosystem schwächen, zum Beispiel durch erhöhte Phosphateinträge in ein Gewässer. Phosphat ist in der Regel der begrenzende Faktor beim Pflanzenwachstum. Kommt er plötzlich durch menschliches Zutun in künstlich erhöhter Konzentration vor, kommt es zum Beispiel bei warmem Wetter zu einem starken Wachstum, meist von Algen. Durch das erhöhte Pflanzenwachstum und die dadurch anfallenden großen Mengen toter organischer Substanz kann der Sauerstoffgehalt durch die darauffolgende Zersetzung so stark abnehmen, dass die Teile der Nahrungskette, die von Sauerstoff abhängig sind, durch Sauerstoffmangel zugrunde gehen. Das bezeichnet man umgangssprachlich als ein „umgekipptes“ Gewässer.

Standortfaktoren/Umweltfaktoren

Der Standort beschreibt das Zusammenspiel verschiedener Umweltfaktoren, die ein Ökosystem beeinflussen. Man unterscheidet dabei zwischen biotischen Faktoren (zum Beispiel Konkurrenz, Wildverbiss, Bodenorganismen, Symbionten, etc.) und abiotischen Faktoren (Klima, Bodentyp, Bodenart, Relief, Grundwasserhöhe, Salzgehalt, etc.). Je nach örtlicher Situation wirken unterschiedliche Faktoren einzeln oder zusammen begrenzend auf die Entwicklung. Ist ein abiotischer Faktor dominierend, zum Beispiel Wassermangel, spricht man von einem Extremstandort.

Wie entsteht ein Ökosystem?

Sukzession

Mit Sukzession beschreibt man allgemein die Entwicklung eines Ökosystems vom Initialstadium, also der Ausgangslage (kahler Boden, Fels) bis hin zum Klimaxstadium, der Situation, wenn sich ein stabiles Fließgleichgewicht („dynamisches“ Gleichgewicht im Gegensatz zum „statischen“ Gleichgewicht) eingestellt hat.

#####2#####
Bei der Entwicklung eines Ökosystems kommt es zur Erstbesiedelung durch sogenannte Pionierarten wie Moose und Flechten. 

Bei der Entwicklung eines Ökosystems kommt es zur Erstbesiedelung durch sogenannte Pionierarten wie Moose und Flechten. 

Bildquelle: © Dieter Schütz/ pixelio.de

Im Initialstadium erfolgt in der Regel eine Erstbesiedlung durch sogenannte Pionierarten wie Moose und Flechten. Zwischen den Flechten sammelt sich mit der Zeit eine Mischung aus angewehtem Sand und organischem Material, so dass die Bodenbildung einsetzen kann. Auf dem sich entwickelnden Rohboden siedeln erste höher entwickelte Pionierpflanzen, zum Beispiel Birken. Das wird als Folgestadium bezeichnet. Sie zeichnen sich durch eine hohe Reproduktivität aus (sogenannte Reproduktivitäts- oder R-Strategen). Durch eine Veränderung der Standortbedingungen, zum Beispiel stärkere Humusbildung, bereiten sie so den Weg für weitere höher entwickelte Pflanzen (sogenannte Kapazitäts- oder K-Strategen, weil sie die Kapazitäten des Lebensraumes besser nutzen und daher die R-Strategen verdrängen können), so dass sich nach und nach zum Beispiel ein Wald entwickeln kann. Das Klimaxstadium ist erreicht, wenn sich ein Ökosystem mit einer stabilen Artenzusammensetzung („Klimaxgesellschaft“) entwickelt hat, wie zum Beispiel beim Hallenbuchenwald, der als typische Klimaxvegetation Mitteleuropas gilt. In dieser Klimaxgesellschaft kommen so gut wie keine neuen Arten mehr hinzu, weil alle ökologischen Nischen besetzt sind. Diese Entwicklung wird als primäre Sukzession bezeichnet.

Sukzession findet auch in bestehenden Ökosystemen statt. Durch die Änderung der Umweltbedingungen, zum Beispiel durch Klimaänderungen oder durch einen Waldbrand, verändert sich das Gleichgewicht innerhalb des Ökosystems und folgt den Veränderungen durch Anpassung (sekundäre Sukzession). Damit ändert sich auch die Artenzusammensetzung, feuchtigkeitsliebende Pflanzen weichen beispielsweise trockenresistenten Pflanzen, wenn die Niederschläge ausbleiben. Ein Ökosystem kann aber auch selbst die Bedingungen verändern, zum Beispiel durch die Verlandung eines Sees durch Pflanzenbewuchs.

Störungen eines Ökosystems

Eine Störung ist ein von außen auf das System einwirkender Faktor, der zu einer Veränderung führt und der Sukzession entgegenwirkt. Dieser kann als Störung erster Ordnung, wie regelmäßige Überflutung von Auenwäldern, Abweiden von Grünland oder einschneidender als Störung zweiter Ordnung wie Verwüstung durch Erdbeben, schweren Sturm, Erdrutsch bezeichnet werden. Nach Störungen zweiter Ordnung beginnt die Sukzession in der Regel neu. Wichtig ist dabei die Stabilität des betroffenen Ökosystems, also die Art und Weise, wie das Ökosystem auf diese Störung reagiert. Ein Ökosystem, das eine Störung gut wegsteckt und nach deren Ende wieder in die Ausgangslage zurückkehrt, nennt man resilient. Ein Ökosystem, das sich während der Störung kaum bis gar nicht verändert, wird als resistent bezeichnet. Ein persistentes Ökosystem wird charakterisiert durch kaum wahrnehmbare Veränderungen über einen langen Zeitraum.