Wie kann die Weltbevölkerung 2050 ernährt werden?

Eine Betrachtung der sozial-ökonomischen Aspekte

06.11.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bauer mit Pflug. (Quelle: © istockphoto.com/ Josef Muellek)

Bauer mit Pflug. (Quelle: © istockphoto.com/ Josef Muellek)

Wie kann man die stetig wachsende Weltbevölkerung ernähren und die Situation in armen Regionen verbessern? Wie wirken sich soziale Entwicklungen und politische Entscheidungen auf die Ernährungssituation aus?

Diesen Fragen und weiteren gehen zwei kürzlich erschienene Studien nach: die UN-Studie "How to feed the world in 2050" sowie die Studie „Lebensmittel – eine Welt voller Spannung“ der Deutschen Bank Forschung. In dieser Zusammenfassung werden exemplarisch die sozial-ökonomischen Gesichtspunkte vorgestellt.

Links zu den Darstellungen der ökologischen und klimatischen Aspekten.

Zwei große Studien haben sich in den letzten Monaten mit dem Ernährungsproblem der stetig wachsenden Weltbevölkerung auseinandergesetzt. Im Juni 2009 fand in Rom ein Expertentreffen unter dem Titel „How to feed the world in 2050“ („Wie kann die Weltbevölkerung im Jahr 2050 ernährt werden“) statt. Dort präsentierte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), vertreten durch Jelle Bruinsma, ihre Studie. Sie führt auf, um wie viel Anbauflächen, Wassermenge und Erntenerträge in den nächsten 40 Jahren wachsen müssen, um die Lebensmittelproduktion der stetig wachsenden Weltbevölkerung anzupassen. Im September 2009 erschien eine Studie der Deutschen Bank Forschung mit dem Titel „Lebensmittel – eine Welt voller Spannung“. Die Autorin Claire Schaffnit-Chatterjee erläutert darin sowohl ökologische, ökonomische als auch klimatische Lösungsansätze zur Steigerung der Lebensmittelproduktion.

Die Lebensmittelkrise 2007 / 2008

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Laut FAO stieg die weltweite Nachfrage nach Getreide von 2000 bis 2006 um 8 % an.

Laut FAO stieg die weltweite Nachfrage nach Getreide von 2000 bis 2006 um 8 % an.

Bildquelle: © istockphoto.com/ Elena Elisseeva

Laut FAO stieg die weltweite Nachfrage nach Getreide von 2000 bis 2006 um 8 % an – vor allem wegen der Zunahme der Herstellung von Biotreibstoffen. Weitere Faktoren für den erhöhten Getreidekonsum waren auch das Einkommens- und Bevölkerungswachstum. Die Bauern konnten ihre Produktion jedoch der erhöhten Nachfrage nicht mehr anpassen. Ihre Produktivität war durch die begrenzte Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, unzureichende Investitionen in ländliche Infrastrukturen und in die agrarwissenschaftliche Forschung und durch regionale, ungünstige Witterungen gedämpft worden.

Zeitgleich wurde im Agrarsektor der Börse heftig spekuliert. Dies hatte zur Folge, dass die Getreidepreise laut FAO im Jahr 2006 um 50 % anstiegen. Da der Preisanstieg nur in sehr geringem Maße den Bauern zugute kam, sahen diese keine Veranlassung, ihre Ernteerträge zu steigern. Auf dem Höchststand der sog. Lebensmittelkrise im Frühjahr 2008 lagen die Weltmarktpreise für Weizen und Mais dreimal so hoch wie Anfang 2003. Der Preis für Reis hatte sich sogar verfünffacht! Die Preise für Butter und Milch verdreifachten sich in diesem Zeitraum, während sich die Preise für Rindfleisch und Geflügel verdoppelten.

Die Finanzkrise – der Retter in der Not

Die weltweite Finanzkrise sorgte ab den Wintermonaten 2008 für die ersehnte Entspannung auf dem Lebensmittelmarkt. Sie verursachte ab Ende 2008 eine Konjunkturverlangsamung, wodurch die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen für Futtermittel, Lebensmittel und Treibstoffe sank und sich die angespannte Preissituation entspannte.

Laut der Studie der Deutschen Bank ist der temporäre Preisverfall, der durch die Finanzkrise ausgelöst wurde, nur die Ruhe vor dem Sturm. Die grundlegenden, längerfristigen Probleme seien weiterhin vorhanden und müssten behoben werden, um die Lebensmittelpreise langfristig zu stabilisieren. Auch auf dem jüngsten G8-Gipfel im Juli 2009 in L`Aquila verständigten sich die Vertreter der sieben größten Industrienationen und Russland darüber, die ärmsten Bauern der Welt mit 15 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Die Schätzungen der benötigten Beträge reichen jedoch von 5 Milliarden US-Dollar Soforthilfe und mittelfristig 9 Milliarden US-Dollar bis zu 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Weniger Unterstützung der Ärmsten – ein Fehler

Nachdem die Rohstoffpreise in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich zurückgegangen waren, kürzten viele Staaten der sog. „ersten Welt“ ihre finanzielle Unterstützung für die Landwirtschaft in der Dritten Welt. Nachdem im Jahr 2009 eine Milliarde Menschen hungern, sind sich FAO, Vereinte Nationen und Weltbank einig, dass dies der falsche Weg war und fordern eine baldige Trendwende.

