Wald ist nicht gleich Wald

Landnutzungsänderungen setzen mehr CO2 frei als angenommen

22.02.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Brandrodung für die Anlage von Plantagen: Landnutzungsänderungen wie diese setzen vermutlich mehr CO2 frei als bisher angenommen. (Bildquelle © DirkvdM/wikimedia.org/ CC BY 3.0)

Brandrodung für die Anlage von Plantagen: Landnutzungsänderungen wie diese setzen vermutlich mehr CO2 frei als bisher angenommen. (Bildquelle © DirkvdM/wikimedia.org/ CC BY 3.0)

Forscher stellen fest, dass bisherige Berechnungsmodelle die CO2-Freisetzungen durch Landnutzungsänderungen besonders bei Wäldern unterschätzt haben.

Will man die Auswirkungen des Klimawandels berechnen, müssen zunächst die einzelnen Faktoren genau bestimmt werden. Das bedeutet vor allem, den CO2-Austausch zwischen der Erde und der Atmosphäre möglichst genau abzubilden und die einzelnen CO2-Flüsse zu berechnen, um eine Bilanz zu erhalten, aufgrund der man Bekämpfungsmaßnahmen beschließen kann. Klingt einfach, ist es aber nicht: In diesem komplexen System gibt es nach wie vor viele Variablen, die schwierig auf globalem Level zu bestimmen sind. In einer neuen Studie hat jetzt ein Forschungsteam vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) herausgefunden, dass die CO2-Freisetzung durch Landnutzungsänderungen deutlich unterschätzt wurde.

Große Fehlerquote

Landökosysteme absorbieren etwa 20 Prozent des aus anthropogenen Freisetzungen stammenden CO2. Diese Zahl ist gut zu berechnen, weil man andere Komponenten der globalen CO2-Flüsse recht genau kennt. Diese Komponenten sind die Werte für die anthropogenen CO2-Emissionen, die Aufnahme von CO2 durch die Ozeane und der aktuelle CO2-Wert der Atmosphäre.

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Intakte Wälder sind mit die wichtigsten globalen CO2-Senken.

Intakte Wälder sind mit die wichtigsten globalen CO2-Senken.

Bildquelle: © Makrodepecher / Pixelio.de

Wesentlich schwerer ist festzustellen, wie sich der CO2-Fluss zwischen Atmosphäre und Land zusammensetzt. Auch wenn der Gesamtfluss recht gut zu bestimmen ist, besteht er aus zwei wichtigen Einzelwerten: Einmal dem CO2-Fluss durch Landnutzungsänderungen und dem Restfluss. Es ist sehr schwierig, diese zwei Werte voneinander zu trennen, weil es für beide keine geeigneten Erfassungsmethoden gibt. Dies ist aber wichtig, weil beide sich sowohl aus CO2-Freisetzungen als auch aus CO2-Aufnahmen zusammensetzen. Die dadurch entstandene Fehlerquote schätzt das Forscherteam in diesem Bereich auf 35 bis 40 Prozent. Im Gegensatz dazu betragen die Ungenauigkeiten bei der anthropogenen Freisetzung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe und der Zementherstellung etwa 5 Prozent und bei der Aufnahme durch die Ozeane etwa 13 Prozent.

Schwierige Berechnungen bei Landnutzungsänderungen

Besonders interessant bei den Berechnungen des Atmosphäre-Land-Flusses sind die Landnutzungsänderungen. Sie können über Daten bestimmt werden, also quasi über eine Buchführung der verschiedenen Änderungen und Freisetzungen, oder aber über globale Vegetationsmodelle. Beide Methoden haben jedoch größere Unsicherheiten bei der Genauigkeit der Daten: Die reine Datenerfassung bietet zwar eine belastbare Datengrundlage, muss aber für Bereiche ohne Daten (von Regionen bis hin zu Ländern) diese aus lokalen Gegebenheiten extrapolieren, sodass hier in der Realität auftretende Abweichungen nicht erfasst werden können. Vegetationsmodelle basieren dagegen auf reinen Berechnungen und sind kaum durch „echte“ Daten belegt.

Problematisch wird es, wenn großflächige Landnutzungsänderungen, zum Beispiel Brandrodungen, per globalem Vegetationsmodell berechnet werden sollen. Werden in einer Region Wälder per Brandrodung abgeholzt und parallel dazu gleichgroße Landflächen aufgeforstet, werden diese Areale in den Modellen gleichgesetzt und eine Landnutzungsänderung von „Null“ berechnet. In der Realität kommt es aber zu unterschiedlichen CO2-Flüssen: Zum einen wird durch Brandrodung in kurzer Zeit viel CO2freigesetzt, dazu kommt eine langsamere Freisetzung von CO2 durch Zersetzungsprozesse auf dem ehemaligen Waldboden und es kommt zu einer langsamen CO2-Aufnahme durch die renaturierten Flächen, unter dem Strich also zu einer erhöhten CO2-Freisetzung. Dadurch, dass globale Rechenmodelle diese Vorgänge nicht genügend berücksichtigen, führen die Ergebnisse zu einer Unterschätzung der tatsächlichen CO2-Freisetzung.

