Wer rastet, der rostet

Pilzkrankheiten, ihre Bedeutung und Geschichte

05.05.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In Staaten mit niedrigen Ernten kann das Auftreten neuer Krankheiten, wie neue Rassen von Gelbrost, zur Bedrohung werden. (Bildquelle: © Rasbak/wikimedia.org; CC BY 3.0)

In Staaten mit niedrigen Ernten kann das Auftreten neuer Krankheiten, wie neue Rassen von Gelbrost, zur Bedrohung werden. (Bildquelle: © Rasbak/wikimedia.org; CC BY 3.0)

Pflanzenkrankheiten und besonders Pilzkrankheiten sind seit Beginn des Ackerbaus eine Bedrohung für Ertrag und Qualität der Ernteprodukte. Daher sucht der Mensch seit jeher Wege und Mittel gegen ihre Verbreitung.

Mit dem Aufkommen der Sesshaftigkeit und des Ackerbaus im Rahmen der neolithischen Revolution vor 15.000 bis 13.000 Jahren stieg auch die Bedrohung für den Menschen durch Pflanzenkrankheiten. Zwar versprach der gezielte Anbau von Pflanzen eine stabile und weniger vom Zufall des Sammelns und Jagens abhängige Nahrungsgrundlage, doch erhöhte sich dadurch andererseits die Abhängigkeit von einigen wenigen Pflanzenarten und -sorten. Auch der Speiseplan fiel einseitiger aus. Gerade in den Anfängen der neolithischen Revolution, das beweisen Studien aus Nordeuropa, waren die Jäger und Sammler jahrhundertelang gegenüber den Bauern noch im Vorteil. Sie waren kräftiger und größer, was Rückschlüsse auf eine bessere Nahrungsgrundlage zulässt. Nach und nach etablierte sich die Landwirtschaft als vorrangige Strukturen und ermöglichte durch neue Technologien die Herausbildung komplexerer Kulturen. Doch jede Entwicklung hat ihren Preis.

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Grauschimmel ist ein wahrer Generalist. Er befällt über 235 Wirtspflanzen und wird durch den Schimmelpilz Botrytis cinerea verursacht.

Grauschimmel ist ein wahrer Generalist. Er befällt über 235 Wirtspflanzen und wird durch den Schimmelpilz Botrytis cinerea verursacht.

Bildquelle: © iStock.com/ Whiteway

Zwar erwarben Pflanzen im Laufe der Evolution Toleranzen und Resistenzen, doch veränderte sich mit dem Einzug der Landwirtschaft das „Schlachtfeld“. Mit der Zunahme von dichten und homogenen Pflanzenbeständen auf engstem Raum stieg auch die Anfälligkeit gegenüber Pathogenen.

Trotz des Zutuns des Menschen, der damals wie heute gezielt robustere und resistente Pflanzen züchtet, sind Vorteile oft nur zeitlich beschränkt. In einer Art „Wettrüsten“ passen sich Krankheitskeime ihren Wirten an. Hinzu kommt, dass viele Kulturpflanzen gezielt auf Geschmack und Lebensmittelqualität selektiert wurden, weshalb andere Merkmale der wilden Vorfahren verloren gingen. Dazu gehören beispielsweise Bitterstoffe oder giftige Verbindungen, die Pflanzen eine größere Widerstandskraft gegen Krankheiten und Schädlinge verleihen. Die moderne Züchtung versucht heute, eine Balance zwischen den Anbau- und Nutzungseigenschaften zu finden.

Krankheiten reisen um die Welt

Krankheiten hatten immer wieder dramatische Auswirkungen auf die Menschheit. Dabei geht es nicht nur um Seuchen wie Ebola, Cholera und Pest. Auch phytopathogene Pilze wie Schwarzrost, Mutterkorn und Kartoffelfäule waren und sind noch heute brandgefährlich und bedrohen die Nahrungsgrundlage von Abermillionen Menschen.

In Zeiten der Globalisierung haben sich nicht nur die Chancen, sondern auch bestimmte Gefahren erhöht. Der weltweite Handel mit Agrarprodukten führte dazu, dass auch Krankheitserreger mit auf die Reise gingen. Sie erreichten Regionen, in denen die heimischen Kulturpflanzen noch keine ausreichenden Abwehrkräfte gegen die neuen Erreger entwickeln konnten. Manche Volkswirtschaften in betroffenen Staaten bringt das unerwartete Auftreten neuer Pflanzenkrankheiten an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Drohende Szenarien existieren unter anderem für den Plantagenanbau von Bananen oder Kautschuk.