Die Sparmaßnahmen schränkten auch die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung stark ein. Während sich die gewinnorientierte Forschung der landwirtschaftlichen Unternehmen eher auf eine begrenzte Anzahl wertvoller Nutzpflanzen für rentable Märkte interessiert, dienen die öffentlichen Investitionen in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung dazu, Studien zur Situation von Kleinbauern in armen Ländern durchführen zu können. Denn gerade diese Bauern sind für Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung von zentraler Bedeutung.

Produktivität der Kleinbauern muss gestärkt werden

Die etwa 500 Millionen Kleinbauern spielen eine zentrale Rolle bei der gerechten Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und der daraus resultierenden Armutsbekämpfung. Wenn diese Kleinbauern in das Wachstum im Agrarsektor einbezogen werden können, produzieren sie mehr Lebensmittel und steigern ihr Einkommen, was wiederum die Nachfrage nach lokalen Gütern und Dienstleistungen auslöst und zu einer breit angelegten sozialen und ökonomischen Weiterentwicklung ländlicher Gebiete führt.

Kleinbauern benötigen besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen wie Krediten, Sparprodukten, Versicherungen und mobilen Geldtransfersystemen. Der Übergang von der Selbstversorgungswirtschaft zur kommerziellen Landwirtschaft erfordert außerdem beträchtliche Investitionen im Bereich der effizienten Bewässerung, bei Lagerung und Transport von Lebensmitteln, beim optimierten Einsatz von Düngern, bei den Mitteln zur Förderung von Forschung und Innovation (z.B. neuartiger Biotreibstoffe), beim Zugang zu Märkten und Vertriebskanälen und bei der Ausbildung der Bauern.

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Viele Kleinbauern haben mit Armut zu kämpfen. Vor allem Frauen haben oft schlechtere Zugangsbedingungen zu Land, was auch durch soziokulturelle Faktoren bestimmt wird.

Viele Kleinbauern haben mit Armut zu kämpfen. Vor allem Frauen haben oft schlechtere Zugangsbedingungen zu Land, was auch durch soziokulturelle Faktoren bestimmt wird.

Bildquelle: © Cronopio / Fotolia.com

Rund zwei Drittel der drei Milliarden Menschen, die weltweit in ländlichen Gebieten leben, ernähren sich von Erträgen von weniger als zwei Hektar Land. Werden diese Kleinbauern nachhaltig gestärkt, kann das laut der Studie der Deutschen Bank Forschung maßgeblich zu einer erhöhten Preisstabilität im Lebensmittelsektor beitragen und die Ernährung der Weltbevölkerung auch in Zukunft erleichtern.

Frauen in der Weltlandwirtschaft

Laut dem Weltagrarbericht von 2008 spielen Frauen in bäuerlichen Familienbetrieben weltweit nach wie vor eine entscheidende Rolle, denn sie stellen einen immer größeren Teil der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte.

Der Zugang von Frauen zu fruchtbarem Land und Landbesitz ist jedoch vor allem in der dritten Welt immer noch durch gesetzliche (zum Beispiel in Simbabwe und im Jemen) und soziokulturelle Faktoren eingeschränkt. Im ostafrikanischen Staat Burundi etwa ist das Recht der Frauen auf Landbesitz zwar gesetzlich festgeschrieben, aufgrund gängiger Praxis können Frauen landwirtschaftliche Nutzflächen und andere Naturgüter aber nur beschränkt kaufen oder erben. Vor allem in den Regionen Zentral- und Westasien, Nordafrika, Lateinamerika und in der Karibik sehen Agrarreformen in der Regel für Männer den Grundbesitz vor. In den meisten patriarchalischen Gesellschaften verlieren Frauen bei Scheidung oder Tod des Ehemannes automatisch ihre Rechte am Land.

Wenn Frauen nicht über Land verfügen können und ihre Landbesitzrechte begrenzt sind, so hat das häufig zur Folge, dass sie nur eingeschränkten Zugang zu Darlehen und zu sozialen Sicherheitssystemen haben, Autonomie und Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt sind und letztlich die Ernährungssicherheit bedroht ist. Einige wenige Länder (zum Beispiel die Republik Südafrika und Kenia) haben die individuellen Landbesitzrechte von Frauen inzwischen anerkannt.

Um die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft mit Nahrungsmitteln versorgen zu können, müssen Frauen laut der Deutschen Bank  Studie zukünftig besseren Zugang zu Ausbildung und Landbesitz haben. Durch die Aufklärung von Frauen über Familienplanungsmöglichkeiten könnte außerdem das Bevölkerungswachstum in den Ländern der Dritten Welt verlangsamt werden. Damit sind Frauen und die gezielte Förderung von Frauen ein wichtiger Schlüssel bei der Gestaltung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume der Zukunft.


Quellen:

  • Deutsche Bank Forschung: „Lebensmittel – eine Welt voller Spannung“ (www.dbresearch.de)
  • FAO Studie: „The Resource Outlook To 2050” (www.fao.org)
  • Weltagrarbericht (www.weltagrarbericht.de
  • Dorin, Bruno (2008). From Ivorian Cocoa Bean to French Dark Chocolate Tablet. Price Transmission, Value Sharing and North/South Competition Policy. In Qaqaya H., Lipimile G. (Dir.). The effects of anti-competitive business practices on developing countries and their development prospects. United Nations Conference on Trade and Development. Geneva, S. 237-329.
  • Hazell, Peter, C. Poulton, S. Wiggings und A. Dorward (2007). The future of small farms for poverty reduction and growth. IFPRI.

 

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