Zwergenwuchs durch Genmutation

21.05.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Gendefekt kann das Blattwachstum von Pflanzen beeinträchtigen. Die Ursache ist ein gestörter Wassertransport in der Pflanze. (Quelle:© iStockphoto.com/Ivan Kmit)

Ein Gendefekt kann das Blattwachstum von Pflanzen beeinträchtigen. Die Ursache ist ein gestörter Wassertransport in der Pflanze. (Quelle:© iStockphoto.com/Ivan Kmit)

Pflanzen mit einem gestörten Wassertransport im Xylem haben kleinere Blätter und kleinere Zellen. Sie sind aber auch resistenter gegenüber Trockenheit. Forscher haben die genetischen Ursachen für das gestörte Blattwachstum entdeckt: drei Gene des Cellulose-Synthase-Komplex.

Zwei Mechanismen lassen Pflanzen wachsen: die Zellproliferation, also die schnelle Vermehrung von Gewebe mittels Zellteilung, und die Zellexpansion, das Wachstum der Zellen nach der Mitose. Die Regulationsmechanismen der Zellexpansion waren bisher weitgehend unbekannt. Ein Forscherteam hat nun in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana drei Gene entdeckt, die eine zentrale Rolle für das Blattwachstum spielen. Aus einer Sammlung mittels Ethylmethansulfonat (EMS) mutierter Arabidopsispflanzen identifizierten die Wissenschaftler vier sehr ähnliche Phänotypen, die trotz normaler Blattform besonders kleine Blätter hatten. Eine Genanalyse zeigte, dass in diesen Pflanzen einige der sogenannten EXIGUA (exi)-Gene mutiert waren. 

Wie kommt es zu den kleinen Blättern?

Um diese Frage zu klären, züchteten die Forscher vier Arabidopsis-Mutanten, in denen die drei exi-Gene systematisch ausgeschaltet wurden. Es zeigte sich, dass diese Pflanzen nicht nur besonders kleine Blätter hatten, sondern auch im Vergleich zum Wildtyp sehr kleine Zellen und eine auffällig dunkelgrüne Farbe, die aus der höheren Dichte der Chloroplasten in den kleinen Zellen resultierte. 

Die Wissenschaftler entdeckten einen direkten Zusammenhang zwischen der Zellgröße in exi-Pflanzen (bzw. der Zellintegrität) und dem Poliploidiegrad der Zelle während des Blattwachstums. In ausgewachsenen Blättern einer diploiden (2c) Pflanze wie Arabidopsis kann durch Endoreduplikation, also die DNA-Replikation ohne Zellteilung, die Zahl der Chromosomen pro Zelle vervielfacht sein. Dies ermöglicht der Zelle eine höhere Effizienz bei der Genexpression und damit einen gesteigerten Stoffwechsel. Das Resultat sind größere Blätter. Die exi-Pflanzen verfügten im Vergleich zum Wildtyp über einen größeren Anteil diploider und über weniger polyploide Zellkerne (8c und 16c). Die Blätter der exi-Mutanten blieben daher kleiner.

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Die Wissenschaftler entdeckten einen interessanten Nebeneffekt der gestörten Wasserregulation in den exi-Mutanten: die Pflanzen waren deutlich unempfindlicher gegenüber Trockenstress als Wildtyppflanzen (Quelle: © Maret Hosemann / pixelio.de). 

Die Wissenschaftler entdeckten einen interessanten Nebeneffekt der gestörten Wasserregulation in den exi-Mutanten: die Pflanzen waren deutlich unempfindlicher gegenüber Trockenstress als Wildtyppflanzen (Quelle: © Maret Hosemann / pixelio.de). 

Intakte Zellwände fördern die Zellexpansion

Weitere Analysen zeigten, dass in den exi-Mutanten die Xylemgefäße infolge eines reduzierten Cellulosegehalts in der sekundären Zellwand eingefallen waren. Die Xyleme sind für den Wassertransport in der Pflanze zuständig. Sie erzeugen durch die Wasserzufuhr in das Speichergewebe der Zellen (Vakuole) einen Turgordruck, der die Zellen stabilisiert und während des Blattwachstums für die nötige Zellexpansion sorgt. In den exi-Mutanten war diese Funktion gestört. Die Gefäßzellwände waren hier weniger dehnbar und konnten nur einen eingeschränkten Wassertransport leisten. Der Turgordruck in der Zelle blieb hierdurch begrenzt. Das Ergebnis waren kleinere Zellen. Die Forscher nehmen an, dass die exi-Gene für Untereinheiten des Cellulose-Synthase-Komplexes kodieren, der für die Biosynthese der sekundären Zellwand zuständig ist. 

Trockenresistenz durch defekte Leitungen 

Einen Beleg für die gestörte Wasserregulation in den exi-Pflanzen lieferten Experimente mit den Nährmedien Mannit (osmotische Dehydrierung) und Natriumchlorid (NaCl). Hierbei reagierten die exi-Pflanzen weniger sensibel auf eine veränderte Wasserzufuhr. Sie zeigten eine deutlich bessere Trockenresistenz als die Wildtyppflanzen (Mannit). Nach einer Woche Trockenstress waren ihre Blätter frischer und ihr Wachstum nicht so stark reduziert wie bei den Wildtyppflanzen. Im NaCL-Medium wuchsen sie jedoch kaum, während die feuchte Biomasse der Wildtyppflanzen deutlich zunahm. 

Keinen Unterschied in der Blattgröße von exi-Mutanten und Wildtyppflanzen zeigte sich jedoch, als die Wissenschaftler die Pflanzen in einem Flüssigmedium kultivierten. Hier konnte das Wasser über die Spaltöffnungen (Stomata) direkt in das Blattmesophyll der exi-Mutanten eindringen – ohne den Umweg über die defekten Xylemgefäße. Der interne Turgordruck erhöhte sich und förderte so die Zellexpansion. Die Wissenschaftler schlussfolgern hieraus, dass die exi-Gene die Cellulose-Synthase nur teilweise beeinträchtigen. 

Komplexe Zellwände 

Pflanzliche Zellwände sind komplexe Strukturen, deren Funktionsweise und Regelungsmechanismen bisher nur unvollständig verstanden sind. Für die Nutzpflanzenforschung sind sie jedoch ein wichtiges Forschungsfeld. Wie die vorliegende Studie zeigt, sind sie an Schlüsselprozessen wie der Zellausdehnung, der Trockentoleranz von Nutzpflanzen und der Pflanzen-Pathogen-Interaktionen und damit an der Resistenzprägung beteiligt. Die Studie bringt etwas Licht in die komplexe Beziehung zwischen der Zellwandstruktur und der Regulation des Zellzyklus während des Pflanzenwachstums und zeigt damit Ansätze zur Beeinflussung wichtiger agronomischer Merkmale auf.