Weizen: Mehr Körnchen pro Ährchen

Genetische Basis für Blütenfruchtbarkeit entdeckt

18.03.2019 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Über die Blütchenfruchtbarkeit lässt sich der Ertrag von Getreiden erhöhen. Die genetische Basis dazu haben Wissenschaftler nun in Weizen und Gerste entschlüsselt. (Bildquelle: © Bru-nO/Pixabay.com/CC0)

Über die Blütchenfruchtbarkeit lässt sich der Ertrag von Getreiden erhöhen. Die genetische Basis dazu haben Wissenschaftler nun in Weizen und Gerste entschlüsselt. (Bildquelle: © Bru-nO/Pixabay.com/CC0)

Bei allen Getreiden bestimmt die Blütchenfruchtbarkeit die Anzahl an Körnern pro Blütenstand und damit den Ertrag der Pflanze. Bisher war die genetische Grundlage der Blütchenfruchtbarkeit des Weizens jedoch weitgehend unbekannt. Wissenschaftler haben nun entscheidende Faktoren identifiziert.

Alle Spezies der Triticeae entwickeln einen unverzweigten Blütenstand, die Ähre. Beim Weizen (Triticum aestivum) besteht die Ähre aus mehreren Ährchen, die jeweils Korn produzierende Blütchen bilden. Im Zuge der Blütchenentwicklung bildet jedes Weizenährchen bis zu 12 potentiell fruchtbare Blütchenvorstufen aus. Aber mehr als zwei Drittel dieser potenziellen Blütchen und damit Körner sterben jedoch während ihrer Entwicklung ab.

Während der Evolution von Weizen hat sich die Blütchenfruchtbarkeit immer weiter erhöht. Aktuelle Brotweizensorten bilden drei bis fünf Körner pro Ährchen aus.

Gene der Blütchenfruchtbarkeit entschlüsselt

Bisher war weitgehend unerforscht, welche Gene die Blütchenfruchtbarkeit steuern. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK Gatersleben) haben nun in internationaler Zusammenarbeit die genetischen Grundlagen der Blütchenfruchtbarkeit im Weizen entschlüsselt.

#####1#####
Ährchenmorphologie von Brotweizen der Sorte Bobwhite (links) und ein transgenes Derivat (rechts), das ein GNI1-RNAi-Kontrukt enthält. Eine verminderte GNI1-Expression führt zu einer höheren Anzahl an fruchtbaren Blüten (F1-F6) und einer höheren Kornzahl pro Ährchen.

Ährchenmorphologie von Brotweizen der Sorte Bobwhite (links) und ein transgenes Derivat (rechts), das ein GNI1-RNAi-Kontrukt enthält. Eine verminderte GNI1-Expression führt zu einer höheren Anzahl an fruchtbaren Blüten (F1-F6) und einer höheren Kornzahl pro Ährchen.

Bildquelle: © Kazuhiko Sugimoto, Taiichi Ogawa

GNI-A1 durch Genduplikation entstanden

Bei genomweiten Assoziationsstudien war bereits ein „Quantitativer Trait Locus“ (QTL) in europäischen Winterweizensorten gefunden worden, der für eine erhöhte Kornzahl pro Ährchen verantwortlich ist. Nachdem die Forscher den QTL kartiert hatten, bestimmten sie den Genort für Grain Number Increase 1 (gni1) und das dazugehörige Gen gni-a1. In den Triticeaen ist gni-a1 durch eine Genduplikation auf dem Chromosomenarm 2AL entstanden.

Transkriptionsfaktor beeinflusst Wachstum von Rachilla

Gni-a1 kodiert den Resultaten der Wissenschaftler zufolge für einen Homöodomäne Leucin-Zipper Klasse I (HD-Zip I) Transkriptionsfaktor. Wird der Transkriptionsfaktor exprimiert, beeinträchtigt er die Entwicklung der Rachilla. So bezeichnet man die blütchentragenden Achse der Weizenährchen. Gni-a1 wirkt sich also negativ auf die Blütchenfruchtbarkeit und den Kornertrag aus.

Selektion des mutierten Gens während Domestikation

Im Laufe der Domestikation des Weizens führte die reduzierte Expression von GNI1 zu fruchtbareren Blütchen und einer Zunahme der Kornzahl pro Ährchen. Als die Forscher besonders ertragreiche Weizen-Kulturvarietäten untersuchten, entdeckten sie zudem eine eingeschränkt funktionierende Allel-Form des Gens GNI-A1. Im Gegensatz zum ursprünglichen Gen erhöht das mutierte Allel die Blütchenfruchtbarkeit und Anzahl der Körner pro Ährchen. Im Laufe der Weizendomestikation hat der Mensch Pflanzen selektiert, die mehr Körner ausbilden - und das mutierte Allel tragen.

Orthologes Gen in Gerste

Gni-a1 in Weizen besitzt ein orthologes Gen in der Gerste (Hordeum vulgare). Auch vrs1 kontrolliert die Blütchenfruchtbarkeit und induziert die Hemmung der Blütchenentwicklung. Wie beim Weizen sorgt auch in der Gerste die mutierte Form von vrs1 für einen besseren Kornertrag. Die entdeckten Parallelen in Weizen und Gerste stehen im Einklang mit der “genetischen Hotspot-Hypothese“. Diese besagt, dass evolutionär relevante Mutationen tendenziell in spezifischen Genen und an spezifischen Positionen in Genen auftreten.

Ansatzpunkte zur Ertragssteigerung von Getreiden

Die neuen Erkenntnisse zur Blütchenfruchtbarkeit können vielseitig genutzt werden. Zum einen verbessern sie das Wissen zur Architektur von Getreiden. In der Getreidezucht könnten die Gene aber vor allem ein Ansatzpunkt sein, den Ertrag deutlich zu verbessern.


Quelle: 
Sakuma, S. et al. (2019): Unleashing floret fertility in wheat through the mutation of a homeobox gene. Proc Natl Acad Sci U S A. 2019 Feb 21. pii: 201815465, doi: 10.1073/pnas.1815465116.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Über die Blütchenfruchtbarkeit lässt sich der Ertrag von Getreiden erhöhen. Die genetische Basis dazu haben Wissenschaftler nun in Weizen und Gerste entschlüsselt. (Bildquelle: © Bru-nO/Pixabay.com/CC0)