Wachstum auch in Stresssituationen

DELLA-STRESS erforscht das Potenzial von DELLA-Proteinen

23.05.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Unter anderem mit Experimenten im Gewächshaus wollen Forscherinnen und Forscher des Projektes

Unter anderem mit Experimenten im Gewächshaus wollen Forscherinnen und Forscher des Projektes "DELLA-STRESS" mehr über DELLA-Proteine herausfinden. (Bildquelle: © Julia Diener/Claus Schwechheimer (TUM)

Das PLANT 2030-Projekt „DELLA-STRESS“ widmet sich der Rolle von sogenannten „DELLA-Proteinen“ bei der pflanzlichen Antwort auf abiotischen Stress, wie Salzstress. DELLA-Proteine werden bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana mit erhöhter Stresstoleranz in Verbindung gebracht. Sie haben allerdings auch die Funktion, das Wachstum der Pflanzen zu hemmen. Ziel ist es, mehr über diese Proteine herauszufinden und zu untersuchen, ob die positiven Effekte im Hinblick auf die Stresstoleranz von der oft unerwünschten Wachstumshemmung durch molekulare Kniffe voneinander trennbar sind.

Abiotischer Stress, wie beispielsweise extreme und langanhaltende Trockenheit oder hohe Salzkonzentrationen im Boden, sind eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit. Bei widrigen Umweltbedingungen sinken die Ernteerträge oder führen im schlimmsten Fall zu Komplettausfällen. Daher sucht man nach Möglichkeiten, Pflanzen toleranter gegenüber diesen Umweltfaktoren zu machen.

Einen interessanten Ansatzpunkt wählten die Forscherinnen und Forscher, die sich im PLANT 2030-Projekt „DELLA-STRESS“ zusammengefunden haben: Sie untersuchen die Rolle, die sogenannte DELLA-Proteine bei der Reaktion von Pflanzen auf abiotischen Stress spielen.

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Im Projekt

Im Projekt "DELLA-STRESS" wurden Pflanzen künstlichem Salztress ausgesetzt. Hier abgebildet ein Vergleich von Tomatenblätter nach der Behandlung mit unterschiedlichen Konzentrationen von Kochsalz (NaCl): Von links nach rechts steigen die Konzentrationen, denen die Pflanzen ausgesetzt wurden.

Bildquelle: © Julia Diener/Claus Schwechheimer (TUM)

Vom Modell zur Nutzpflanze?

„Das Projekt „DELLA-STRESS“ basiert auf der Beobachtung, dass bestimmte Mutationen im Bereich der DELLA-Proteine bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana zu einem besseren Wachstum und einer höheren Überlebenschance nach abiotischen Stresssituationen führen“, erklärt der Koordinator des Projektes, Prof. Dr. Claus Schwechheimer. Er hat den Lehrstuhl für Systembiologie der Pflanzen am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München inne und forscht seit über zehn Jahren an DELLA-Proteinen.

Bei Nutzpflanzen ist die Stabilität des Ertrags auch unter ungünstigen Umweltbedingungen, sowohl qualitativ als auch quantitativ, ein wichtiges Ziel. Daher ist es interessant zu überprüfen, ob man diese Beobachtung bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana – zu Deutsch Ackerschmalwand – auch auf Nutzpflanzen übertragen kann. Im Projekt „DELLA-STRESS“ wird daher auch mit den Kulturpflanzen Reis (Oryza sativa) und Tomate (Solanum lycopersicum) gearbeitet.

Die Kehrseite: DELLA-Proteine sind Wachstumsrepressoren

DELLA-Proteine gibt es bei allen höheren Pflanzen. Die DELLA-Proteine bekamen ihren Namen von einer für diese Proteine charakteristischen und hochkonservierten Aminosäureabfolge, die sich in der Sprache der Biochemiker (im Einbuchstabencode) als „DELLA“ abkürzen lässt. Hinter dem Namen „DELLA“ verbergen sich die fünf Aminosäuren: D = Asparaginsäure, E = Glutaminsäure, L = Leucin, L = Leucin und A = Alanin.

