Zimmerpflanzen gegen dicke Luft

Schadstoffbekämpfung auf der Fensterbank

07.09.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Oft als Beamtengras verspottet, taugt die Grünlilie als Lufterfrischer. (Bildquelle: © bozhena_melnyk / Fotolia.com)

Oft als Beamtengras verspottet, taugt die Grünlilie als Lufterfrischer. (Bildquelle: © bozhena_melnyk / Fotolia.com)

Dass Pflanzen Luft säubern können, ist schon länger bekannt. Das gilt auch für Innenräume. Eine neue Studie bestätigt nun unsere Vorlieben bei der Pflanzenwahl. Denn einige der Zimmerpflanzen, die in unseren Breitengraden zahlreiche Wohnzimmer zieren, sind vortreffliche Schadstofffilter.

Qualmende Fabrikschlote und Abgase aus dem Straßenverkehr, die Feinstaub, Ozon und Stickstoff in die Luft befördern – nicht nur im Freien sind wir Luftverschmutzung ausgesetzt. Selbst in unseren eigenen vier Wänden gibt es kein Entkommen vor ungesunder Luft. Mal liegt es am Fußboden, mal am Mobiliar, mitunter am Drucker, an Lacken oder am Reinigungsmittel: Sie alle können Schadstoffe freisetzen, die in geschlossenen Räumen oftmals in höherer Konzentration enthalten sind als draußen vor der Haustür. Materialien der Innenausstattung geben die schädlichen Stoffe oft unmittelbar nach dem Bau oder der Renovierung an die Luft ab, bisweilen aber auch dauerhaft. Auch Tabakrauch trägt bekanntlich zur Luftverschmutzung in Gebäuden bei, ferner sogar der menschliche Stoffwechsel, weil Kohlendioxid ausgeatmet wird.

Unterschätztes Beamtengras

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Video (auf Englisch): Etliche Gegenstände des täglichen Bedarfs setzen flüchtige organische Verbindungen (VOCs) frei - Zimmerpflanzen können Abhilfe schaffen. (© American Chemical Society / www.youtube.com)

„Gebäude, egal ob neu oder alt, können große Mengen an VOCs enthalten, die manchmal so groß sind, dass man sie sogar riechen kann“, sagt der Chemiker Vadoud Niri laut einer Mitteilung. Die Abkürzung VOC bezeichnet die Gruppe flüchtiger organischer Verbindungen (Volatile Organic Compounds), die gas- oder dampfförmig sind und bereits bei Zimmertemperatur zahlreichen Gegenständen und Materialien wie den oben genannten entweichen.

In einer neuen Studie haben Wissenschaftler um Niri nun untersucht, mit welchen Pflanzen sich Schadstoffe aus Wohnräumen besonders wirksam verbannen lassen. Er experimentierte hierbei mit Pflanzen, die in unseren Breitengraden bereits vielfach die Fensterbänke dekorieren – und sie schnitten erfolgreich ab: die Gattung Guzmania lingulata aus der Familie der Bromelien- bzw. Ananasgewächse zum Beispiel, der immergrüne Drachenbaum Dracaena fragrans und die Grünlilie Chlorophytum comosum, die so häufig die Büroräume schmückt, dass sie bereits als Beamtengras bekannt ist.

Der Nagelsalon als Inspiration

Für ihre Untersuchung setzten die Forscher je ein Exemplar der fünf untersuchten Pflanzenarten in eine verschlossene, luftdichte Kammer, die eine von acht untersuchten flüchtigen organischen Verbindungen in einer definierten Konzentration enthielt. Über Stunden hinweg maßen die Forscher die Konzentration der Substanz in der Kammer und beobachteten, in welchem Maße sie sank.

Das Beispiel Aceton zeigte, dass alle fünf Pflanzen dazu imstande waren, es aufzunehmen. Aceton ist in Lösungsmitteln wie Nagellackentferner enthalten, und sein beißender Geruch inspirierte Niri überhaupt erst zu seinem Experiment. Nachdem er mit seiner Frau einen Nagelsalon beteten hatte, berichtete Niri unlängst der „Washington Post“, sah er sich bereits nach ein paar Atemzügen zur Flucht veranlasst. Zurück im Labor widmete er sich der Frage, wie sich die Schädlichkeit dieser Ausdünstungen reduzieren ließe.

