Wie die Schärfe in die Samen kommt

09.08.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Senföle entstehen aus Glucosinolaten. Sie machen den Senf scharf. (Quelle: © iStockphoto.com/ Frans Rombout)

Senföle entstehen aus Glucosinolaten. Sie machen den Senf scharf. (Quelle: © iStockphoto.com/ Frans Rombout)

Einige Pflanzen reichern in Blättern und Samen Glucosinolate an, um sich vor Schädlingen zu schützen. Diese Abwehrstoffe sind eine Vorstufe der Senföle. Diese geben Radieschen und Kohl ihren Geschmack. Viele dieser Stoffe sind gesund, andere schwer verdaulich. Mit einer neuen Technik wollen Forscher den Gehalt der Glucosinolate in essbaren Pflanzen regulieren, indem sie zwei Transportproteine gezielt verändern.

Senf und Radieschen schmecken scharf. Aber warum? Um sich vor Fraßfeinden zu schützen, reichern einige Pflanzen in Blättern und Samen – den für die Fitness der Art besonders wichtigen Pflanzenteilen – große Mengen schwefel- und stickstoffhaltiger Glucosinolate an. Wird die Pflanze verletzt durch ein fressendes Insekt, spalten Enzyme diese Stoffe in stechend riechende und scharf schmeckende Senföle. Wie die Abwehrstoffe in die Samen gelangen, war bisher unklar. Denn sie werden ausschließlich in den Blättern produziert. Ein internationales Forscherteam hat nun zwei Proteine identifiziert, die die Glucosinolate aus den Blättern in die Samen transportieren. 

#####bildbox1#####
Glucosinolate sind sekundäre Pflanzenstoffe. Sie geben Rettich, Meerrettich, Senf, Kresse, Kapuzinerkresse, Rucola und Kohl ihren scharfen bzw. leicht bitteren Geschmack.

Glucosinolate sind sekundäre Pflanzenstoffe. Sie geben Rettich, Meerrettich, Senf, Kresse, Kapuzinerkresse, Rucola und Kohl ihren scharfen bzw. leicht bitteren Geschmack.

Bildquelle: © Coeli / wikimedia.org; gemeinfrei

Internationale Forschungskooperation

In Experimenten mit der Modellpflanze Arabidopsis thaliana - einer „kleiner Schwester“ von Kohl, Senf und Raps – hat ein internationales Forscherteam nach den Transportproteinen der Glucosinolate gesucht. In Arabidopsis gehören die meisten Abwehrstoffe zu den Methionin- und Tryptophan-basierten Glucosinolaten. Zunächst suchten sie daher nach Genen, die für den Import und die Anhäufung dieser Glucosinolate nötig sind. Hierzu nutzten sie einen zellbiologischen Ansatz: als künstliche Zelle dienten dabei Eier des südafrikanischen Krallenfroschs. Zwei Proteine der Nitrat-/Peptid-Transporterfamilie (GTR1 und GTR2) waren in der Lage, die Glucosinolate im Nährmedium in die Eizelle des Krallenfroschs zu transportieren. Daraufhin identifizierten die Forscher die zwei Gene, die für diese Proteine kodieren. 

Wie wichtig sind die GTR-Transporter? 

Sie sind sehr wichtig, zeigten Experimente: Pflanzen, bei denen beide Proteine nicht funktionierten, hatten gar keine Glucosinolate in den Samen. Gleichzeitig speicherten ihre Blätter und Schoten etwa 10mal mehr Glucosinolate als Pflanzen des Wildtyps. Wurde eines der Proteine wieder aktiviert, reicherten sich die Abwehrstoffe wieder verstärkt im Samen an. Während sich Pflanzen mit defektem GTR1 nicht von Wildtyppflanzen unterschieden. Enthielten Mutanten mit defektem GTR2 insgesamt weniger Glucosinolate in ihren Samen, aber dreimal mehr des Stoffs in den Blättern. 

Um den Weg der Transporter und ihrer Ladung nachzuzeichnen, markierten die Wissenschaftler die GTR-Proteine mit fluoreszierenden Proteinen. Sie konnten zeigen, dass der Transport der Glucosinolate von den Zellwänden und Zellzwischenräumen (Apoplast) in das Cytosol (flüssige Bestandteile des Cytoplasma) und in das Phloem der Leitbündel erfolgt. GTR2 wird dabei vor allem im Phloemsaft exprimiert und verantwortet vermutlich den Transport der Glucosinolate vom Apoplast ins Phloem. GTR1 ist auch in den angrenzenden Mesophyllzellen der Blätter präsent und verbreitet das Glucosinolat innerhalb des Blattes. Auch bei der Reaktion der Zelle auf Stress LINK scheint GTR1 eine Rolle zu spielen. 

Bedeutung für die Landwirtschaft

#####bildbox2#####
Rapskuchen.

Rapskuchen.

Bildquelle: © Florian Gerlach / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Mit ihrer Technik wollen die Forscher den Gehalt an Glucosinolaten in essbaren Pflanzen biotechnologisch gezielter regulieren. Viele der wichtigen Abwehrstoffe sind gesund und könnten bedarfsgerecht in Pflanzen angereichert werden. So wurden etwa in Brokkoli Substanzen gefunden, die das Bakterium Helicobacter pylori abtöten können. Dieses Bakterium ist für Entzündungsreaktionen verantwortlich, die Magengeschwüre und Krebs auslösen. Andere Substanzen hingegen wirken toxisch auf Mensch und Tier. Der beim Ölpressen glucosinolatreicher Rapssorten anfallende, proteinreiche Rapskuchen kann nicht als Tierfutter verwendet werden, weil die Tiere ihn nicht vertragen. Seit den 1970er Jahren werden glucosinolat- und erucasäurearme Rapssorten (00-Raps) gezüchtet, die für Mensch und Tier besser verträglich sind. Mit der neuen Technik könnten Glucosinolate noch gezielter aus dem Raps entfernt werden. Denkbar ist auch, diese Stoffe, die wichtige Grundchemikalien für die chemische Industrie sind, gezielt in bestimmten Pflanzenteilen anzureichern und gleichzeitig in anderen Pflanzenteilen zu minimieren. 

Eine Herausforderung für die Züchtung ist es, die antinutritiven Substanzen aus den essbaren Pflanzenteilen zu beseitigen, ohne dabei die natürliche Abwehrfunktion der Pflanzen zu beeinträchtigen. Und es gibt weitere Hindernisse: Experimente der Forscher mit Raps ergaben, dass sich ein Eleminieren der Transportmoleküle negativ auf den Ertrag und die Stressresistenz der Pflanzen auswirkte. Die mutierten Rapspflanzen unterschieden sich zwar kaum in ihren Inhaltsstoffen, sie hatten jedoch kleinere Samen und erbrachten insgesamt geringere Erträge als Wildtyp-Raps. Zudem wuchsen sie deutlich schlechter in stickstoffarmen Böden. Die Wildtyppflanzen, die in ihren Samen Glucsoinolate gespeichert hatten, nutzten diese als Stickstoffquelle.

Die entwickelte Technologieplatform des „Transport engineering” ist so erfolgversprechend, dass Bayer CropScience bereits mit den Forschern verhandelt, um die Technologie weiterzuentwickeln und einen Glucosinolat-freien Raps zu züchten.