Machtlos sind wir Mensch nicht

Daher versucht der Mensch, mit vorbeugenden Maßnahmen wie Standortwahl, Düngung, Fruchtfolge, Sortenwahl und Pflanzenhygiene die Pflanzenkrankheiten einzudämmen. Aber vor allem die Züchtung resistenter Sorten sowie der Einsatz biologischer oder chemischer Pflanzenschutzmittel sind heute die Methoden der Wahl. Kontinuierlich steigende Erträge sind ein Beweis, dass dieses Konzept erfolgreich ist. Allerdings oft auch zu einem hohen Preis für die Umwelt. In Oberflächengewässern, Grundwasser und Böden konzentrieren sich chemische Verbindungen, die ihren Ursprung in der Landwirtschaft haben und langfristig Ökosysteme und Ressourcen verändern. Eine nachhaltige Landwirtschaft ist aber angesichts des globalen Bevölkerungswachstum ein Muss, um dauerhaft Landwirtschaft betreiben und unsere Lebensbasis erhalten zu können. Doch nun zurück zu den Pilzerkrankungen.

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Bildstrecke: Gefürchtete Pilzkrankheiten

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Bildquelle: © Howard F. Schwartz, Colorado State University, United States/wikimedia.org; CC BY 3.0

Pilze sind gefürchtet

Auslöser von Pflanzenkrankheiten können Viren, Insekten, Plasmodien, Bakterien, aber auch Pilze sein. Bei diesen tritt die Gattung der Eipilze (Peronosporomycetes) besonders in Erscheinung und ist gefürchtet. Die weltweit bekannte Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) ist ein prominentes Beispiel. Der Pilz befällt nicht nur seinen Namensgeber, die Kartoffel (Solanum tuberosum), sondern auch andere Nachtschattengewächse wie zum Beispiel Tomaten (Solanum lycopersicum). In einer aktuellen Umfrage unter 62 renommierten Phytopathologen im Fachmagazin Molecular Plant Pathology wurde Phytophthora infestans zum bedeutendsten und gefürchtetsten Eipilz gekürt. Befragt wurden die Wissenschaftler sowohl nach der wissenschaftlichen als auch wirtschaftlichen Gewichtung phytopathogener Pilze.

Auf den winzigen Pilz Phytophthora infestans gehen diverse Hungernöte zurück. So auch die als Große Hungersnot in Irland (englisch Great Famine oder Irish potato famine) zwischen 1845 und 1852. Infolge dieser Katastrophe starben rund eine Million Menschen, etwa zwölf Prozent der gesamten Bevölkerung. Zwei Millionen Iren verließen ihre Heimat.

Den zweiten Platz im erwähnten Ranking teilen sich der, die Ramorum-Krankheit auslösende, Pilz Phytophthora ramorum und der durch Hyaloperonospora arabidopsidis ausgelöste Falsche Mehltau. Im Unterschied zur Familie der Echten Mehltaupilze (Erysiphales), die zur Klasse der Schlauchpilze (Ascomycota) gehören, bildet sich beim Falschen Mehltau nur auf der Blattunterseite ein grauer bis schwärzlicher Schimmel. Auf der Blattoberseite hat das Blatt gelbliche Flecken.

Fusariose: Ertragseinbußen bis zu 70 Prozent

Auch die ebenfalls zur Abteilung der Schlauchpilze gehörenden Fusariumpilze stellen ein großes ungelöstes Problem der Landwirtschaft dar. Sie gehören weltweit zu den wichtigsten Schadpilzen bei Getreide und Mais (Zea mays). Sie produzieren Mykotoxine, die selbst hohe Temperaturen überstehen und ganze Ernten wie auch die Qualität von Futter- und Nahrungsmitteln gefährden können. Verbreitete Arten sind z. B. Fusarium tricinctum oder Fusarium graminearum. Auftretende Krankheiten werden unter dem Namen Fusariose zusammengefasst. Sie gilt als eine der wichtigsten weltweit auftretenden Krankheiten bei Getreide und kann Ertragseinbußen von bis zu 70 Prozent nach sich ziehen. Für Menschen besteht bei längerem Konsum von belasteter Nahrung die Gefahr von Nierenschäden und Krebs.

Mutterkorn und die Französische Revolution

Auch das gefürchtete Mutterkorn geht auf einen Pilz aus der Abteilung der Schlauchpilze zurück. Das Mutterkorn (Secale cornutum) ist eine längliche, dunkle Dauerform (Sklerotium) des Mutterkornpilzes (Claviceps purpurea). Für Mensch und Vieh stellt der Befall von Getreide mit diesem Pilz ein gefährliches Problem dar. Seine toxische Wirkung kann zu Darmkrämpfen, Halluzinationen sowie dem Absterben von Fingern und Zehen führen. Besonders im Mittelalter war der Pilz aufgrund seiner Wirkung gefürchtet. Einige Historiker vermuten sogar, dass die aggressive Stimmung während der französischen Revolution auf eine weit verbreitete Vergiftung der Bevölkerung mit Mutterkorn zurückgeht. Auch heute noch wird Getreide befallen, jedoch hat der Pilz als Ernteschädling durch bessere Sorten, einen effektiven Pflanzenschutz sowie eine optimierte Lagerung und verbesserte Logistik keinen großen Stellenwert mehr.

