Was der Ökolandbau für Umwelt und Gesellschaft leistet

Der Thünen Report 65 liefert eine differenzierte Analyse

18.02.2019 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein derzeit noch nicht lösbares Dilemma: Hohe Erträge bedeuten eine hohe Bewirtschaftungsintensität. (Bildquelle: © pixabay/CC0)

Ein derzeit noch nicht lösbares Dilemma: Hohe Erträge bedeuten eine hohe Bewirtschaftungsintensität. (Bildquelle: © pixabay/CC0)

Wie hältst du’s mit dem Ökolandbau? Diese agrarische Gretchenfrage sollte anhand wissenschaftlicher Daten und Fakten beantwortet werden – insbesondere da der ökologische Landbau als ein nachhaltiges Landnutzungssystem gilt und somit in besonderer Weise politisch unterstützt wird.

Der Ökolandbau genießt einen guten Ruf. Die gesellschaftlichen und Umwelt-Leistungen, die er unter anderem in den Bereichen Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit oder Biodiversität leisten soll, werden hoch eingeschätzt. Das Thünen-Institut hat in einem interdisziplinären Verbundprojekt ("Thünen Report 65") genauer hingeschaut und insgesamt 528 Veröffentlichungen dazu ausgewertet. Dabei wurden 33 Vergleichsparameter zwischen ökologisch und konventionell arbeitenden Betrieben betrachtet. Die Studien sind alle zwischen Januar 1990 und März 2018 erschienen.

Welche Vorteile bringt der Ökolandbau?

Insgesamt hat die Auswertung ergeben, dass eine ökologische Bewirtschaftung im Bereich Umwelt- und Ressourcenschutz in 58 Prozent der analysierten Vergleichspaare Vorteile gegenüber der konventionellen Landwirtschaft aufwies. In 28 Prozent der Fälle konnten keine Unterschiede festgestellt werden, bei 14 Prozent zeigte sich die konventionelle Variante überlegen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse näher erläutert werden.

Zum Schutz der Gewässer und des Bodens

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Die Feldlerche gehört zu den Profiteuren: Die Anzahl der Feldvögel erhöht sich im ökologischen Landbau im Mittel um 35 Prozent.

Die Feldlerche gehört zu den Profiteuren: Die Anzahl der Feldvögel erhöht sich im ökologischen Landbau im Mittel um 35 Prozent.

Bildquelle: © pixabay.com/CC0

In puncto Wasserschutz kann sich die ökologische Landwirtschaft sehen lassen. Das Grund- und Oberflächenwasser wird insbesondere durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel geschont. In den untersuchten Studien verminderte die ökologische Bewirtschaftung auch die Stickstoffausträge in Gewässer im Mittel um 28 Prozent. Bei der Betrachtung der Bodenfruchtbarkeit zeigten sich in Bezug auf Abundanzen und Biomassen von Regenwurmpopulationen erhebliche Vorteile. Diese waren im Mittel um 78 bzw. 94 Prozent höher. Der Gehalt an pflanzenverfügbarem Phosphor im Oberboden hingegen wies keine eindeutige Tendenz im Vergleich zum konventionellen Anbau auf.

Erhalt der Biodiversität durch Ökolandbau

Eine weitere wichtige gesellschaftliche Leistung, die immer mehr Menschen einfordern, ist der Erhalt der Biodiversität. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt die inzwischen vielzitierte „Krefelder Studie“. Diese hat innerhalb der vergangenen 27 Jahre in Deutschland einen Rückgang der Gesamtmasse an Fluginsekten um mehr als 75 Prozent konstatiert. Hier könnte der ökologische Landbau teileweise Abhilfe schaffen. Bei der Anzahl blütenbesuchender Insekten lagen die Werte beim ökologischen Landbau im Mittel um 23 bzw. 26 Prozent höher. Die mittleren Artenzahlen der Ackerflora lagen bei ökologischer Bewirtschaftung im Mittel sogar um 95 Prozent höher. Auch die Feldvögel profitierten: Bei ihnen war die Artenzahl im Mittel um 35 Prozent und die Abundanz um 24 Prozent erhöht.

Vorteile auch für den Klimaschutz ?    

