Vom ersten Biss

Was sind eigentlich Esspflanzen?

16.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ob Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Vitamine oder Mineral- und Ballaststoffe – Pflanzen versorgen unseren Körper mit dem, was er braucht. (Quelle: © ra2 studio - Fotolia.com)

Ob Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Vitamine oder Mineral- und Ballaststoffe – Pflanzen versorgen unseren Körper mit dem, was er braucht. (Quelle: © ra2 studio - Fotolia.com)

Pflanzen ernähren uns. Doch wie heißt es so schön: Alles ist essbar, aber manches nur einmal. Am Anfang war es einfaches Versuchen, später gezielte Züchtungsmethoden, mit denen der Mensch die Pflanzen zu einem wichtigen Teil seiner Nahrung gemacht hat.

Der Mensch ist bekanntlich ein Allesfresser. Das heißt er ist nicht nur auf den Verzehr von Fleisch angelegt, sondern kann sich auch von Pflanzen ernähren. Doch um sich in der unglaublichen Vielfalt der pflanzlichen Natur zurecht zu finden, muss man wissen, was gesund und was schädlich ist. Für uns ist es heutzutage zwar selbstverständlich, dass wir unbedenklich in eine Karotte oder einen Apfel beißen können. Aber das war nicht immer so. Denn jedes Nahrungsmittel musste zunächst einmal als genießbar erkannt werden. Und so muss vor vielen tausend Jahren einer unserer Vorfahren der erste gewesen sein, der mutig den ersten Biss in eine runde rot-grüne Baumfrucht wagte und damit den Apfel für die Menschheit erschloss.

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Der Mensch ist ein Allesfresser. Pflanzen spielen dabei eine entscheidende Rolle und versorgen uns mit essentiellen Nährstoffen.

Der Mensch ist ein Allesfresser. Pflanzen spielen dabei eine entscheidende Rolle und versorgen uns mit essentiellen Nährstoffen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/Elena Schweitzer

Der Mensch, ein Pflanzenesser

Zweifellos erfüllen Pflanzen wichtige Funktionen im Ernährungsplan des Menschen. So sind sie nicht nur schön anzusehen und schmackhaft, sondern sie liefern essentielle Bausteine für unser Überleben. Ob Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Vitamine oder Mineral- und Ballaststoffe – Obst, Gemüse, Getreide und Ölpflanzen versorgen unseren Körper mit dem, was er braucht. Eine ausgewogene Ernährung mit Pflanzen gilt daher heute als wichtige Voraussetzung für ein gesundes Leben. Galten zum Beispiel in unseren Breitengraden Vegetarier vor einigen Jahrzehnten noch als Exoten, gewinnt die rein pflanzliche Ernährung zunehmend an Bedeutung.

Das war jedoch nicht immer so. Anscheinend hat der menschliche Körper die Verwertung pflanzlicher Stoffe im Laufe der Evolution immer weiter optimiert.  Eine genetische Veränderung, die vor knapp 100.000 Jahren stattfand, befähigte unsere afrikanischen Vorfahren beispielsweise die Docosahexaensäure (DHA), die für die Entwicklung des Gehirns notwendig ist, auch aus Pflanzen zu verwerten. Die Menschen waren somit nicht mehr ausschließlich auf Fisch und Meeresfrüchte als DHA-Lieferanten angewiesen. Dieser evolutionäre Schritt ist von großer Bedeutung für den Menschen gewesen, denn dadurch war er nicht mehr nur von fischreichen Gewässer abhängig. Er konnte sich auch in Gebieten ansiedeln, in denen er sich stärker von Pflanzen ernähren und langfristig auch die Kultivierung von Pflanzen durch Ackerbau beginnen konnte.

Entdeckung der Esspflanzen

Leider sind aber nicht alle Bestandteile von Pflanzen förderlich. Die meisten enthalten Stoffe, die als toxisch gelten. Hierbei kommt es aber auf die Dosis an. Bekannte Beispiele, bei denen man Vorsicht walten lassen sollte, sind Bohnen, die in roher Form Lektine enthalten und für den Menschen schon in geringen Mengen sehr giftig sein können, oder aber Nachtschattengewächse wie beispielsweise Auberginen oder Tomaten, die ebenfalls die für den Menschen giftigen Alkaloide enthalten – allerdings nicht in tödlicher Menge.

