Wundheilung von Lianen abgeguckt

02.06.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Lianen können Risse in ihrem Gewebe selbst heilen. Diese Fähigkeit will sich die Bionik zu Nutze machen. (Quelle: © iStockphoto.com/ Alex Bramwell)

Lianen können Risse in ihrem Gewebe selbst heilen. Diese Fähigkeit will sich die Bionik zu Nutze machen. (Quelle: © iStockphoto.com/ Alex Bramwell)

Pflanzen haben im Laufe ihrer Evolution die Fähigkeit zur Wundversiegelung entwickelt. Forschern der Universität Freiburg ist es nun gelungen, diesen pflanzlichen Reparaturmechanismus auf technische Materialien zu übertragen. Zukünftig könnte ihre bionische Beschichtung helfen, Reifen, Schlauchboote und auch Leichtbaubrücken unkaputtbar zu machen.

Wenn Lianen wachsen, reißen dabei häufig die äußeren Schichten des festigenden Pflanzengewebes ein. Umgehend wird dann ein pflanzlicher Reparaturmechanismus eingeleitet. In Minutenschnelle quellen Zellen des benachbarten Grundgewebes in den Riss und verschließen ihn. Dann beginnen sich die Grundgewebezellen zu teilen und dichten die Verletzung völlig ab.

Nach dem Vorbild der Lianen ist Forschern vom Kompetenznetz Biomimetik der Universität Freiburg nun die Übertragung des Prinzips der schnellen Wundversiegelung auf technische Materialien im Labormaßstab gelungen. Das Forschungsteam hat eine bionische Beschichtung entwickelt, die Verletzungen pneumatischer, also luftgefüllter Strukturen wie etwa Reifen, schnell und effizient repariert. 

Mit dem entwickelten Polyurethanschaum, in dem Überdruck herrscht, wurden Membranen beschichtet. Wurde die Membran verletzt, quoll der Schaum in den Riss und verschloss ihn. Die Reparaturfähigkeit des Schaums testeten die Wissenschaftler, indem sie beschichtete und unbeschichtete Membranen mit Nägeln durchstießen, deren Durchmesser bis zu fünf Millimeter betrug. Durch diese Löcher entwich die Luft bei beschichteten Membranen bis zu tausendmal langsamer als bei unbeschichteten. 

Eine Weiterentwicklung der Technologie im industriellen Maßstab erfolgt derzeit in Kooperation mit einem mittelständischen Unternehmen. 

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Das Dach dieses Parkhauses in Montreux, Schweiz wurde mit der aufblasbaren Leichtbautragstruktur Tensairity® erbaut. Bald könnte es mit einer selbstreparierenden Beschichtung ausgerüstet sein.

Das Dach dieses Parkhauses in Montreux, Schweiz wurde mit der aufblasbaren Leichtbautragstruktur Tensairity® erbaut. Bald könnte es mit einer selbstreparierenden Beschichtung ausgerüstet sein.

Bildquelle: © Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

In Zukunft sollen beispielsweise Veranstaltungshallen oder Behelfsbrücken, die in Tensairity-Leichtbautrageweise erbaut wurden, mit der selbstreparierenden Beschichtung ausgestattet werden. Der Name Tensairity setzt sich aus den englischen Begriffen für Spannung (tension), Luft (air) und Zusammenhalt (integrity) zusammen. Der Begriff steht für eine Bauweise, bei der filigran aussehende Luftbalken eingesetzt werden. Diese haben eine Tragkraft wie herkömmliche Stahlträger, wiegen aber nur ein Zehntel soviel. Solche Konstruktionen lassen sich vielfältig einsetzen, zum Beispiel für Brücken, Überdachungen von großen Hallen, Sportstadien und Plätzen. 

Und selbst Luftmatratzen und Schlauchboote könnten eines Tages von den luftigen Konstruktionen profitieren.

Das Projekt wird seit 2006 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Bionik – Innovationen aus der Natur“ gefördert. In dem interdisziplinären Forschungsprojekt arbeiten Biologen des Botanischen Gartens der Universität Freiburg und Chemiker des Freiburger Materialforschungszentrums sowie Physiker und Ingenieure des schweizerischen Materialprüfungsamts EMPA Dübendorf an Selbstheilungsprozessen in Natur und Technik.


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