Weihnachtsspezial: Quelle des ewigen Lebens

08.12.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Zeit der Märchen (Quelle: © iStockphoto.com/ selimaksan)

Die Zeit der Märchen (Quelle: © iStockphoto.com/ selimaksan)

Zu Weihnachten erzählt man sich gerne Märchen und Geschichten. Ein Märchen handelt von der Rose von Jericho, die scheinbar unsterblich ist und die zauberhafte Kraft besitzen soll, nach jahrelanger Dürre wieder zum Leben zu erwachen und zu blühen.

Jede Pflanze braucht Wasser zum Leben – nur die Rose von Jericho kann ewig wachsen und bei Trockenheit jahrelang geduldig auf den nächsten Regen warten? So erzählt man es sich zu Weihnachten, wenn das braune kugelig zusammengerollte Pflanzenknäuel aus dem Schrank geholt wird und mit frischem Wasser wieder erblüht. Oft ist diese exotische Weihnachtspflanze ein Familienerbstück und soll mit ihrer Kraft der Wiedererneuerung allen Generationen Glück und Gesundheit verleihen.

Der Trick kann tatsächlich gelingen, so dass die monate- oder jahrelang ausgetrocknete Blume sich wieder entfaltet, wenn sie in eine Schale mit Wasser gelegt wird. Diese beeindruckende Reaktion deuten wir gerne als neues Aufleben und stellen uns vor, dass die Pflanze ewig weiter wachsen könnte. Deshalb wird sie auch gerne „Auferstehungspflanze“ genannt. An dieser Stelle beginnt allerdings das Märchen. Der wahre Grund des scheinbaren Aufblühens ist rein physikalischer Natur: Die Zellen der ausgetrockneten Blume saugen sich bei Feuchtigkeit wegen der Kapillarkräfte voller Wasser. Durch die so aufgebaute Spannung entsteht eine hygroskopische Bewegung, die Pflanze entfaltet ihre gekrümmten Zweige. Der ganze Vorgang ist aber rein passiv und beruht nur auf der Quellung der toten Zellen.

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Die echte Rose von Jericho.

Die echte Rose von Jericho.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ c_taylor

In den Wüsten des Orients von Marokko bis in den Iran, wo die echte Rose von Jericho (Anastatica hierochuntica)  ihr natürliches Ausbreitungsgebiet hat, stellt der scheinbare Wiederbelebungsmechanismus eine raffinierte Angepasstheit an die extremen Umweltbedingungen dar. Die Pflanze ist einjährig und produziert Samen. Wenn die Mutterpflanze abstirbt, trocknet sie aus und durch die fehlende Spannung des Wassers in den Zellen (Turgor) erschlafft sie und krümmt sich um die reifen Samen. In eine leichte, kugelige Struktur verpackt, können die Früchte dann durch den Wind ausgebreitet werden (Chamaechorie), indem sie weite Stecken über den Wüstenboden rollen. Deshalb nennt man diese Gruppe von Pflanzen auch Steppenroller. Sobald es regnet oder die geschützten Samen in ein feuchtes Gebiet gelangen, werden sie durch den physikalischen „Aufblüh“-Mechanismus freigesetzt und die neuen Pflanzen können bei günstigen Bedingungen an einem neuen Standort keimen.

Echte und weniger echte Quellwunder

Weil die wunderbare Pflanze so ein beliebtes Festtagsgeschenk war, aber die echte Rose von Jericho aus dem Nahen Osten sehr rar ist, werden heute häufig andere Arten als „Rose von Jericho“ verkauft. Eine „unechte“ Variante der Anastatica hierochuntica ist Pallenis hierochuntica, auch sie kommt aus dem Orient und ist einjährig. Die dritte Form der quellenden Wunderblume ist Selaginella lepidophylla. Sie stammt aus dem südpazifischen Teil Nordamerikas und gehört zu den Moosfarnen, einer der evolutionär ältesten lebenden Pflanzenfamilien der Welt. Auch sie rollt sich bei Trockenheit zusammen und schützt so ihren Vegetationspunkt. Im Gegensatz zu der echten Rose von Jericho kann sie das fast völlige Austrocknen aber tatsächlich überleben und bei wiederkehrender Feuchtigkeit ergrünen. Der Schwellungsprozess beim Entfalten der Blätter ist auch hier rein passiv, aber die Pflanze ist mehrjährig. Sie ist in der Lage, ihren Stoffwechsel bei Dürre auf ein Minimum zu reduzieren und ist so an extreme Schwankungen bei der Verfügbarkeit von Wasser angepasst (poikilohydre Pflanzen). Auch einige Moose, Algen, Pilze und Farne können so für eine gewisse Zeit, Trockenheit überstehen.

Ein Leben im Schrank mit jährlicher Wiederbelebungsdusche zu Weihnachten überlebt zwar selbst Selaginella nicht, aber auch wenn sie schon gestorben sind, so quellen sie noch heute!