Auf molekularer Ebene hemmen DELLA-Proteine in den allermeisten bisher bekannten Fällen Transkriptionsfaktoren und wirken daher als Repressoren. Diese Hemmwirkung auf biochemischer Ebene übersetzt sich in aller Regel in eine Hemmung des Wachstums, was oft zu kleinwüchsigen Pflanzen führt. Während ihres normalen Wachstums kann die Pflanze die Hemmwirkung durch Hormone aus der Gruppe der Gibberelline (GA) aufheben, und für diesen Prozess ist die DELLA-Sequenz funktionell sehr wichtig.

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Das PLANT 2030-Projekt

Das PLANT 2030-Projekt "DELLA-STRESS" widmet sich der Rolle von DELLA-Proteinen bei der pflanzlichen Antwort auf abiotischen Stress.
Mehr zum Projekt finden Sie in unserer: Projektdatenbank

Das Zusammenspiel von GA und DELLAs

Gibberelline steuern Wachstumsprozesse bei Pflanzen. Unter stressfreien Bedingungen bindet GA an den Gibberellinrezeptor, welcher daraufhin beginnt, den Abbau der DELLA-Proteine einzuleiten. So werden die DELLA-Proteine daran gehindert, ihre Funktion als Wachstumsrepressoren auszuüben. Über eine Veränderung der Menge an hergestelltem Gibberellin kann die Pflanze gezielt die Menge an DELLA-Protein kontrollieren und regelt so verschiedene Aspekte ihres Wachstums. Unter anderem sinkt bei Stress der GA-Gehalt und die DELLA-Proteinkonzentration steigt folglich an. Das wiederum führt zu einem verminderten Wachstum.

Liegen Mutationen in der DELLA-Domäne vor, wird der Abbau-Prozess unterbunden. Die DELLA-Proteine liegen dann in stabiler Form vor – sie sind dann gegenüber dem Gibberellin unempfindlich, wodurch es zu einer kontinuierlichen Hemmung der Wachstumsprozesse kommt. Dies erklärt sich dadurch, dass die „DELLA“-Aminosäuresequenz für die spezifische Interaktion mit dem Gibberellinrezeptor benötigt wird. Fehlt sie, können die DELLA Proteine nicht abgebaut werden.

Übergeordnetes Ziel: Stress ohne Ertragsverluste

Das eingeschränkte Wachstum von gestressten Pflanzen lässt sich zum Teil durch eine verringerte GA-Synthese und erhöhte DELLA-Mengen erklären. In vielen Fällen hat diese Wachstumsverminderung eine positive Auswirkung auf die Überlebenschance der Pflanze. Gleichzeitig führt sie jedoch zu Einbußen beim Ertrag der Pflanzen. Umgekehrt gibt es Pflanzen, wie den Weizen und die Gerste, bei denen eine züchterisch gewünschte und über DELLA-Proteine vermittelte Wachstumshemmung vorliegt.

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Anwendungsbeispiel der Gibberellin-Forschung:  Züchtungserfolg durch Änderung der pflanzlichen Architektur  
Die meisten Weizensorten, die heute angebaut werden, sind „Gibberellin-Mutanten“, die absichtlich züchterisch in ihrem Wachstum gehemmt wurden. Dadurch entstehen stabile Pflanzen mir einer verringerten Wuchshöhe, die nicht so leicht umknicken können. Diese Pflanzen wachsen nicht so stark in die Länge und können die „gesparte“ Energie in die Produktion der Weizenkörner stecken. Diese sogenannten Kurzstrohsorten halfen dabei, erhebliche Ertragssteigerungen zu erzielen und diese führten zusammen mit anderen Faktoren zu den später als

Anwendungsbeispiel der Gibberellin-Forschung:
Züchtungserfolg durch Änderung der pflanzlichen Architektur  

Die meisten Weizensorten, die heute angebaut werden, sind „Gibberellin-Mutanten“, die absichtlich züchterisch in ihrem Wachstum gehemmt wurden. Dadurch entstehen stabile Pflanzen mir einer verringerten Wuchshöhe, die nicht so leicht umknicken können. Diese Pflanzen wachsen nicht so stark in die Länge und können die „gesparte“ Energie in die Produktion der Weizenkörner stecken. Diese sogenannten Kurzstrohsorten halfen dabei, erhebliche Ertragssteigerungen zu erzielen und diese führten zusammen mit anderen Faktoren zu den später als "Grüne Revolution" bezeichneten Erfolgen in der Landwirtschaft. Wegen seiner weitreichenden Konsequenzen für die Welternährung wurde der Protagonist dieser Anstrengungen, Norman Borlaug, mit dem Nobelpreis geehrt - dem Friedensnobelpreis.

Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de

Im „DELLA-STRESS“-Projekt untersuchen die Verbundpartner die Möglichkeit, die DELLA-vermittelte Stresstoleranz von der Regulation der Wachstums zu entkoppeln, um so gewünschte von ungewünschten Effekten trennen zu können. Wäre dies möglich, könnte man Pflanzen züchten, die auch bei Stress normal weiterwachsen und trotzdem über die DELLAs vor den Folgen der Stresssituation geschützt sind.

„Eine Möglichkeit wäre es, die DELLA-Proteine so zu verändern, dass sie nur einen Teil ihrer zahlreichen Interkationen auf Proteinebene eingehen können. Alternativ könnte man auch versuchen, mit Hilfe von chemischen Substanzen, gezielt die eine oder andere DELLA-Proteinwechselwirkung zu hemmen“, sagt Schwechheimer. Doch dafür muss zunächst noch mehr über DELLA-Proteine und die molekularen Vorgänge bei Stressantworten herausgefunden werden.

Beim „DELLA-STRESS“-Projekt blickt man hier speziell auf die Rolle der DELLA-Proteine bei Salzstress. Wenn man versteht, welche Transkriptionsfaktoren und Transkriptionsprozesse durch DELLAs beeinflusst werden, kann man diese möglicherweise gezielt steuern, um ihre positive Wirkung bei Stress zu verstärken.

Fünf Partner aus drei Ländern

Im Projekt „DELLA-STRESS“ sind fünf Partner aus drei Ländern – Deutschland, Spanien und Portugal – involviert. Auf deutscher Seite forscht die Arbeitsgruppe um den Koordinator Prof. Schwechheimer mit der spanischen Arbeitsgruppe um Dr. Salomé Prat vom Centro Nacionale de Biotechnologia (CNB) am Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) an stressspezifischen Transkriptomen. „Auf diese Weise haben wir neue Transkriptionsfaktoren bzw. Transkriptionsregulatoren gefunden, die über die DELLA-Proteine gesteuert werden“, beschreibt Schwechheimer. Am Ende sollen so die Genexpressionsnetzwerke bei Salzstress besser verstanden und mögliche Unterschiede bei den untersuchten Pflanzenarten identifiziert werden.

Auf der Suche nach Chemikalien, um die DELLA-Stabilisierung zu kontrollieren

Beim Industriepartner COPSEMAR steht der Reis im Fokus. Die Kooperative stammt aus der Nähe von Valencia in Spanien und stellt Reissaatgut für die Produktion des Paellareises her. Das Team um Dr. Luis Marques testet im Projekt bereits bekannte chemische Wachstumsinhibtoren, die die Synthese der Gibberelline in der Pflanze hemmen. Auch solche, die vom zweiten deutschen Projektpartner Dr. Tobias Sieberer von der Technischen Universität München gefunden wurden. Ziel dieses Projektteils ist es, die Effekte der neuen Wirkstoffe zu verstehen und zu sehen, in welchem Umfang die verschiedenen DELLA-Interaktionen spezifisch kontrolliert werden können.

„Im Zuge des Projekts wurden knapp 30.000 verschiedene Chemikalien daraufhin getestet, ob sie die Gibberellin-abhängige Interaktion zwischen dem Rezeptor und dem DELLA-Protein beeinflussen können“, beschreibt Sieberer. Dieser hohe Durchsatz war möglich, weil die Substanzen zunächst in einem Hefesystem vorselektiert wurden. Daraus resultierende Kandidaten wurden anschließend in der Ackerschmalwand analysiert. „Wir haben zwei, drei Chemikalien gefunden, die interessante Effekte aufweisen und untersuchen nun bei COPSEMAR, welche Wirkung sie auf das Reiswachstum haben“, sagt Sieberer.