Für Abhilfe sorgt der Drachenbaum

Aus dem Experiment, das nun folgte, ging hervor, dass der Drachenbaum bei Aceton besonders gut Abhilfe schaffen kann: Bei dem Versuch vermochte die Pflanze aus der Familie der Spargelgewächse, 94 Prozent der Substanz aus der Kammer zu absorbieren. Unklar ist bislang jedoch, wie die Ergebnisse im Nagelsalon ausfallen würden. Über die Versuchsreihe hinweg entpuppte sich jedenfalls die Bromelie als Universalgenie: Sie nahm innerhalb von zwölf Stunden 80 Prozent von insgesamt sechs Substanzen auf.

Der Luftqualität in Innenräumen kommt große Bedeutung zu: Gerade weil die meisten Menschen in Mitteleuropa 90 Prozent ihrer Zeit im Inneren von Wohn- oder Büroräumen verbringen und dort täglich bisweilen mehr als 20 Kilogramm Luft einatmen, ist es wichtig, die Luftverschmutzung innerhalb von Gebäuden zu verringern. Während die VOCs dem Umweltbundesamt zufolge in geringer Dosis meist als gesundheitlich unbedenklich einzustufen sind, können sie in höherer Konzentration schädlich sein. Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit gehören zu den möglichen Auswirkungen, die das Bundesumweltministerium nennt.

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Das Universalgenie unter den getesteten Pflanzen: die Bromelie Guzmania lingulata.

Das Universalgenie unter den getesteten Pflanzen: die Bromelie Guzmania lingulata.

Bildquelle: © Maarten Sepp/ wikimedia.org; CC BY-SA 4.0

Auch für die NASA interessant

Die Raumfahrtbehörde NASA hatte bereits 1989 eine Liste von Pflanzen veröffentlicht, mit denen sich die Luftqualität im Gebäudeinneren verbessern lässt. Anlass zu der Forschung waren Berichte über das sogenannte Sick-Building-Syndrom, die damals aufgekommen waren. Nachdem Arbeiter in Räumen gearbeitet hatten, die zugunsten der Energieeffizienz luftdicht verschlossen waren, klagten sie unter anderem über juckende Augen, Benommenheit und Kopfschmerzen. Die Raumfahrtbehörde interessierte sich für dieses Thema, um die Bedingungen auf Raumstationen zu verbessern. Denn die Luftqualität in Raumschiffen wie auch in Wohn- und Büroräumen leidet insbesondere unter Benzol und Formaldehyd, die beide zu den flüchtigen organischen Verbindungen zählen.

Bei ihrer Versuchsreihe stellte die NASA fest, dass manche Pflanzen binnen 24 Stunden große Mengen von Substanzen absorbieren können. So hatte der Gemeine Efeu, der oft an Hauswänden emporrankt, aber auch als Zimmerpflanze genutzt werden kann, nach dieser Zeit etwa 90 Prozent des Benzols beseitigt, mit dem er sich in einer versiegelten Kammer befand. Benzol kommt unter anderem in Farb- und Plastikprodukten vor. Hierbei erwiesen sich weiterhin der Drachenbaum und das Friedensblatt als Luftreiniger als besonders hilfreich. Bei der Entfernung von Formaldehyden, oft in Bodenbelägen oder Tabakrauch enthalten, schnitten neben bestimmten Arten von Drachenbäumen auch Chrysanthemen und Gerbera-Pflanzen gut ab.

Eine Pflanze je neun Quadratmeter

Wer sich vor schlechter Luft in Innenräumen schützen will, sollte bei Bau und Renovierung schadstoffarme Produkte wählen und regelmäßig lüften. Wem das nicht reicht, kann sich an eine Empfehlung der NASA halten. In Wohn- und Büroräumen rät sie zu einer großen Topfpflanze je neun Quadratmeter – für ein besseres Raumklima auf dem Planeten Erde.


Quelle:
American Chemical Society: Reducing indoor air pollution with houseplants (animiertes Video auf Englisch).

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Weiterführende Informationen:

Titelbild: Oft als Beamtengras verspottet, taugt die Grünlilie als Lufterfrischer. (Bildquelle: © bozhena_melnyk / Fotolia.com)