Visionäre Weidewirtschaft

Interview mit Dr. Michael Peters

07.10.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dr. Michael Peters. (Quelle: © CIAT)

Dr. Michael Peters. (Quelle: © CIAT)

Die Landwirtschaft ist einer der größten Verursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen. Besonders die Tierhaltung steht immer wieder in der Kritik, weil der Flächenbedarf für Weiden enorm groß ist. Dr. Michael Peters vom CIAT in Kolumbien will Tierhaltung nicht verteufeln, sondern mit Hilfe eines ganz besonderen Grases die Umweltbilanz verbessern. Weniger Treibhausgase, bessere Lebensbedingungen für die Bauern und mehr Naturschutz sind sein Ziel.

Pflanzenforschung.de: Herr Peters, Sie haben bereits eine interessante Karriere hinter sich. Ihre Forschungsarbeit fand fast ausschließlich in Entwicklungsländern statt. Zaïre, Nigeria, Äthiopien und jetzt Kolumbien. Wie kam es dazu?

Dr. Michael Peters: Schon während meines Studiums der Agrarwissenschaften in Gießen habe ich mich auf tropische Landwirtschaft spezialisiert. Dann bin ich auf Weidewirtschaft und Futterpflanzen gestoßen und ging noch während meines Studium im Rahmen der Diplomarbeit für acht Monate in die Demokratische Republik Kongo, die damals noch Zaïre hieß.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie sich ganz gezielt dafür entschieden, Agrarwissenschaften zu studieren, weil Sie die Ernährungssituation in armen Ländern verbessern wollten?

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14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto von Ackerbau und Viehzucht.

14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto von Ackerbau und Viehzucht.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ tsz01

Dr. Michael Peters: Ja, ich habe mich schon während der Schulzeit für diesen Weg entschieden. Dann hatte ich Glück und kann jetzt genau in dem Job arbeiten, den ich mir mit 25 Jahren erträumt habe. Das ist wahrscheinlich außergewöhnlich, dass das so klappt.

Pflanzenforschung.de: Jetzt sind Sie schon seit 1998 am Internationalen Zentrum für tropische Landwirtschaft (CIAT), das seinen Hauptsitz in Cali in Kolumbien hat. Was hat Sie von Afrika nach Südamerika gebracht?

Dr. Michael Peters: Das ist einfach so passiert. Das CIAT ist ja eine sehr angesehene Institution insbesondere im Bereich der Futterpflanzenforschung und ich habe mich von Deutschland aus auf eine Stelle beworben. Bis 2007 war ich im Bereich der genetischen Ressourcen tätig, jetzt bin ich Koordinator des Programms „Tropische Futterpflanzen“. Dazu gehören etwa 50 Leute, die auf der ganzen Welt verteilt arbeiten, im tropischen Afrika, Asien und Lateinamerika.

Pflanzenforschung.de: Welche Pflanzen werden denn in den Tropen hauptsächlich als Futterpflanzen angebaut?

Dr. Michael Peters: Die größte Bedeutung haben definitiv Gräser der Gattung Brachiaria. Allein in Brasilien reden wir da von 80 bis 90 Millionen Hektar. Es gibt auch noch ein paar andere Gräser wie Panicum und ein paar Leguminosen, aber nichts reicht an Brachiaria heran.

Pflanzenforschung.de: Was ist so besonders an Brachiaria? Was kann dieses Gras, was andere nicht können?

Dr. Michael Peters: Eine ganze Menge! Brachiaria ist sehr produktiv, die Gräser wachsen schnell, binden extrem viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre und sind exzellente, nährstoffreiche Futtergräser. Die Art Brachiaria humidicola hat darüber hinaus noch eine weitere Eigenschaft, die sich positiv aufs Klima auswirkt. Sie verhindert die Nitrifikation…

Pflanzenforschung.de: … also den Prozess, bei dem Bodenbakterien Ammonium in Nitrat umwandeln. Nitrifikation ist ein wichtiger Grund dafür, dass 70 Prozent des Stickstoffs nie in der Pflanze ankommen. Denn Nitrat ist extrem flüchtig. Es wird in Gewässer ausgewaschen und löst Algenblüten aus oder entweicht als Distickstoffmonoxid (N2O, auch Lachgas genannt) in die Atmosphäre. Und N2O gehört zu den schlimmsten Treibhausgasen. Es erwärmt die Erde 300 Mal mehr als Kohlendioxid.

Dr. Michael Peters: Im Zuge des Klimawandels ist das Interesse an den Umwelteffekten von Brachiaria überhaupt erst gestiegen. Dass diese Pflanze eine gute Weidepflanze ist, war schon länger klar. Aber erst seitdem man weiß, dass ihre Wurzeln ein Molekül abgeben, das Stickstoffverluste des Bodens erheblich reduziert, ist die Forschung intensiviert worden. Wichtige Partner sind das Japan International Research Center for Agricultural Sciences (JIRCAS) und die Universität Hohenheim.

Pflanzenforschung.de: Die Landwirtschaft ist ja bei den Treibhausgasemissionen nicht zu vernachlässigen. Lachgas im Pflanzenbau z.B. im Reisanbau und die Methanemission der Wiederkäuer sind Hauptquellen und Stellschrauben, um eine klimaneutrale Landwirtschaft zu betrieben.

Dr. Michael Peters: Eben. Und etwa 50 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft kommen aus dem Bereich der Tierhaltung, einfach weil die zurzeit den größten Flächenbedarf hat.