An dieser Stelle muss man genauer hinschauen: In Bezug auf die bodenbürtigen Treibhausgasemissionen schnitt die ökologische Wirtschaftsweise pro Fläche zunächst besser ab. Die kumulierte Klimaschutzleistung des ökologischen Landbaus lag bei 1.082 kg CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr. Dieser Wert sagt jedoch nichts über die ertragsbezogenen Klimaschutzleistungen aus, denn schließlich sind die Flächenerträge gegenüber dem konventionellen Anbau deutlich niedriger. Leider konnte die Studie diese aufgrund fehlender robuster empirischer Daten kaum bewerten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Ökolandwirtschaft im Bereich Boden/Pflanze wahrscheinlich vergleichbar zur konventionellen Landwirtschaft ist. Die Gesamtemissionen pro kg Milch aus ökologischer und konventioneller Tierhaltung werden von den Autoren als wahrscheinlich vergleichbar eingestuft.   

Kein klares Bild beim Tierwohl

Sieben große Supermarktketten werden es im April 2019 einführen, der Staat zieht 2020 nach: Die Rede ist vom Tierwohl-Label. Die Einführung kommt nicht zuletzt dem Verbraucherwunsch nach mehr Tierschutz nach.

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Die Studie kann keine eindeutigen Aussagen darüber treffen, ob grundlegende Unterschiede im Tierwohl bestehen.

Die Studie kann keine eindeutigen Aussagen darüber treffen, ob grundlegende Unterschiede im Tierwohl bestehen.

Bildquelle: © pixabay.com/CC0

Aber bedeutet Ökolandbau automatisch mehr Tierwohl? Die Studiendaten lassen diesbezüglich keine eindeutige Aussage zu – und zwar über alle Nutztierarten und Produktionsrichtungen hinweg. Außer bei der Klauen- und Gliedmaßengesundheit hat die Studie keine grundlegenden Unterschiede in Bezug auf das Tierwohl feststellen können. Interessanterweise scheint hier das Management eine entscheidendere Rolle zu spielen als die Wirtschaftsweise. Gleichzeitig ist jedoch anzumerken: Die wenigsten Studien berücksichtigen bei der Untersuchung des Tierwohls mehr als nur die Tiergesundheit. Tierverhalten und emotionales Empfinden bleiben meist außen vor.

Alles eine Frage des Systems

Die Vorteile des Ökolandbaus scheinen eindeutig. Gleichzeitig ist insbesondere bei der politischen Perspektive mehr einzubeziehen als nur Umwelt- und Tierwohlleistungen. Die Erzeugung ausreichender Lebensmittel ist ebenfalls zu berücksichtigen. Und dabei ist nicht von der Hand zu weisen: Eine niedrigere Bewirtschaftungsintensität hat niedrigere Erträge zur Folge. Die Autoren des Thünen-Reports zitieren verschiedene Studien, nach denen das durchschnittliche Ertragsniveau im Ackerbau in Mittel- und Westeuropa zwischen 9 und 40 % unter dem der konventionellen Landwirtschaft liegt (je nach Standort, Fruchtart und Bewirtschaftungssystem). Es handelt sich demzufolge um ein klassisches Dilemma: Maximalen Ertrag bei maximaler Schonung der Ressourcen wird es nicht so einfach geben.

Pflanzenforschung auch im Ökolandbau wichtig

Die Autoren plädieren deshalb dafür, stets im Einzelfall abzuwägen, wann der Ressourcennutzung und wann dem Ressourcenschutz eine höhere Priorität beizumessen ist. Gleichzeitig machen sie auch deutlich: Auch der Ökolandbau alleine kann ohne eine Erhöhung der Produktionsintensität die drängenden umwelt- und ressourcenpolitischen Herausforderungen nicht lösen. Die derzeit bestehende Ertragslücke im Vergleich zu konventionellen Systemen sollte durch die Züchtung leistungsfähigerer Sorten verringert werden, die speziell an die Bedingungen des Ökolandbaus angepasst sind. Dazu gehören auch resistentere Sorten gegenüber widrige Klimabedingungen, Schädlingen und Krankheiten. 


Quelle:
Sanders J., Hess J. (Hrsg.) (2019): Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, 364 p, Thünen Rep 65, (Januar 2019), doi: 10.3220/REP1547040572000.

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Titelbild: Ein derzeit noch nicht lösbares Dilemma: Hohe Erträge bedeuten eine hohe Bewirtschaftungsintensität. (Bildquelle: © pixabay/CC0).