Beim Genuss von Pflanzen gibt es unterschiedliche Kriterien: manche Gewächse sind einfach ungenießbar, andere wirklich giftig. Oftmals ist der Unterschied vom einen zum anderen nur sehr gering – aber entscheidend! Die Sammler und Jäger aus Vorzeiten waren auf die Methode Versuch und Irrtum angewiesen. Allerdings bedeutete Irrtum – also der Griff zur falschen Pflanze – nicht selten den Tod. Somit war für unsere Vorfahren wahrscheinlich ein nicht unerheblicher Faktor, das Verhalten von anderen Gattungsgenossen und von Tieren zu beobachten und sich an deren Essgewohnheiten zu orientieren. Dadurch begann ein Lernprozess ein, der sich in der Folge von Mensch zu Mensch fortsetzte.

Nicht zu unterschätzen sind auch die physiologischen Entwicklungen des Menschen, wie der Geruchs- und Geschmackssinn. Dieser erlaubt uns, eine Vorauswahl zwischen genießbaren und ungenießbaren Nahrungsmitteln zu treffen. Ein schlechter Geruch oder ein unangenehmer Geschmack sind oft ein Hinweis auf Ungenießbarkeit oder auf giftige Inhaltsstoffe.

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Auberginen (Solanum melongena) gehören zu den Nachtschattengewächsen und enthalten wie auch Tomaten oder Kartoffeln geringe Mengen des schwach giftigen Stoffs Solanin.

Auberginen (Solanum melongena) gehören zu den Nachtschattengewächsen und enthalten wie auch Tomaten oder Kartoffeln geringe Mengen des schwach giftigen Stoffs Solanin.

Bildquelle: © Brigitte Heinen / pixelio.de

Der Jäger wird zum Bauern

Vor etwa 12.000 Jahren wurde der Mensch sesshaft und erlangte nun zunehmend die Fähigkeit, Pflanzen anzubauen und auf den eigenen Geschmack abzustimmen. Nachgewiesen ist in den Gebieten des „Fruchtbaren Halbmonds“, das sich vom heutigen Israel über Saudi-Arabien, Syrien, Türkei, Irak bis zum Iran erstreckte, der Anbau von Gerste, Emmer und Einkorn, und damit Urformen des heutigen Weizens, später kam auch Roggen dazu. Ähnliche Entwicklungen gab es nahezu zeitgleich auf allen Kontinenten der Erde. Damit waren entscheidende Schritte in der Ernährungsgeschichte des Menschen getan. Diese ersten Erfahrungen wurden dann in den folgenden Jahrtausenden ständig verbessert und auf immer neue Pflanzensorten ausgeweitet.

Pflanzen à la carte

Moderne Pflanzenzucht geht hier sogar noch einen Schritt weiter. Hierbei wird nicht mehr nur durch jahrelange geduldige Zucht auf eine Verbesserung der Qualität und Genießbarkeit hingewirkt, sondern es werden die neuesten Erkenntnisse der Pflanzenforschung genutzt, um gezielt Bestandteile der Pflanzen an menschliche Bedürfnisse anzupassen. Das betrifft zum einen das Aussehen, den Geschmack oder auch den Geruch; zum anderen aber vor allem die kontinuierliche Reduktion schädlicher Stoffe in den Pflanzen. Ein besonders prägnantes Beispiel sind die Kartoffeln. So konnte in den letzten Jahren Kartoffeln gezüchtet werden, bei denen das giftige Solanin sehr stark reduziert wurde, das in höheren Dosen zu schweren Magen-Darm-Erkrankungen führen kann. Forschern gelang es, die an der Produktion des Solanin beteiligten Gene auszuschalten und so dessen Anteil um das 74fache (im Vergleich zum Wildtyp) zu reduzieren.

Dieser Erfolg zeigt, dass diese Forschung große Chancen eröffnet, Pflanzen an den menschlichen Geschmack und die menschliche Physiologie noch besser anzupassen, und dass wir hierbei erst am Anfang stehen. Doch ohne den Mut des Menschen, der als erster den Biss in eine Pflanze wagte, wäre diese Forschung überhaupt nicht möglich.


Weiterführende Informationen:

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2013): Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Ob Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate, Vitamine oder Mineral- und Ballaststoffe – Pflanzen versorgen unseren Körper mit dem, was er braucht. (Quelle: © ra2 studio - Fotolia.com)