Wichtig ist, was fehlt

Pflanzen erkennen fremdes Erbgut an einer simplen Struktur

03.04.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Auch Pflanzen besitzen ein Immunsystem, um sich gegen Angreifer zu verteidigen. Dieser Weinstock hat den Kampf jedoch verloren. (Bildquelle: © 7monarda / Fotolia.com)

Auch Pflanzen besitzen ein Immunsystem, um sich gegen Angreifer zu verteidigen. Dieser Weinstock hat den Kampf jedoch verloren. (Bildquelle: © 7monarda / Fotolia.com)

Entdecken Pflanzenzellen fremde RNA in ihren Zellen, eingeschleust beispielsweise von Viren, wird diese Informationseinheit zerstört. Das pflanzliche Immunsystem erkennt die Fremd-DNA anhand einer fehlenden Poly-Adenosinstruktur. Dieser Mechanismus ist erstaunlich simpel und ebenso effektiv.  

Genau wie Menschen müssen auch Pflanzen sich gegen Krankheitserreger wie Viren verteidigen. Ein effektives Mittel ist, das Erbgut des in die Pflanzenzelle eingedrungenen Virus zu zerstören. Dann können keine viralen Proteine mehr hergestellt werden, der Angriff scheitert, die Pflanzenzelle überlebt. Pflanzen müssen dabei ganz genau zwischen ihrer eigenen und der viralen RNA unterscheiden. Wie ihnen das gelingt, war lange Zeit ein Rätsel.  

Jetzt hat ein Forscherteam gezeigt, dass ein ganz simpler Mechanismus dahintersteckt. Bei allen pflanzlichen RNA-Molekülen befindet sich am 3‘-Ende viele Adenin-Basen. Viraler RNA fehlt dieses Anhängsel. Das Enzym RdR6 (RNA-dependent RNA Polymerase6) erkennt fremde RNA genau an diesem fehlenden Poly-A-Schwanz.

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Mithilfe eines einfachen und effektiven Prozesses gelingt es der Blütenpflanze Arabidopsis thaliana, sich gegen Invasoren zu wehren: Fehlt der Poly-A-Schwanz am RNA-Molekül (rechts abgebildet) wird das Enzym RdR6 aktiv und die Übersetzung in ein Protein wird verhindert.

Mithilfe eines einfachen und effektiven Prozesses gelingt es der Blütenpflanze Arabidopsis thaliana, sich gegen Invasoren zu wehren: Fehlt der Poly-A-Schwanz am RNA-Molekül (rechts abgebildet) wird das Enzym RdR6 aktiv und die Übersetzung in ein Protein wird verhindert.

Bildquelle: © 2017 Kyungmin Baeg, Hiro-oki Iwakawa, and Yukihide Tomari

„Wir dachten ursprünglich, dass mehrere Proteine daran beteiligt sind, fremde von eigener RNA zu unterscheiden“, sagt Kyungmin Baeg, Doktorand in der Forschergruppe, der die Experimente durchgeführt hat. „Überraschenderweise hat sich herausgestellt, dass das Protein RdR6 ganz allein einen Poly-A-Schwanz erkennen kann. Das System ist viel einfacher und eleganter als wir anfangs dachten.“  

RdR6 umklammert die fremde RNA und füllt den Einzelstrang zu einem Doppelstrang auf. Damit wird die Übersetzung der RNA in ein Protein verhindert. Fachsprachlich heißt dieser Prozess der RNA-Interferenz auch Posttranskriptionelles Gene-Silencing (PTGS).

Ein Job, ein Enzym

Schon lange überlegten Wissenschaftler, dass entweder der Poly-A-Schwanz am 3‘-Ende oder eine Struktur am 5‘-Ende der RNA das entscheidende Merkmal sein könnten. Bisher fehlte aber der Beweis dafür. Die Wissenschaftler legten diesen jetzt mit einer Reihe biochemischer Experimente vor.

Sie nutzten rekombinante Arabidopsis thaliana für die Produktion von RdR6-Proteinen. Dann testeten sie, ob die RdR6-Proteine verschiedene RNA mit und ohne Poly-A-Schwanz erkannten. Das Ergebnis: Bereits acht Adenin-Basen reichen aus, um eine RNA als Eigentum der Pflanze zu markieren.  