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Einige Historiker schreiben die aggressive Stimmung der französischen Revolution einer Vergiftung mit Mutterkorn zu.

Einige Historiker schreiben die aggressive Stimmung der französischen Revolution einer Vergiftung mit Mutterkorn zu.

Bildquelle: © Jean-Pierre-Louis-Laurent Hoüel - Bibliothèque nationale de France/wikimedia.org; CC0

Neue Rostpilz-Rassen bringen neue Gefahren

Ebenfalls für Getreide gefährlich sind Rostpilze (Pucciniales). Sie sind eine Abteilung der Ständerpilze (Basidiomycota) und waren bereits um 1.300 vor Christus bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts verursachten Rostpilze massive Ernteausfälle in den Vereinigten Staaten. Doch auch heutzutage geht von Rostpilzen eine erhebliche Gefahr aus. Das zeigt das Aufkommen der berüchtigten Schwarzrostrasse Ug99. Die Rasse, die nach dem Land (Uganda) und dem Jahr (1999) ihrer ersten Beschreibung benannt wurde, befiel plötzlich die weltweit am häufigsten angebauten Weizensorten.

Inzwischen sind von Ägypten bis Südafrika viele Afrikanische Staaten von Ug99 betroffen. In diesen Staaten sind Ernten oft gering. Das zusätzliche Auftreten einer bisher ungekannten Pflanzenkrankheit wird dadurch zu einer ernsthaften Bedrohung. Erschwerend kommt hinzu, dass mittlerweile dreizehn Varianten der Rasse beschrieben sind. Rassen können sich in Resistenzgenen unterscheiden oder unterschiedliche Umweltbedingungen bevorzugen, sodass eine Bekämpfung deutlich schwieriger wird. Ebenso breiten sich zurzeit neue Rassen des Gelbrosts (Puccinia striiformis), wie zum Beispiel wie PstS6, in Afrika und Europa aus.

Guter Schimmel, schlechter Schimmel

Die Grauschimmelfäule, auch Graufäule und Grauschimmel, ist eine Pflanzenkrankheit, die durch den Schimmelpilz Botrytis cinerea verursacht wird. Er gehört ebenfalls zu den Schlauchpilzen und ist ein wahrer Generalist, der über 235 Wirtspflanzen befällt. Die Krankheit greift Stängel, Blätter, Blütenknospen, Frucht und Blütenkörbe von Pflanzen an, die schließlich eingehen. Für die menschliche Gesundheit stellt die Grauschimmelfäule durch ein hohes allergenes Potenzial eine direkte Gefährdung dar.

Eine positive Bedeutung hingegen hat der Schimmelpilz im Weinbau. Dort wird er Edelfäule genannt. Der Schimmelpilz perforiert mit seinen Enzymen die Beeren, wodurch Feuchtigkeit aus dem Fruchtkörper austritt. Dadurch steigt die Konzentration der Inhaltsstoffe im Saft der Beere. Gleichzeitig verstoffwechselt der Pilz Zucker und Säuren, was zu einem einzigartigen Geschmack führt.

Auch andere Erreger können zu Gefahr werden

Allerdings sind bei weitem nicht alle Pflanzenkrankheiten auf Pilze zurückzuführen. Das Bakterium Agrobacterium tumefaciens beispielsweise ist ein pflanzenpathogenes Bodenbakterium. Es kann Teile seiner DNA in pflanzliche Zellen übertragen und so den Stoffwechsel der Zelle im eigenen Interessen verändern. Das durch das Agrobacterium ausgelöste Krankheitsbild wird als Wurzelhalsgallenkrebs bezeichnet. Auch Viren sind als Auslöser von Krankheiten nicht zu unterschätzen. Allein in Europa gibt es schätzungsweise 1.200 Pflanzenkrankheiten, die auf Viren zurückgehen. Das Gurkenmosaikvirus ist eine davon. Andere Krankheiten wie Kohlhernie wiederum werden durch Plasmodien verursacht. Auslöser ist Plasmodiophora brassicae, der ein Parasit aus der Ordnung der Cercozoa ist. Er befällt die Wurzel von Kreuzblütengewächsen.


Quelle:
Kamoun, S. et al. (2014): The Top 10 oomycete pathogens in molecular plant pathology. In: Molecular Plant Pathology (11. Dezember 2014), doi: 10.1111/mpp.12190.

Empfohlene Literatur zum Weiterlesen:
In seinem Buch „Pflanzenkrankheiten die die Welt beweg(t)en“ beschreibt Thomas Miedaner die folgenreichsten Pflanzenkrankheiten in Vergangenheit und Gegenwart und wagt einen Ausblick auf die Zukunft. 2016, Springer, ISBN: 3662499037.

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Titelbild: In Staaten mit niedrigen Ernten kann das Auftreten neuer Krankheiten, wie neue Rassen von Gelbrost, zur Bedrohung werden. (Bildquelle: © Rasbak/wikimedia.org; CC BY 3.0)