Die Auswirkungen der SUMOylierung untersucht

Auf portugiesischer Seite forscht ein Team vom Instituto de Biologia Experimental e Tecnológica (iBet) ebenfalls an Reis. „Bei den Untersuchungen haben die portugiesischen Projektpartner beobachtet, dass Reissorten, die schon a priori höhere Konzentrationen an DELLA-Protein enthalten, besser gegen Stress geschützt sind“, fasst Schwechheimer zusammen.

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Versuchsaufbau eines Tomatenexperiments: Im Projekt „DELLA-STRESS“ wird neben der Modellpflanze Arabidopsis thaliana auch mit den Kulturpflanzen Reis (Oryza sativa) und Tomate (Solanum lycopersicum) gearbeitet.

Versuchsaufbau eines Tomatenexperiments: Im Projekt „DELLA-STRESS“ wird neben der Modellpflanze Arabidopsis thaliana auch mit den Kulturpflanzen Reis (Oryza sativa) und Tomate (Solanum lycopersicum) gearbeitet.

Bildquelle: © Julia Diener/Claus Schwechheimer (TUM)

Die Arbeitsgruppe um Dr. Isabel Abreu widmet sich im Projekt einem speziellen molekularen Regulationsmechanismus: Der SUMOylierung. Die SUMOylierung ist eine Form der posttranslationalen Modifikation, bei der sogenannte SUMO-Proteine an andere Proteine angehängt werden, wodurch sich die biochemischen Eigenschaften dieser Proteine verändern.

Man weiß bereits, dass diese Modifikationsform mit der Gibberellinsignaltransduktion in Verbindung steht und die Interaktion von DELLA-Proteinen und Gibberellinrezeptoren beeinflusst. Am Reis-DELLA-Protein wird nun analysiert, welche Auswirkungen die DELLA-SUMOylierung auf das Pflanzenwachstum hat. „Das interessante ist, dass man biochemisch sehen kann, dass die SUMOylierung bei Pflanzen durch verschiedene Stresse dramatisch ansteigt. Es ist daher ein wichtiger Bestandteil der Stressantwort. Die verschiedenen Auswirkungen kennt man noch nicht im Detail, weshalb wir uns das im Projekt genauer anschauen“, erklärt Schwechheimer.

Gute transnationale Zusammenarbeit

Die spanischen und portugiesischen Projektpartner nutzen Reissorten, die in Spanien und Portugal angezogen werden und dort auch einen großen Marktwert haben. „Diese Kooperation hat es ermöglicht, relevantes genetisches Material auszutauschen und zu untersuchen – das war ein wichtiger Vorteil“, sagt Schwechheimer. Der Projektkoordinator ist mit der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Forschungsteams äußerst zufrieden: „Die im Projekt bearbeiteten Fragestellungen der verschiedenen Projektpartner sind prinzipiell autark. Doch der Verbund zwischen den Partnern hat sehr gut funktioniert und bereits zu wichtigen gemeinsamen Erkenntnissen geführt“.

„DELLA-STRESS“ ist ein Projekt des Förderprogramms „PLANT KBBE“ („Transnational PLant Alliance for Novel Technologies – towards implementing the Knowledge-Based Bio-Economy in Europe“). Das Förderprogramm wird von den vier Ländern Deutschland, Frankreich, Spanien und seit 2009 Portugal getragen. Auf deutscher Seite werden die Gelder vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereitgestellt.

Das in „DELLA-STRESS“ erarbeitete Wissen soll letztendlich helfen, Kulturpflanzen stresstoleranter zu machen. Im Hinblick auf die zu erwartenden weltweiten Klimaveränderungen wird die große Bedeutung dieses Projektes deutlich. Alle Projektpartner werden auch nach dem Projektende in 2017 auf diesem Gebiet weiterarbeiten.


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Titelbild: Unter anderem mit Experimenten im Gewächshaus wollen Forscherinnen und Forscher des Projektes "DELLA-STRESS" mehr über DELLA-Proteine herausfinden. (Bildquelle: © Julia Diener/Claus Schwechheimer (TUM)