Zeit gewinnen, um Ernten zu sichern

Wie Wissenschaftler Pflanzen auf negative Umwelteinflüsse vorbereiten

10.11.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis ist die Nahrungsgrundlage der Menschen im asiatischen Raum. Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck daran, Reispflanzen widerstandsfähig gegen sich verändernde Umweltbedingungen zu machen. (Bildquelle: Carsten Raum/ pixelio.de)

Reis ist die Nahrungsgrundlage der Menschen im asiatischen Raum. Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck daran, Reispflanzen widerstandsfähig gegen sich verändernde Umweltbedingungen zu machen. (Bildquelle: Carsten Raum/ pixelio.de)

Das Klima auf der Erde verändert sich, die Wetterverhältnisse werden extremer. In vielen Schwellenländern sorgt zudem die Umweltverschmutzung für Ernteeinbußen. Nun suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, wichtige Nahrungspflanzen widerstandfähiger gegen diese negativen Umwelteinflüsse zu machen. Mit Erfolg: Ein Transkriptionsfaktor, eine Art Hauptschalter für Gene, hält Reis auch bei Trockenheit ertragreich. Ein umfangreiches Screening zahlreicher Reissorten liefert eine wichtige Grundlage für die Züchtung von Ozon-toleranterem Reis.

Unsere Nutzpflanzen werden in Zukunft immer häufiger Überschwemmungen und Dürreperioden ausgesetzt sein. Doch nicht nur der Klimawandel sorgt dafür, dass wir unsere Nutzpflanzen besser an die veränderten Umweltbedingungen anpassen müssen. In den kommenden Jahren wird auch die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln wie Reis (Oryza sativa), Mais (Zea mays) und Getreide steigen. Bereits im Jahr 2050 werden etwa neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern – Tendenz steigend.

Photosynthese-Leistung beeinflusst Ertrag

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Nur wenn Reis auch bei trockenen Klimaverhältnissen noch ausreichend Erträge bringt, ist die Nahrungsgrundlage zahlreicher Menschen sicher.

Nur wenn Reis auch bei trockenen Klimaverhältnissen noch ausreichend Erträge bringt, ist die Nahrungsgrundlage zahlreicher Menschen sicher.

Bildquelle: © iStock.com/ HotDuck

Wie ertragreich eine Pflanze ist, hängt unter anderem von ihrer Photosynthese-Leistung ab. Denn bei diesem Prozess wandelt die Pflanze mit Hilfe von Sonnenlicht CO2 aus der Luft in Nährstoffe um. Je mehr Nährstoffe eine Pflanze produziert, desto besser kann sie wachsen - oder anders ausgedrückt: desto mehr Biomasse produziert sie. Stressfaktoren können die Photosynthese-Leistung einer Pflanze negativ beeinflussen. Ein zunehmend an Bedeutung gewinnender abiotische Stressfaktor stellt Trockenheit dar. Im akuten Fall sinken die Erträge und die Nahrungsgrundlage vieler Menschen ist nicht mehr sicher.

Universelle Stellschraube für Photosynthese gesucht

Wissenschaftler haben nun nach einer Stellschraube im pflanzlichen Stoffwechsel gesucht, mit der sich die Photosynthese ankurbeln lässt. Diese sollte sowohl funktionieren, wenn die Pflanze ausreichend bewässert ist, als auch bei Trockenheit oder Hitze. Denn nur wenn Pflanzen in der Lage sind, auf vielfältige Umwelteinflüsse zu reagieren, sind diese optimal angepasst. Da nach Prognosen wechselnde Umweltbedingungen und Extremwetterereignisse zunehmen werden, kommt solchen flexiblen Reaktionsmustern eine wachsende Bedeutung zu.

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass sich Transkriptionsfaktoren besonders gut als Stellschrauben für die komplexen Stoffwechselwege der Photosynthese eignen. In ihrem aktuellen Forschungsansatz durchsuchten die Wissenschaftler öffentlich zugängliche Datenbanken und trugen zahlreiche Informationen darüber zusammen, welche Transkriptionsfaktoren sich unter normalen Bedingen und bei Dürre oder Hitze auf den Photosynthese-Stoffwechsel ihrer Modellpflanze Reis auswirken. Ein Gen, das für den Transkriptionsfaktor HYR (HIGHER YIELD RICE) codiert, zeigte sich in den Analysen der Wissenschaftler als besonders vielversprechender Kandidat, wenn es darum geht, die Reisernten auch bei Trockenheit stabil zu halten.