Anhängsel aus anderen Basen zeigen keinen Effekt

Das funktioniert aber nur, wenn sich die Adenin-Moleküle ganz am Ende der RNA befinden. Liegt eine RNA mit eingebettetem Poly-A-Schwanz vor, so attackiert RdR6 diese RNA sofort und komplementiert sie zu doppelsträngiger RNA. „Es scheint, als ob der Poly-A-Schwanz gezielt die Initiation und nicht die Elongation der Polymerase stoppt“, sagt Baeg. Anhängsel aus mehreren Guanin-, Cytosin- oder Uracil-Basen vermittelten keinen schützenden Effekt.

Die Erkennung der fremden RNA ist aber nur der erste Schritt in der Abwehr. Im weiteren Verlauf sind noch viele andere Proteine beteiligt. Die von RdR6 generierte doppelsträngige RNA wird von Enzymen in kurze Fragmente zerschnitten, alle entweder 21 oder 22 Nukleotiden lang. Diese Fragmente werden siRNA genannt und verbinden sich mit Argonauten-Proteinen zum sogenannten RNA-induzierten Stummschaltungs-Komplex (RISC). RISC zerstört dann weitere Fremd-RNA.  

Die Entschlüsselung der Funktionsweise des pflanzlichen Immunsystems ist von großer Bedeutung für Züchter und Pflanzenforscher. Es könnte dabei helfen, zukünftig effizientere Pflanzenschutzmaßnahmen zu entwickeln.

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Das PLANT 2030 Projekt

Das PLANT 2030 Projekt "dsRNAguard" erforschte einen neuen Ansatz - Host Induced Gene Silencing (HIGS) - mit dem sich Pflanzen zukünftig selbst gegen Pilzpathogene wehren sollen.
Mehr zum Projekt ...

Mithilfe von siRNA lassen sich Krankheitserreger aufhalten

Intensiv erforscht wird auch, wie sich gezielt Pflanzen züchten ließen, die mit speziellen siRNAs ausgestattet und damit resistent gegen Krankheitserreger sind. Ein wichtiges Projekt in Deutschland dazu ist dsRNAguard unter der Leitung von Patrick Schweizer vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung.  

Eine Doktorandin von Schweizer entdeckte eher zufällig, dass sich mithilfe von siRNA auch Krankheitserreger, wie Pilze, aufhalten lassen. Host-induced Gene Silencing (HIGS), also etwa wirtsinduzierte Gen-Stummschaltung tauften die Wissenschaftler den Vorgang. In weiteren Experimenten konnten sie zeigen, dass wichtige Kulturpflanzen wie Gerste, Weizen oder Mais durch HIGS vor Mehltau oder Fusarien geschützt werden.  

Bewährte Zusammenarbeit

Manchmal gehen Pflanzen freiwillig Kooperationen mit Bakterien ein. Ein Beispiel ist die bewährte Zusammenarbeit zwischen Leguminosen und stickstoffbindenden Knöllchenbakterien. Die Pflanzen sind dadurch nicht mehr auf Stickstoffdünger angewiesen. Sie erhalten das lebenswichtige Element aus den Bakterien, die sich an ihre Wurzeln klammern. Im Ausgleich dafür liefern sie den Bakterien Zucker.

Damit es zu dieser Symbiose kommen kann, werden vermutlich Abwehrmechanismen in der Pflanze herunterreguliert. Wenn auch andere Kulturpflanzen eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingehen könnten, könnte der Einsatz von Stickstoffdünger stark reduziert werden. Die grundlegenden Mechanismen der Pflanzenabwehr zu verstehen, ist essentiell für weitere Forschung aber vor allem für eine umweltschonendere Landwirtschaft.


Quelle:
Baeg, K. et al. (2017): The poly(A) tail blocks RDR6 from converting self mRNAs into substrates for gene silencing. In: Nature Plants Vol 3, (20. März 2017), doi: 10.1038/nplants.2017.36

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Auch Pflanzen besitzen ein Immunsystem, um sich gegen Angreifer zu verteidigen. Dieser Weinstock hat den Kampf jedoch verloren. (Bildquelle: © 7monarda / Fotolia.com)