Nicht jeder Wald speichert gleich viel CO2

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Mit Wald bedeckte Flächen werden von vielen Berechnungsmodellen als „natürliche Wälder“ identifiziert, obwohl zwei Drittel bis drei Viertel aller Wälder durch den Menschen genutzt werden.

Mit Wald bedeckte Flächen werden von vielen Berechnungsmodellen als „natürliche Wälder“ identifiziert, obwohl zwei Drittel bis drei Viertel aller Wälder durch den Menschen genutzt werden.

Bildquelle: © Queryzo/wikimedia.org; CC BY 3.0

Hinzu kommt, dass renaturierte, sekundäre Wälder nicht über den gleichen CO2-Speicher im Boden verfügen wie Urwälder. Wald ist nicht gleich Wald, wird aber oftmals in Berechnungen gleichgesetzt. Mit Wald bedeckte Flächen werden von den Modellen oftmals als „natürliche Wälder“ identifiziert, obwohl zwei Drittel bis drei Viertel aller Wälder durch den Menschen genutzt werden. Das bezieht sich nicht zwingend auf Kahlschläge, allein die Entnahme von einzelnen Bäumen zur Weiterverarbeitung oder das jahrhundertelange Sammeln von Feuerholz führen zu einer schleichenden Entnahme von Kohlenstoff aus den Wäldern, die in Berechnungen oftmals nicht berücksichtigt werden. Das Forscherteam schätzt, dass vom Jahr 1700 bis 2000 etwa 86 Pg (Petagramm, 1015g) Kohlenstoff auf diesem Weg aus den Wäldern entfernt wurden und je nach Nutzung früher oder später als CO2 ihren Weg in die Atmosphäre gefunden haben, von den Modellen aber den Wäldern als noch gebundenes CO2 zugerechnet werden. Das Forscherteam vermutet daher, dass in bisherigen Modellen die CO2-Flüsse der Landnutzungsänderungen unterschätzt wurden, dass also wesentlich mehr CO2 freigesetzt wurde als bisher angenommen.

Auch die CO2-Speicherkapazität ist größer

Allerdings beinhalten diese korrigierten Berechnungen auch einen positiven Umkehrschluss: Wurde mehr CO2 freigesetzt als bisher angenommen, bedeutet das, dass in den zurückliegenden Jahrhunderten auch mehr CO2 von den Senken gespeichert wurde als bisher angenommen. Denn wenn in den neuen Berechnungen mehr CO2 freigesetzt wurde, als bisher vermutet und die anderen Werte der Berechnung gleich bleiben, muss der CO2-Pool ebenfalls viel größer gewesen sein, als man bisher annahm. Das bedeutet, dass das Potential der terrestrischen Senken zur Aufnahme von CO2 vermutlich viel größer ist als bisher bekannt. Die Forscher betonen, dass hierin eine große Chance liegt: Renaturierungsmaßnahmen und Aufforstungen sowie das konsequente Verhindern von Rodungen und der Umwandlung von Wald in Ackerland (sowie der generelle Schutz von Ökosystemen und deren Dienstleistungen) könnten wesentlich wertvollere und effektivere Maßnahmen sein, um den Klimawandel einzugrenzen als bisher angenommen, und „nebenbei“ einen großen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten.

Noch sehr viel Arbeit

Allerdings gibt es auch bei diesen Projektionen noch erhebliche Probleme: Wie schon angesprochen, brauchen Wälder Jahrzehnte, um als vergleichbare CO2-Senken natürliche Wälder zu ersetzen, der Waldboden braucht noch viel länger. Dazu kommen die bisher kaum einschätzbaren Auswirkungen des Klimawandels: Wärmere Temperaturen lassen zwar die Bäume besser wachsen und fördern den Umsatz von organischer Materie im Boden. Dadurch stehen mehr Nährstoffe zur Verfügung, die passend zum höheren CO2-Angebot der Atmosphäre das Wachstum zusätzlich fördern. Aber: Erhöhter Umsatz von Biomasse im Boden steigert auch die CO2-Freisetung, höhere Temperaturen fördern zudem die Gefahr von Dürren und damit großflächigen Waldbränden. Damit wird klar, dass wir noch lange nicht alle Faktoren richtig einschätzen können, um die Auswirkungen und die Bekämpfung des Klimawandels möglichst exakt berechnen zu können, betont das Forscherteam. Es bleibt also noch sehr viel zu tun.


Quelle:
Arneth, A. et al. (2017): Historical carbon dioxide emissions caused by land-use changes are possibly larger than assumed. In: Nature Geoscience, (30. Januar 2017), doi:10.1038/ngeo2882.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Brandrodung für die Anlage von Plantagen: Landnutzungsänderungen wie diese setzen vermutlich mehr CO2 frei als bisher angenommen. (Bildquelle © DirkvdM/wikimedia.org/ CC BY 3.0)