HYR-Gen lässt Reis Dürre und Hitze trotzen

Um ihre Vermutung zu prüfen, veränderten die Forscher ihre Reispflanzen derart, dass ein zusätzlich integriertes HYR-Gen verstärkt abgelesen (transkribiert) wurde. Egal ob die Wissenschaftler ihre Pflanzen regemäßig wässerten oder die Erde austrocknen ließen, die HYR-Pflanzen waren stets ertragreicher und trotzten Dürre und Hitze länger als die genetisch unveränderten Kontroll-Pflanzen. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die verstärkte Expression des HYR-Gens tatsächlich die Photosynthese-Leistung von Reis ankurbelte. Die HYR-Pflanzen wiesen mehr Chloroplasten mit erhöhter Chlorophyllmenge auf als Kontrollpflanzen. Normalerweise reduziert eine Pflanze ihre Photosynthese, wenn sie genügend Zucker produziert hat. Bei den HYR-Pflanzen scheint das nicht der Fall zu sein – trotz ausreichender Nährstoffe läuft die Photosynthese weiter auf Hochtouren, auch bei Trockenheit und Hitze. Warum das so ist, müssen weitere Versuche zeigen. Auch die Wurzeln der derart veränderten Pflanzen wuchsen üppiger als die der Kontrollpflanzen, und das sogar bei Trockenheit.

Mit HYR scheinen die Wissenschaftler in der Tat einen Universalschalter zur Ertragssicherung von Reis auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen entdeckt zu haben. Pflanzen mit verstärkt exprimiertem HYR könnten die Versorgung zahlreicher Menschen mit dem Grundnahrungsmittel Reis decken.

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Die Verbrennung fossiler Rohstoffe erhöht die Luftverschmutzung und die Ozonbelastung. Darunter leiden nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen. 

Die Verbrennung fossiler Rohstoffe erhöht die Luftverschmutzung und die Ozonbelastung. Darunter leiden nicht nur Menschen, sondern auch Pflanzen. 

Bildquelle: © Klaus Steves/ pixelio.de

Auch Ozonbelastung schmälert Ernten

Nicht nur Klima und Wetter haben Einfluss auf die Erträge. Zunehmend wirken sich die von Menschen verursachten Umwelteinflüsse negativ auf die Ertragsbildung aus. Ziel von Wissenschaftler ist es, Pflanzen widerstandsfähiger gegen solche negativen Umwelteinflüsse zu machen. Neben der Reduktion und im Idealfall der Vermeidung von Umweltschädigungen verfolgen Forscher auch den Weg einer besseren Anpassung von Pflanzen an kritische Bedingungen. Dabei ist der Beweggrund der Forscher nicht, ein „weiter wie bisher“ zu fördern. Vielmehr sehen die Forscher es als notwendig an, Zeit zu gewinnen.

In asiatischen Ländern wie China oder Indien ist durch zunehmende Luftverschmutzung die Ozonbelastung inzwischen so hoch, dass durch das reaktive Molekül (Radikal) die landwirtschaftlichen Erträge gefährdet sind. Hauptursache für den Ozonanstieg ist die zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe. Unter Einwirkung von Hitze und Sonneneinstrahlung entstehen so das bodennahe Ozon. Das äußerst reaktive Gas ruft Schäden in menschlichem und pflanzlichem Gewebe hervor. Bei Reis als wichtigste Kulturpflanze der Region werden Ertragseinbußen bis zu 20 Prozent durch Ozonbelastung festgestellt. „Für die Ernährungssicherung in dieser extrem bevölkerungsreichen Region stellt dies ein ernsthaftes Problem dar“, sagt Juniorprofessor Frei von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Mit seinem Team aus Agrarwissenschaftlern hat Frei 328 verschiedene Reissorten aus 78 Ländern auf ihre Stresstoleranz gegenüber Ozon getestet. „Dabei stellten wir fest, dass verschiedene Sorten völlig unterschiedlich auf Ozonbelastung reagieren: Während manche Sorten überhaupt keine Ertragseinbußen zeigten, waren andere extrem empfindlich und lieferten fast gar keinen Ertrag mehr“, so Frei. Die Variabilität der Reaktionsmuster dieser Sorten schafft eine wichtige Grundlage für die Züchtung von toleranteren Reissorten. Bis wirksame Schritte zur Eindämmung der Luftverschmutzung greifen, könnte damit die Zeit überbrückt werden und neue Reissorten den etwa drei Milliarden Reiskonsumenten in Asien die Nahrungsgrundlage sichern.


Quellen:

  • Ambavaram MM., et al. (2014): Coordinated regulation of photosynthesis in rice increases yield and tolerance to environmental stress. In: Nature Communication, (31. Oktober 2014), doi: 10.1038/ncomms6302
  • Ueda Y., et al. (2014): Genetic dissection of ozone tolerance in rice (Oryza sativa L.) by a genome-wide association study. In: Experimental Botany, (4. November 2014), doi: 10.1093/jxb/eru419.

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Titelbild: Reis ist die Nahrungsgrundlage der Menschen im asiatischen Raum. Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck daran, Reispflanzen widerstandsfähig gegen sich verändernde Umweltbedingungen zu machen. (Bildquelle: Carsten Raum/ pixelio.de)