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Gräser der Gattung Brachiaria werden in den Tropen als Futterpflanzen angebaut.

Gräser der Gattung Brachiaria werden in den Tropen als Futterpflanzen angebaut.

Bildquelle: © J.W. Miles

Pflanzenforschung.de: Von den 4.9 Milliarden Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind allein 3,2 Milliarden Hektar Weideland und weitere 0,5 Milliarden Hektar werden für den Anbau von Futtermitteln verwendet. Da kommen ganz schön viele Stickstoff-Emissionen zusammen.

Dr. Michael Peters: Genau. Wir wollen aber die Tierhaltung nicht verteufeln, sondern stattdessen den Stier bei den Hörnern packen und diese Bilanz ins Positive drehen.

Pflanzenforschung.de: Sie haben die biologische Nitrifikations-Inhibition (BNI) als Technologie mit dreifachem Gewinn bezeichnet. Sie sichert den Bauern die Existenz, verbessert die Versorgung mit ausgewogenen Nahrungsmitteln und schont gleichzeitig Umwelt und Klima. Gibt es denn gar keine Nachteile?

Dr. Michael Peters: Das Problem ist, dass Brachiaria-Weiden am besten funktionieren, wenn sie gut gemanagt werden. In guten Weiden können sie zum Beispiel fast so viel Kohlenstoff binden wie in einem Wald. Da drin steckt ein riesiges Potential. Das funktioniert aber erst ab einer bestimmten Niederschlagsmenge und der richtigen Bewirtschaftung.

Pflanzenforschung.de: Was bedeutet es denn, eine Weide gut zu bewirtschaften?

Dr. Michael Peters: Es gibt sehr viele Tierhalter, die gehen da so ran: Wir haben eine Fläche, wir haben Tiere. Die Tiere stellen wir auf die Fläche und das war’s dann. Mehr machen wir nicht.

Pflanzenforschung.de: Das hätte ich vermutlich auch so gemacht.

Dr. Michael Peters: Man muss sich aber um Weiden kümmern wie um Feldfrüchte. Sonst funktioniert das System längerfristig nicht. Man darf nicht überweiden und muss den Flächen Ruhezeiten gestatten. Der Nährstoffhaushalt muss stimmen, die Unkräuter dürfen nicht überhand nehmen und alle zehn Jahre muss auch mal neues Saatgut auf die Weide.

Pflanzenforschung.de: Wissen die Bauern denn, wie man Weiden gut bewirtschaftet oder gibt es zumindest Weiterbildungsprogramme?

Dr. Michael Peters: Leider viel zu wenige. Das kommt auch daher, dass die Bedeutung noch nicht voll erfasst worden ist. Aber jetzt kommen Impulse aus der Politik. Brasiliens Klimastrategie beruht zu einem großen Teil darauf, degradierte Weiden zu renovieren. Auf einer guten Weide können zwei bis drei Mal so viele Tiere stehen wie auf einer schlechten Weide, ohne die Umwelt zu schädigen. Und die freigewordenen Flächen stünden dann für den Anbau von Feldfrüchten zur Verfügung.  Oder, was noch besser wäre, sie werden aufgeforstet und in Reservate umgewandelt.

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Abgeholzte Fläche im tropischer Regenwald (Brasilien, Amazonas).

Abgeholzte Fläche im tropischer Regenwald (Brasilien, Amazonas).

Bildquelle: © Neil Palmer (CIAT)

Pflanzenforschung.de: Weidewirtschaft wird in Südamerika aber oft nicht mit Reservaten, sondern mit der Abholzung des tropischen Regenwalds in Zusammenhang gebracht.

Dr. Michael Peters: Das stimmt, aber wir wollen auf keinen Fall, dass für Weiden neuer Regenwald abgeholzt wird, wir wollen die bisherigen Flächen besser machen, Stichwort „nachhaltige Intensivierung“. Dafür brauchen wir aber die Politik. Kolumbien will seine Weideflächen auf die Hälfte reduzieren. Für die nächsten zehn Jahre ist eine Reduktion von derzeit 40 Millionen Hektar auf 30 Millionen Hektar geplant. Brasilien geht in die gleiche Richtung.

Pflanzenforschung.de: Wäre denn Brachiaria auch Deutschland geeignet?

Dr. Michael Peters: Nein, das ist eine tropische Pflanze. Sie kommt aus Zentralafrika und kam mit Sklavenschiffen nach Südamerika. In diesen Gebieten fühlt sie sich wohl, auch Australien, Südostasien und das südliche Nordamerika sind Anbaugebiete. Aber natürlich hat Deutschland auch Interesse daran, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Lebensbedingungen von Kleinbauern zu verbessern. Hier sind wir besonders dankbar für die Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Pflanzenforschung.de: Sie versuchen ja auch, wichtige Nutzpflanzen wie Reis oder Weizen darauf zu trimmen, die Nitrifikation im Boden zu stoppen. Wie sind denn da die Erfolgschancen?

Dr. Michael Peters: Brachiaria hatte diese Fähigkeit bereits, wir haben sie nur durch klassische Züchtungsmethoden verstärkt. Bei einer direkten Anwendung von BNI in Weizen oder Reis müsste man mit Gentechnik ran und die Erfolgschancen stehen, denke ich, recht gut. Das Potential ist riesig, aber man muss klar sagen, dass noch in den Sternen steht, ob es funktioniert und wann es funktioniert.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!