Wenn der Hilferuf das Gegenteil bewirkt

Pflanzliche Duftsignale locken neben Helfern auch Fressfeinde an

05.07.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Raupe des Schmetterlings Spodoptera littoralis, der sich gerade am Blatt einer Maispflanze satt isst. (Quelle: © Matthias Held, University of Neuchâtel)

Eine Raupe des Schmetterlings Spodoptera littoralis, der sich gerade am Blatt einer Maispflanze satt isst. (Quelle: © Matthias Held, University of Neuchâtel)

Maispflanzen senden bei einem Angriff von Fressfeinden chemische Hilferufe zur indirekten Verteidigung aus: Sie rufen einfach die Fressfeinde ihrer Angreifer, um sich von den Schädlingen zu befreien. Ein Forscherteam konnte bei Experimenten nun jedoch zeigen, dass der Duft auch bei Schädlingen gut ankommen. Es werden nicht nur Helfer angelockt, sondern auch die Raupen der afrikanischen Baumwolleule, die Maisblätter zum Fressen gern haben.

Pflanzen reagieren auf einen Angriff von Fressfeinden indem sie chemische Stoffe absondern. Diese flüchtige Duftstoffe, auch volatile organic compounds (kurz: VOCs) genannt, entstehen, wenn die Pflanze verletzt wird. So kennen wir z.B. alle den Geruch von frisch geschnittenem Gras, der auf diese Weise entsteht.

Missglückte Pflanzenabwehr

Nagt beispielsweise ein Insekt am Blatt einer Pflanze, so verteidigt sie sich durch das Ausströmen von Signalstoffen, sogenannten grünen Blattduftstoffen, die zwei Wirkungen haben können: Entweder werden die Angreifer von ihnen direkt abgeschreckt oder die Pflanze ruft damit andere Insekten zur Hilfe. Letzteres wird auch indirekte Pflanzenabwehr genannt und hat eigentlich den Sinn, die Feinde der Angreifer anzulocken. Auch Maispflanzen reagieren auf eine Bedrohung mit einem chemischen Hilferuf, der Schlupfwespen anziehen soll. Diese parasitieren pflanzenfressende Insekten und übernehmen so die Verteidigungsarbeit der Pflanzen: Schlupfwespen suchen sich einen Wirt, bevorzugt Schmetterlingsraupen und legen ihre Eier in den Raupen ab. Dies ist endet für die Raupe tödlich.

Blöd nur, wenn die Abwehr das Gegenteil bewirkt. Denn Forscher fanden nun heraus, dass ihre chemische Abwehr leider auch ihre Feinde anzieht: Die Raupen der afrikanische (oder auch ägyptische) Baumwolleule (Spodoptera littoralis), die sich u.a. von den Blätter von Mais (Zea mays) ernähren.

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Die Abbildung zeigt das verwendete Olfaktometer. A) Geruchsquelle (Maispflanze); B) Bereich in dem sich die Raupen für einen Duft entscheiden konnten.

Die Abbildung zeigt das verwendete Olfaktometer. A) Geruchsquelle (Maispflanze); B) Bereich in dem sich die Raupen für einen Duft entscheiden konnten.

Bildquelle: © Zeichnung von Thomas Degen (www.thomas-degen.ch)

Auch neue Feinde werden auf sie aufmerksam

Das Forscherteam testete dazu die Wirkung der abgegebenen Blattduftstoffe auf die Schmetterlingslarven experimentell: Sie setzten die Raupen in ein Olfaktometer, ein Gerät, mit dem sie die Reaktion auf verschiedene Düfte testen können. Die Raupen wurden darin zwei unterschiedlichen Düften ausgesetzt: dem Geruch einer beschädigten und einer gesunden Maispflanze. Sie hatten nun die Wahl, welchen Duft sie bevorzugen – nach einer Stunde wurden die Raupen in den unterschiedlichen Bereichen ausgezählt. Die Raupen krochen mehr als doppelt so häufig in den Bereich des Gerätes, mit dem charakteristischen Duft beschädigter Maispflanzen. In einem zweiten Experiment zeigte sich desweiteren, dass kürzlich beschädigte Pflanzen eine höhere Anziehungskraft hatten, als Pflanzen, die vor längerer Zeit Schaden genommen hatten. Kürzlich beschädigte Pflanzen strömen dabei mehr chemische Signale aus, da die Situation für sie akut ist.

Risiko: befallene Pflanzen

Doch warum finden sie die Duftsignale im Larvenstadium anziehend, wenn dort potentiell Konkurrenten speisen? Auf dem Feld fallen viele Larven bei der Nahrungsaufnahme von ihren Wirtspflanzen, weil sie vor Feinden fliehen müssen oder die rauen Wetterbedingungen sie quasi vom Blatt fegen. Sie müssen dann wieder eine neue Nahrungsquelle finden. Die Wissenschaftler vermuten, dass Larven, die von ihrer Wirtspflanze gefallen sind, durch die Duftstoffe schnell wieder zurückfinden. Es ist wohl vorteilhafter an der bereits angegriffenen Pflanze zu bleiben, als nach einer neuen geeigneten Wirtspflanze zu suchen, da sie sehr angreifbar sind für Feinde und Pathogene auf dem Boden und dort auch verhungern können. So entgehen sie der gefährlichen Situation schneller und haben ein Risiko aufgenommen, um ein größeres Risiko zu vermeiden.

Ihr Verhalten bezüglich dieser Blattduftstoffe ändert sich jedoch im Laufe ihrer Entwicklung. Ausgewachsene Schmetterlinge sind mobiler, da sie fliegen können, und daher nicht mehr so angreifbar. Sie können sich leichter eine neue Wirtspflanze aussuchen, um dort ihre Eier abzulegen und gehen kein Risiko ein an einer bereits beschädigten Pflanze Konkurrenten oder natürliche Feinde vorzufinden. Sie werden daher von den Stoffen abgeschreckt. 


Quelle:
von Mérey GE et al. (2013): Herbivore-induced maize leaf volatiles affect attraction and feeding behavior of Spodoptera littoralis caterpillars. In: Front. Plant Sci., (online 28. Juni 2013), doi: 10.3389/fpls.2013.00209.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Eine Raupe des Schmetterlings Spodoptera littoralis, der sich gerade am Blatt einer Maispflanze satt isst. (Quelle: © Matthias Held, University of Neuchâtel)